20.07.2011

Initiativrechte: Das große ABC Ihrer Initiativrechte von A bis Z – Teil 1

Sie haben grundsätzlich ein Informations- und Beratungsrecht bei der Gestaltung von Arbeitsplätzen, Arbeitsabläufen und der Arbeitsumgebung, § 90 BetrVG. Weiterhin steht Ihnen gemäß § 91 BetrVG ein Initiativrecht zu, wenn

  • eine Änderung der Arbeitsplätze, Arbeitsabläufe oder der Arbeitsumgebung
  • den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen menschengerechter Gestaltung der Arbeit offensichtlich widerspricht und
  • dadurch Mitarbeiter in besonderer Weise belastet werden.

Durch Ihr Initiativrecht können Sie als Betriebsrat von Ihrem Arbeitgeber  Maßnahmen

  • zur Milderung
  • zur Abwendung oder
  • zum Ausgleich der Belastung verlangen.

Diese Möglichkeit der nachträglichen Korrektur besteht jedoch nur bei Vorliegen aller Voraussetzungen für ganz konkret betroffene Arbeitsplätze. Sie dürfen  nicht generell präventiv die Initiative ergreifen.

Sie können von Ihrem Arbeitgeber nicht verlangen, grundsätzlich und außerhalb der besonderen Voraussetzungen des § 91 BetrVG Änderungen der Arbeitsplätze, Arbeitsabläufe oder der Arbeitsumgebung zu verlangen. Insbesondere können Sie nicht Ihre Vorstellung von der Gestaltung der Arbeitsplätze durchsetzen.

Arbeitsschutz

Unter Arbeitsschutz werden alle rechtlichen, organisatorischen, medizinischen und technischen Regelungen und Maßnahmen zusammengefasst, die dazu gedacht sind,

das Leben und die Gesundheit Ihrer Arbeitnehmer zu schützen,

  • die Arbeitskraft Ihrer Arbeitnehmer zu erhalten und
  • die Arbeit in Ihrem Unternehmen menschengerecht
  • zu gestalten.

Das Thema Arbeitsschutz ist Ihrer zentralen Aufgaben. In mehreren Vorschriften des BetrVG finden sich dazu Initiativrechte des Betriebsrats. Dieses Thema fällt einerseits unter die allgemeinen Aufgaben des § 80 Absatz 1 Nr. 1 BetrVG und wird vom Gesetz ausdrücklich in § 80 Absatz 1 Nr. 9 BetrVG erwähnt. Ebenso enthält das BetrVG mit § 89 eine Spezialvorschrift zum Arbeitsschutz.

Andererseits haben Sie ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht inklusive eines Initiativrechts nach § 87 Absatz 1 Nr. 7 BetrVG.

Das Mitbestimmungsrecht des § 87 Absatz 1 Nr. 7 BetrVG kommt nur in Betracht, soweit Rahmenvorschriften des öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzes bestehen und Ihrem Arbeitgeber durch diese ein Ermessensspielraum durch den Gesetzgeber eingeräumt wird.

Da es viele abschließende öffentlich-rechtliche Arbeitsschutzvorschriften gibt, beispielsweise die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV), ist der Anwendungsbereich des § 87 Absatz 1 Nr. 7 BetrVG sehr klein. Hier gibt es also keinen Verhandlungsspielraum, den Sie gemeinsam mit Ihrem Arbeitgeber  ausfüllen können.

Im Gegensatz zum Mitbestimmungsrecht in § 87 Absatz 1 Nr. 7 BetrVG hat Ihr Betriebsrat in §§ 80 und 89 BetrVG einen wesentlich größeren Spielraum. Hier können Sie unabhängig vom Mitbestimmungsrecht in § 87 Absatz 1 Nr. 7 BetrVG von sich aus aktiv werden.

Jedoch räumt Ihnen weder § 80 BetrVG noch § 89 BetrVG ein Mitbestimmungsrecht oder einen durchsetzbaren Anspruch auf Durchführung einzelner Maßnahmen gegen den Willen Ihres Arbeitgebers ein. Sie können ihm lediglich Vorschläge unterbreiten, mit denen er sich auseinandersetzen und mit Ihnen gegebenenfalls beraten muss.

Sie sind nicht berechtigt, selbst Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu ergreifen. Die Entscheidung über konkrete Arbeitsschutzmaßnahmen liegt allein bei Ihnen.

Auswahlrichtlinien

Bei Unternehmen bis 500 Mitarbeiter bedarf es nicht zwingend der Aufstellung von Auswahlrichtlinien. Sofern Ihr Arbeitgeber trotzdem welche schaffen möchte, kann er dies allein

tun. Sind Sie jedoch ein Unternehmen mit mehr als 500 Arbeitnehmern, können Sie als Betriebsrat gemäß § 95 BetrVG die Aufstellung von personellen Auswahlrichtlinien verlangen.

Diese kommen für folgende personelle Maßnahmen in Betracht:

  • Einstellung
  • Versetzung
  • Umgruppierung
  • Kündigung

Mit Auswahlrichtlinien sollen einheitlich Kriterien, die bei der jeweiligen personellen Maßnahme von Ihrem Arbeitgeber zu  beachten sind, aufgestellt werden.

Beispiele:

  • ein Punkteschema für die Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen
  • Kriterienkatalog der persönlichen Voraussetzungen der Bewerber für Einstellungen
  • Verfahrensregelungen für Einstellungen

Berufsbildung

In Fragen der beruflichen Bildung haben Sie als Betriebsrat ein Informations-, Beratungs- und Initiativrechte gemäß §§ 96, 97 und 98 BetrVG. Zur Berufsbildung gehören

  • die Berufsausbildung,
  • die berufliche Fortbildung und
  • die berufliche Umschulung.

Ihr Initiativrecht bezieht sich auf die Förderung der betrieblichen Berufsbildung, auf die Einführung betrieblicher Berufsbildungsmaßnahmen und auch auf deren Durchführung. Sie können Ihren Arbeitgeber durch Ihre Initiative dazu zwingen, in Ihrem Unternehmen den Berufsbildungsbedarf zu ermitteln und mit ihm Fragen der betrieblichen Berufsbildung Ihrer Arbeitnehmer zu beraten. Sie sind auch berechtigt, Ihnen hierzu Vorschläge zu machen.

Sofern es sich nicht um eine Bildungsmaßnahme im Zusammenhang mit der Planung technischer Anlagen, von Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufen oder Arbeitsplätzen nach § 97 Absatz 2 BetrVG handelt, trifft Ihr Arbeitgeber allein die Entscheidung. Er entscheidet in diesen Fällen ohne Sie, ob er Einrichtungen der Berufsbildung schafft, Berufsbildung durchführt und auch welche Mittel er für die Bildungsmaßnahmen zur Verfügung stellt. Sie haben hier nur ein Beratungs- und Vorschlagsrecht.

Beschäftigungssicherung

Sie können sich mit eigenen Vorschlägen für die Sicherung und Förderung der Beschäftigten in Ihrem Betrieb auf Grund Ihres Initiativrechts aus § 80 Absatz 1 Nr. 8, Absatz 2 BetrVG und § 92a BetrVG einsetzen. Sie können unter anderem anregen, dass Ihr Arbeitgeber  Arbeitsorganisation und Arbeitsabläufe ändert oder Teilzeitbeschäftigung fördert.

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