08.11.2011

Interessenausgleich: So gehen Sie als Betriebsrat vor

Ein Interessenausgleich ist eine Vereinbarung zwischen Ihrem Arbeitgeber und Ihnen über die geplante Betriebsänderung (§ 112 Abs. 1 Satz 1 BetrVG). Er enthält Vereinbarungen zur organisatorischen Durchführung einer Betriebsänderung. Dabei legt er fest,
 

  • ob und in welchem Umfang
  • wann sowie
  • in welcher Weise

die von Ihrem Arbeitgeber geplante Betriebsänderung durchgeführt werden soll (Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 20.4.1994, Az. 10 AZR 186/93).

Zudem soll in den Gesprächen geklärt werden, ob es alternative Möglichkeiten gibt und wie diese konkret aussehen könnten.

Ihr Ziel beim Interessenausgleich ist es vor allem, dafür zu sorgen, dass die wirtschaftlichen Nachteile für die Belegschaft so gering wie möglich bleiben. Sie sollten sich deshalb unbedingt wirkungsvolle Maßnahmen zur Sicherung der Beschäftigung überlegen

Beispiel: Maßnahmen zur Sicherung der Beschäftigung
Flexible Gestaltung der Arbeitszeit, Förderung von Teilzeitarbeit, Altersteilzeit. Auch die Vereinbarung von Umschulungsmaßnahmen ist geeignet, einen Kollegen vor einer Kündigung zu bewahren.
Tipp:
Prüfen Sie vor dem Gespräch mit der Unternehmensleitung, für welche Kollegen es sinnvolle Umschulungsmaßnahmen gibt. Vereinbaren Sie im Interessenausgleich, dass Arbeitnehmer nicht entlassen, sondern durch geeignete Umschulungen weiterbeschäftigt werden.
 

Welche Mitbestimmungsrechte Sie als Betriebsrat haben

Soll eine Betriebsänderung durchgeführt und muss ein Interessenausgleich abgeschlossen werden, haben Sie folgende Mitbestimmungsrechte:
 

  • Informationsrechte: Hat sich Ihr Arbeitgeber entschieden, eine Betriebsänderung durchzuführen, muss er Sie als Betriebsrat rechtzeitig und umfassend über die Maßnahme informieren. Und zwar über den Inhalt des Vorhabens, dessen Auswirkungen, die sozialen Folgen und den Zeitplan.
  • Beratungsrechte zum Abschluss eines Interessenausgleichs: Ihr Arbeitgeber ist verpflichtet, über sein Vorhaben mit Ihnen zu verhandeln. Sie haben dadurch die Chance, Einfluss auf die Betriebsänderung zu nehmen. So können Sie die größten Härten für Ihre Kollegen abfedern.

Zeit spielt keine Rolle

Diese Beteiligungsrechte sind auch dann gegeben, wenn Ihr Arbeitgeber die Betriebsänderung nur kurzfristig plant.

Wenn ein Tarifvertrag die Betriebsänderung regelt

Neben den im BetrVG geregelten Rechten gibt es in einigen Branchen Tarifverträge, die Regelungen zu Betriebsänderungen enthalten. Solche Tarifverträge können Ihre im BetrVG festgelegten Rechte erweitern. Darüber hinaus können sie Regelungen beinhalten, die üblicherweise Bestandteil eines Interessenausgleichs oder Sozialplans sind.  Diese Klauseln stellen lediglich Mindestbedingungen dar.

Sie und Ihr Arbeitgeber können deshalb weitergehende Regelungen im Interessenausgleich festlegen.

Sonstige Beteiligungsrechte bleiben bestehen

Zudem bestehen unabhängig vom Interessenausgleich bei der Durchführung einer Betriebsänderung natürlich alle Ihre sonstigen Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte. Das heißt vor allem: Anhörung vor Kündigungen nach § 102 BetrVG, Beratungsrechte bei Massenentlassungen (§ 17 Kündigungsschutzgesetz (KSchG), Mitbestimmung bei Versetzungen, Umgruppierungen und Einstellungen nach § 99 BetrVG, Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten (§ 87 BetrVG) sowie Mitbestimmung bei der Durchführung betrieblicher Bildungsmaßnahmen (§ 98 BetrVG).

Achtung:
Nicht immer ist die Verhandlung eines Interessenausgleichs Pflicht, wenn Ihr Arbeitgeber eine Betriebsänderung vornehmen will. Voraussetzung für einen  Interessenausgleich ist, dass in Ihrem Betrieb mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt sind, Änderungen geplant sind, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile davon zur Folge haben können.  Zudem ist nicht die Größe des betroffenen Betriebs maßgeblich. Es kommt vielmehr auf die Größe des Unternehmens insgesamt an.

Das heißt: Ihr Arbeitgeber muss mit Ihnen auch bei Betriebsänderungen in Betrieben mit 20 oder weniger Arbeitnehmern unter Umständen einen Interessenausgleich versuchen. Und zwar, wenn das Unternehmen, in dem Sie beschäftigt sind, insgesamt mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt. Zu den anrechenbaren Beschäftigten zählen auch Leiharbeitnehmer (§ 7 Abs. 2 BetrVG), wenn sie länger als 3 Monate im Betrieb eingesetzt sind. ein Interessenausgleich abgeschlossen wird

Das Verfahren beim Abschluss eines Interessenausgleichs läuft folgendermaßen ab:

1. Schritt: Umfassende Unterrichtung durch Ihren Arbeitgeber

Zunächst muss Ihr Arbeitgeber Sie als Betriebsrat über die geplante Betriebsänderung informieren.

2. Schritt: Beratung zwischen Ihnen und Ihrem Arbeitgeber über die geplante Betriebsänderung

Sind Sie sich über Ihre Position klar, treten Sie in die Beratungsgespräche mit Ihrem Arbeitgeber ein. Sie verhandeln das Ob, Wann und Wie der Betriebsänderung. Das heißt: Sie diskutieren mit Ihrem Arbeitgeber, ob die Betriebsänderung überhaupt durchgeführt werden soll. Und wenn ja, in welchem Umfang. In den Verhandlungen geht es zudem darum, zu welchem Zeitpunkt die Betriebsänderung umgesetzt werden soll. Und: Sie müssen sich darüber einig werden, wie die Betriebsänderung im Einzelnen durchgeführt werden soll.

Beispiel: Typische Regelungen in einem Interessenausgleich

  • Festlegung der Termine für Entlassungen
  • Auswahlrichtlinien für Versetzung und Entlassung
  • Regelung von Umschulungsmaßnahmen
  • Regelung von Kurzarbeit

3. Schritt: Einschaltung des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit

Können Ihr Arbeitgeber und Sie sich nicht über den Abschluss eines Interessenausgleichs einigen, können Sie oder Ihr Arbeitgeber den Vorstand der Bundesagentur für Arbeit eingeschalten. Dieser hat die Aufgabe, zwischen Ihnen und Ihrem Arbeitgeber zu vermitteln (§ 112 Abs. 2 BetrVG). Die Einschaltung ist sinnvoll, wenn es auf die Einschätzung des  Arbeitsmarkts ankommt oder aber Qualifizierungsmaßnahmen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) III vereinbart werden sollen.

4. Schritt: Einschaltung der Einigungsstelle

Kommt es zwischen Ihnen und Ihrem Arbeitgeber nicht zu einer Einigung, können Sie oder er die Einigungsstelle anrufen. Im Unterschied zum Sozialplan ist die Einigung allerdings von Ihrer Seite nicht erzwingbar. Das heißt: Kommt es zwischen Ihnen und Ihrem Arbeitgeber    nicht zu einer Einigung, werden die diesbezüglichen Verhandlungen für beendet erklärt. Ihr Arbeitgeber kann die geplante Betriebsänderung dann wie geplant durchführen.

Achtung:
Wird über den Vorsitzenden der Einigungsstelle und/oder über die Zahl der Beisitzer keine  Einigung erzielt, so entscheidet das Arbeitsgericht.

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