11.05.2010

Lesen von Firmenunterlagen in der Freizeit

Ist das rechtens? Sie sollen in Ihrer Freizeit arbeiten?

Soeben komme ich vom Arbeitsgericht zurück. Ein Kollege berichtete mir vom folgendem Fall: Ein Arbeitnehmer arbeitet in einem Callcenter. Während der eigentlichen Arbeitszeit muss er telefonieren, Pausen werden faktisch nicht gewährt. Die Arbeitnehmer sollen dann Pause machen, wenn sie dafür Zeit finden. Bisher war es so, dass Arbeitsanweisungen, Informationen und Neuerungen nach Dienstschluss gelesen werden mussten. Dafür wurden dann auch „Überstunden“ gutgeschrieben. Dieses ist nunmehr gestrichen worden und es wird verlangt, dass die Unterlagen zu Hause in der Freizeit gelesen werden. Was meinen Sie, ist das rechtens?  
Nein, das ist es natürlich nicht. Zunächst einmal ist die Pausenregelung eine Unverschämtheit. Bei einer Arbeitszeit von mehr als 6 bis zu 9 Stunden müssen mindestens 30 Minuten Pause gemacht werden. Wichtig ist dabei, dass nach § 4 Arbeitszeitgesetz die Pausen vorher feststehen müssen. Andernfalls kommt es genau zu der Situation, die im Fall beschrieben wurde: Die Arbeitnehmer machen keine Pausen, da sie durchgehend zu arbeiten haben.

Aber auch der zweite Punkt ist nicht rechtmäßig. Arbeitnehmer müssen keinerlei Arbeiten in ihrer Freizeit von zu Hause erledigen, für die kein Geld erhalten. „Nachsitzen“ gab es vielleicht früher einmal in der Schule, in der Arbeitswelt ist dieses gesetzlich nicht vorgesehen. Arbeitnehmer brauchen also keinerlei Material in ihrer Freizeit durchzulesen.

Aber auch die bislang gewährte Regelung, dass diese Zeit als „Überstunden“ gutgeschrieben wurde, muss nicht zwangsläufig rechtmäßig sein. Überstunden dürfen überhaupt nur angeordnet werden, wenn sich der Arbeitnehmer grundsätzlich im Arbeitsvertrag zur Ableistung von Überstunden verpflichtet hat. Eine solche Regelung kann sich auch in Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen finden. Fehlt sie, dürfen Überstunden nicht angeordnet werden.

Fazit: In einem solchen Fall ist es wichtig, dass ein Betriebsrat gegründet wird. Das ist schon ab 5 Arbeitnehmern möglich!

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