30.06.2021

Was passiert beim Betriebsübergang mit Betriebsvereinbarungen und Haustarifvertrag?

Fällt das Unternehmen Ihres Arbeitgebers unter den Einfluss eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags, muss er diesen auch befolgen. Übernimmt er ein anderes Unternehmen, fällt dieses dann unter Umständen auch unter diesen Tarifvertrag. Tut es das, dann werden damit die im erworbenen Betrieb möglicherweise noch geltenden Haustarifverträge ungültig. So hat es jetzt das Bundesarbeitsgericht entschieden (BAG, Urteil vom 7. Juli 2010 – 4 AZR 1023/08). Geklagt hatte ein Arbeitnehmer, Mitglied der Gewerkschaft ver.di, dessen Arbeitsverhältnis aufgrund eines Betriebsübergangs auf einen neuen Arbeitgeber übergegangen war. Beim alten Arbeitgeber, dem Veräußerer, galt für diesen Arbeitnehmer sowohl ein allgemeinverbindlicher Flächentarifvertrag als auch ein Haustarifvertrag, der den allgemeinverbindlichen verdrängte. Ein Tarifvertrag zwischen der Gewerkschaft ver.di und dem übernehmenden Unternehmen kam nicht zustande. Der Arbeitnehmer verlangte vom neuen Arbeitgeber die Differenz zwischen der Vergütung nach dem ungünstigeren Haustarifvertrag (nach dem der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis abrechnete) und dem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag.

Die Klage hatte Erfolg:

  • Die Regelungen des Haustarifvertrages galten beim neuen Arbeitgeber nicht. Damit müssen die übernommenen Arbeitnehmer nach dem als allgemeinverbindlich erklärten Vertrag bezahlt werden. Im Klartext:
  • Mit der Übernahme wurden die Bestimmungen des allgemeinverbindlichen Tarifvertrages für das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit verbindlich (§ 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 TVG). Dadurch war die ansonsten gesetzlich angeordnete Weitergeltung des Haustarifvertrages der früheren Arbeitgeberin nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB (Transformation) durch die Bestimmung des § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB ausgeschlossen.

Konsequenz:

Auch Sie als Betriebsrat können mit dem Thema „Betriebsübergang“ einmal konfrontiert werden. Um kompetent mit zu entscheiden, müssen Sie die Rechtsfolgen kennen. Diese lauten: Tarifverträge gelten im neuen Unternehmen weiter, wenn sie entweder allgemein verbindlich sind oder beide Seiten tarifgebunden sind. Das bedeutet, dass der Mitarbeiter Mitglied der Gewerkschaft und der neue Arbeitgeber Mitglied des zuständigen Arbeitgeberverbands sein müssen (BAG, 30. 8. 2000, Az. 4 AZR 581/99).

Beispiel:
Unternehmer Vogel ist Mitglied im Arbeitgeberverband. Sein im Lager und Versand tätiger Mitarbeiter Esser und seine in der Kantine beschäftigte Mitarbeiterin, Frau Schwan, sind Mitglieder der IG Metall. Herr Vogel überträgt nun den Bereich Lager und Versand auf den Logistikbetrieb Axam + Klumpp GmbH, für den nicht allgemein verbindliche Tarifverträge gelten (ÖTV). Die Kantine überträgt er auf den Caterer Brojnas GmbH, der den allgemein verbindlichen Tarifverträgen (NGG) unterliegt.

Da es bei dem Logistikbetrieb Axam + Klumpp GmbH an einer beiderseitigen Tarifbindung fehlt, tritt keine Ablösung nach § 613 a Abs. 1 S. 3 BGB ein. Es gelten also folgende unterschiedliche Tarifverträge nebeneinander:

ÖTV für die Altbelegschaft, IG Metall für die übernommene Belegschaft.

Bei dem Caterer Brojnas gilt dagegen ab dem Zeitpunkt der Übernahme der allgemein verbindliche Tarifvertrag (NGG) auch für Frau Schwan, obwohl sie einer anderen Gewerkschaft angehört. Das gilt selbst dann, wenn die Konditionen für Frau Schwan dadurch ungünstiger werden

Und was gilt nun in Bezug auf Betriebsvereinbarungen?

Wechselt ein ganzer Betrieb den Inhaber und behält der Betrieb auch nach dem Übergang seine Identität, dann geht auch ein vorher gewählter Betriebsrat mit über. Ebenso gelten die vor dem Übergang abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen auch gegenüber dem neuen Inhaber.

Existierte in dem abgebenden Unternehmen ein Gesamtbetriebsrat, der Gesamtbetriebsvereinbarungen abgeschlossen hat, dann gehen diese als kollektive Regelungen auf das übernehmende Unternehmen über,

  • wenn der Gesamtbetriebsrat diese Vereinbarungen aufgrund von Beauftragung nach § 50 Abs. 2 BetrVG abgeschlossen hatte und solange der übergehende Betrieb in dem übernehmenden Unternehmen erhalten bleibt.

Hatte der Gesamtbetriebsrat die Gesamtbetriebsvereinbarung in eigener Zuständigkeit gemäß § 50 Abs. 1 BetrVG abgeschlossen, dann gehen sie nicht als kollektive Regelung auf das aufnehmende Unternehmen über. Sie werden aber gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB Inhalt des Arbeitsverhältnisses der übergegangenen ArbeitnehmerInnen. Erst nach Ablauf eines Jahres kann der neue Arbeitgeber gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB insoweit eine Änderungskündigung nach § 2 KSchG aussprechen, soweit die weiteren Voraussetzungen (Änderungskündigung muss sozial gerechtfertigt sein) dafür vorliegen.

Wechselt aber nur ein Betriebsteil den Inhaber …

… und bleibt der Hauptteil des Betriebes beim übertragenden Unternehmen, dann gehen Betriebsvereinbarungen nicht als kollektive Regelungen über. Sie werden jedoch gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB Inhalt des Arbeitsverhältnisses der übergegangenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Erst nach Ablauf eines Jahres kann der neue Arbeitgeber gemäß § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB insoweit eine Änderungskündigung nach § 2 KSchG aussprechen.

Weitere Beiträge zu diesem Thema

 

23.10.2017
Ihre Rechte und Pflichten am Arbeitsplatz – Das Verhalten im Betrieb

In dieser kleinen Blog-Reihe stellen wir Ihnen Ihre wichtigsten Rechte und Pflichten am Arbeitsplatz zusammen. So wissen Sie, welche Pflichten Sie haben, aber auch welche Rechte Ihnen zukommen. Und besonders wichtig: Sie erfahren,... Mehr lesen

23.10.2017
Verpflichtung zum Gender Mainstreaming

Die Verpflichtung, Gender Mainstreaming umzusetzen, ergibt sich sowohl aus europäischem Recht, sprich: dem Vertrag über die Europäische Union (EU-Vertrag), als auch aus unserem nationalen Verfassungsrecht. Art. 3 Abs. 2... Mehr lesen