16.08.2011

Das ist ein wirklich gutes Urteil vom Bundesarbeitsgericht

Stellen Sie sich vor, bei Ihnen wird der neue Betriebsrat gewählt. Doch die Wahl wird angefochten. Entsteht dann eine „betriebsratsfreie“ Zeit, die der Arbeitgeber nutzen kann, um einige Kündigungen ohne die erforderliche Anhörung durchzudrücken?

Genau mit dieser Frage hat sich am 9.6.2011, also am vergangenen Donnerstag, das Bundesarbeitsgericht beschäftigt und entschieden: Nein, kann er nicht. Der Betriebsrat ist, solange er per Gerichtsbeschluss noch nicht aufgelöst wurde, auf jeden Fall anzuhören. Denn sieht zwingend vor, dass Sie der Arbeitgeber vor jeder Kündigung anhören muss (Az. 6 AZR 132/10).

Der entschiedene Fall ist allerdings noch ein wenig komplizierter. Es geht um einen Fall von Arbeitnehmerüberlassung. Der Arbeitnehmer hatte wegen der fehlenden Anhörung bei dem Betrieb geklagt, bei dem er eingesetzt wurde. Dort aber musste so oder so keine Anhörung stattfinden, da der zuständige (ordnungsgemäß gewählte) Betriebsrat der bei seinem „Verleiher“ war. Den aber hatte der Arbeitgeber angehört.

Doch was bedeutet dieses Urteil für Sie?


Ihr Recht auf Anhörung spielt eine zentrale Rolle, wenn der Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis mit einem Mitarbeiter kündigen will.

Beispiel: Anhörung ist vor jeder Kündigung Pflicht

Der Arbeitgeber kündigt das Arbeitsverhältnis von Dennis K. noch in der Probezeit. Den Betriebsrat hört er nicht an, da ja das Kündigungsschutzgesetz in der Probezeit nicht anzuwenden ist.


Folge:
Falsch gedacht!

Auch im Fall der Probezeitkündigung sind Sie als Betriebsrat anzuhören. Andernfalls ist die Kündigung unwirksam! Denn die Anhörung ist absolute Wirksamkeitsvoraussetzung bei jeder Kündigung (§102 BetrVG).

Die Anhörung hat übrigens vor jeder Kündigung zu erfolgen, also bei

  • Probezeitkündigungen,
  • Änderungskündigungen,
  • allen ordentlichen Kündigungen, das heißt
    • betriebsbedingten Kündigungen,
    • personenbedingten Kündigungen,
    • verhaltensbedingten Kündigungen,
    • außerordentlichen Kündigungen oder
    • Verdachtskündigungen.
Wichtig:
Hat der Arbeitgeber das Anhörungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt, darf er die Kündigung aussprechen, auch wenn Sie als Betriebsrat widersprechen (= Ausübung Ihres Vetorechts). Sie können also, trotz Ihres Widerspruchsrechts (= Vetorechts), den Ausspruch einer Kündigung nicht verhindern.

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