05.06.2018

Mobbing am Arbeitsplatz: So reagieren Sie als Personalrat richtig

Mobbing am Arbeitsplatz ist leider in aller Munde. Weder das Medieninteresse hat nachgelassen noch hat die Zahl der Mobbingopfer abgenommen. Und nach unserer Ansicht gibt es sogar mehr Mobbingopfer denn je. Sie als Personalrat stehen hier vor folgender Herausforderung: Zum einen müssen Sie dafür sorgen, dass sich die Opfer immer zu Ihnen trauen. Zum anderen müssen Sie ihnen im Anschluss adäquat helfen. In diesem Beitrag wollen wir Ihnen zeigen, wie:

Hören Sie dem Mobbing-Opfer gut zu

Kommt ein Beschäftigter auf Sie zu, hören Sie ihn zunächst aufmerksam und ernsthaft an.

Das können Sie zu Beginn tun: In diesem frühen Stadium ist es schwierig, die Situation abzuschätzen: Sagt der Kollege die Wahrheit? Was steckt dahinter? Wie sehen es die anderen Kollegen? Trotzdem müssen Sie natürlich tätig werden, es sitzt schließlich ein Hilfesuchender vor Ihnen. Halten Sie deswegen immer Folgendes bereit:

  • Informationsmaterial (Broschüren, Bücher), die Sie dem Opfer ausleihen können, und
  • eine aktuelle Adressenliste von Ärzten, Therapeuten, Rechtsanwälten, die mit Mobbing vertraut sind.

So haben Sie schon mal etwas getan, ohne vorschnell Partei zu ergreifen!

Betrachten Sie die andere Seite

Nun folgt Schritt 2: Für Sie heißt es nun, den Sachverhalt zu recherchieren und schlichtend tätig zu werden.

Treten Sie an den Beschuldigten heran und schildern Sie ihm den Vorwurf des Betroffenen. Bleiben Sie hier aber in jedem Fall noch neutral und unterstellen Sie ihm nicht voreilig, dass er die Kollegin oder den Kollegen wirklich gemobbt hat. So lernen Sie auch die andere Seite kennen. Orientieren Sie sich an den folgenden Fragen:

  • Worum geht der Streit?
  • Wie ist der Verlauf des Konflikts?
  • Welche Parteien sind beteiligt?
  • Welche Machtpositionen haben die Beteiligten?
  • Welche Beziehungen haben sie untereinander?
  • Welche Grundeinstellung zum Konflikt haben die Parteien?
  • Wird der Konflikt für lösbar gehalten?
  • Was wird von einer Lösung erwartet?
  • Droht der Konflikt sich auszuweiten oder ist er begrenzbar?

Mobbing ja oder nein?

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (25.10.2007, Az. 8 AZR 593/06; 24.4.2008, Az. 8 AZR 347/079) ist unter Mobbing in Anlehnung an den Begriff der Belästigung in § 3 Abs. 3 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) Folgendes zu verstehen: fortgesetzte Handlungen oder Verhaltensweisen, die bezwecken oder bewirken, dass die Würde des Arbeitnehmers bzw. der Arbeitnehmerin verletzt und ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.

Ob dies bei Ihnen gegeben ist, prüfen Sie am besten anhand der folgenden Checkliste, die Sie am besten Punkt für Punkt durchgehen:

Checkliste: Liegt Mobbing vor?

  • Gibt es unerwünschte Verhaltensweisen etwa in Form von Beleidigungen, Schikanen, Ausgrenzung?
  • Handelt es sich dabei um wiederholte Vorgänge?
  • Stehen die Vorgänge in einem zeitlichen Zusammenhang?
  • Werden dadurch Rechte wie das Persönlichkeitsrecht verletzt?
  • Kann klar zwischen Täter und Opfer unterschieden werden?
  • Können „normale“ Konflikte ausgeschlossen werden?

Können Sie alle Fragen mit Ja beantworten, liegt aller Voraussicht nach ein Fall von Mobbing vor.

Jetzt gilt es, sofort zu handeln – so wie im Folgenden beschrieben:

Ergreifen Sie Gegenmaßnahmen

Kommen Sie zu dem Schluss, dass Mobbing vorliegt, müssen Sie Gegenmaßnahmen ergreifen.

Neutralität ist Pflicht: Es ist nicht Ihre Aufgabe, Partei zu ergreifen oder Ihre Wertung der Dinge darzustellen. Sie müssen vielmehr schlichtend und vermittelnd tätig werden. Bleiben Sie also neutral!

Ein bewährtes Mittel ist es immer, die Parteien zu einem gemeinsamen Gespräch zu bitten. Dieses müssen Sie aber gut vorbereiten. Arbeiten Sie mit dem Opfer deshalb vorab den folgenden Fragenkatalog ab:

  • Durch welche Handlungen fühle ich mich beeinträchtigt?
  • Wer übt diese Handlungen aus?
  • Welcher Konflikt könnte sich dahinter verbergen?
  • Wie stehe ich zu dem möglichen Konflikt?
  • Welche Lösungen halte ich für denkbar?
  • Was wünsche ich mir in Zukunft im Umgang mit meinen Kollegen, meinem Vorgesetzten?
  • Was bin ich bereit, dafür zu geben?

Den Beschuldigten lassen Sie dann zu den Antworten Stellung nehmen.

So wissen Sie schon vor dem Gespräch, wo die Knackpunkte liegen, und vor allen Dingen, wo es eventuell zu „Eskalationen“ kommen wird. Dieses Vorgehen hat aber auch einen anderen Vorteil: Die Parteien haben durch das Gespräch mit Ihnen schon im Vorfeld etwas Dampf abgelassen. Das erhöht die Chancen auf ein sachliches Gespräch zu dritt.

Notfalls Externen einschalten: Sind die Parteien besonders zerstritten oder werden heikle Vorwürfe erhoben (Gewalt oder sexuelle Belästigung), dann können Sie auch auf einen externen Moderator, einen sogenannten Mediator, zurückgreifen. Sprechen Sie dies aber mit Ihrem Dienstherrn ab!

Informieren Sie den Vorgesetzten

Holen Sie auch Ihren Vorgesetzten ins Boot. Er muss wissen und dafür sensibilisiert werden, was in der Dienststelle vor sich geht. Spätestens dann, wenn Ihr Vermittlungsgespräch scheitert, müssen Sie ihn ohnehin informieren. Denn Gegenmaßnahmen wie eine Versetzung oder eine Abmahnung kann nur er ergreifen. Appellieren Sie zusätzlich an seine Fürsorgepflicht!

Wenn kein Mobbing vorliegt: Weitaus schwieriger wird es für Sie, wenn Sie zu dem Schluss kommen, dass sich das vermeintliche Opfer alles nur eingebildet hat. Bitten Sie dieses zu einem weiteren Gespräch. Fangen Sie etwa so an: „Herr/Frau …, ich habe den Sachverhalt recherchiert. Er stellt sich für mich folgendermaßen dar: … Wie konnte es dazu kommen, dass Sie und Herr/Frau … die Situation völlig anders beurteilen? Würde Ihnen ein klärendes Gespräch zu dritt helfen?“

So können Sie dann gemeinsam herausfinden, was zu tun ist. Wichtig ist nur, dass Sie den Beschäftigten nicht im Regen stehen lassen.

Legen Sie generelle Regelungen fest

Mobbing kann nur wirksam bekämpft werden, wenn in Ihrer Dienststelle klare und unmissverständliche Regelungen darüber bestehen, wie im Fall eines Mobbingvorwurfs reagiert werden soll.

Ermitteln Sie die Ursachen

Ein Kollege mobbt nicht immer nur aus Feindseligkeit, manchmal liegen die Ursachen auch in der Arbeitsorganisation. Gestresste Kollegen brauchen ein Ventil und da greifen sie dann manchmal auf den Azubi, die Schreibkraft etc. zurück. Achten Sie auf

  • hohen Zeitdruck,
  • Arbeitsverdichtungen,
  • starre Hierarchien mit unsinnigen Anweisungen,
  • große Verantwortung bei geringem Handlungsspielraum,
  • geringe Bewertung der Tätigkeit.

So wissen Sie, wo der Schuh drückt und wo gezielt gegengesteuert werden muss.

Sprechen Sie mit der Gleichstellungsbeauftragten und der Schwerbehindertenvertretung

Denken Sie auch daran, dass Sie nicht die alleinige Arbeitnehmervertretung in Ihrer Dienststelle sind. Vielleicht musste die Gleichstellungsbeauftragte auch schon mal bei einem Mobbingvorwurf schlichtend tätig werden. Hier können Sie dann Ihre Erfahrungen austauschen.

Und wenn es um Mobbing eines schwerbehinderten Menschen oder einer Frau geht, sollten Sie sich ohnehin an die Schwerbehindertenvertretung bzw. an die Gleichstellungsbeauftragte wenden. Schließlich haben sie die Aufgabe, über die Rechte der von ihnen vertretenen Mitarbeitergruppen zu wachen.

Verlangen Sie Schulungen

Mobbing ist und bleibt ein heikles Thema. Sich hier richtig zu verhalten, können Sie nicht nur theoretisch lernen. Sie müssen geschult werden. Treten Sie deshalb an Ihren Dienstherrn heran und verlangen Sie entsprechende Schulungen!

Wenn der Vorgesetzte mobbt

Mobben Vorgesetzte, dann sollten Sie sich als Personalrat nicht scheuen, diese direkt anzusprechen. Denken Sie hier nicht an hierarchische Ebenen, sondern nur an das Wohl der Beschäftigten in Ihrer Dienststelle.

Gehen Sie aber nicht unvorbereitet in das Gespräch. Verständnis und Nähe schaffen Sympathie. Prüfen Sie deswegen vorab, ob Vorgesetzte aus „Not“ mobben, etwa

  • wegen des unerträglichen Leistungsdrucks, ob sie die gestellten Aufgaben erledigen können,
  • wegen Arbeitsverdichtung, Stress, Unzufriedenheit,
  • weil es in der Dienststelle gehäuft zu Personalausfällen kommt, der Vorgesetzte schlicht nicht weiß, wo ihm der Kopf steht.

Mit einem „Herr/Frau …, mir ist aufgefallen, dass sich Ihr Aufgabenbereich in der letzten Zeit sehr erweitert hat. Es ist viel Verantwortung, die Sie hier tragen. Aber ist Ihnen eigentlich aufgefallen, dass Sie sich gegenüber dem Mitarbeiter … in letzter Zeit wiederholt … verhalten haben?“ haben Sie sicher bessere Karten als mit einem „Herr/Frau …, Sie haben …! Wie konnten Sie nur?“
Fruchten Ihre Bemühungen hier nicht, dann müssen Sie sich an den Vorgesetzten des Vorgesetzten wenden!

Bleiben Sie hier am Ball! Oft wird Ihre Beschwerde beim Vorgesetzten des Vorgesetzten schnell in irgendwelchen Schubladen verschwinden. Wenn Sie hier nicht nachhaken, wird sich nichts zum Positiven verändern! Fragen Sie doch einfach mal 4 Wochen nach Ihrer Beschwerde nach: „Herr/Frau …, was ist eigentlich aus der Sache von damals geworden?“ So wird allen klar, dass Sie als Personalrat nicht lockerlassen.

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