12.02.2019

Entsendung: Reisezeiten muss Ihr Dienstherr vergüten

Entsendet Ihr Dienstherr einen Arbeitnehmer ins Ausland, sind laut Bundesarbeitsgericht (BAG) die für Hin- und Rückreise erforderlichen Zeiten wie Arbeitszeit zu vergüten (17.10.2018, Az. 5 AZR 553/17). 

Reisezeit ist hier also Arbeitszeit. Darauf sollten Sie sich als Personalrat sowie insbesondere natürlich auch Ihr Dienstherr nun einstellen. 

Entsendung nach China 

Ein Arbeitnehmer hatte sich arbeitsvertraglich verpflichtet, auf wechselnden Baustellen im In- und Ausland als technischer Mitarbeiter tätig zu sein. Sein Arbeitgeber war ein Bauunternehmen. Er entsandte ihn 2015 für knapp 3 Monate als Bauleiter auf eine Baustelle nach China. 

Auf Wunsch des Arbeitnehmers buchte das Bauunternehmen für die Hin- und Rückreise nicht den Direktflug in der Economyclass, sondern einen Flug in der Businessclass mit einem Zwischenstopp in Dubai. Das Bauunternehmen zahlte für die 4 Reisetage die vereinbarte Vergütung für jeweils täglich 8 Stunden, insgesamt 1.149,44 € brutto. 

Mitarbeiter wollte Reisezeit vergütet haben 

Damit gab sich der Arbeitnehmer nicht zufrieden und verlangte die Bezahlung weiterer 37 Stunden. Er wollte die gesamte Reisezeit von seiner Wohnung bis zur auswärtigen Arbeitsstelle und zurück wie Arbeitszeit vergütet erhalten. 

BAG: Erforderliche Reisezeit ist zu vergüten 

Die Richter am BAG in Erfurt urteilten: Wenn ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer vorübergehend ins Ausland entsendet, liegt die Reise ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers. Deshalb ist in der Regel die Reisezeit wie Arbeit zu vergüten. Das gilt für die Reise zur ausländischen Arbeitsstelle und von dort wieder zurück. 

Allerdings ist vom Arbeitgeber nur die erforderliche Reisezeit zu bezahlen. Das ist die Zeit, die für einen Direktflug in der Economyclass anfällt. Und da das vorinstanzliche Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz den Umfang der tatsächlich erforderlichen Reisezeit des technischen Mitarbeiters nicht festgestellt hatte, muss es das nun noch nachholen. Deshalb konnte und durfte das BAG noch nicht abschließend entscheiden und musste die Angelegenheit an das vorinstanzliche LAG zurückverweisen. 

Beachten Sie die Besonderheiten im Tarifvertrag 

Bereits das vorinstanzliche LAG Rheinland-Pfalz hatte dem Bauleiter für seine Dienstreise nach China die Vergütung der Reisezeit zugesprochen. Hintergrund war der für das Arbeitsverhältnis maßgebliche Rahmentarifvertrag Bau, in dessen § 7 es in Bezug auf Reisezeiten zu ausländischen Baustellen heißt: „In diesen Fällen hat der Angestellte für die erforderliche Zeit Anspruch auf Fortzahlung seines Gehalts ohne jeden Zuschlag.“ 

Hierauf wird auch das BAG seine Entscheidung gestützt haben. Ein Blick in Tarifverträge ist also lohnenswert, auch wenn sich aus dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst keine Besonderheiten ergeben. 

Parallelentscheidung aus April 2018 

Das BAG hatte bereits im April im Fall eines Monteurs entschieden, dass Fahrten zum Kunden Arbeitszeit sind und als solche bezahlt werden müssen. Das gilt auch dann, wenn der Mitarbeiter morgens von seiner Wohnung zum Kunden fährt und abends vom Kunden nach Hause. Das folgt unabhängig von möglicherweise anzuwendenden Tarifverträgen direkt aus dem Gesetz, nämlich aus § 611 Bürgerliches Gesetzbuch (BAG, 25.4.2018, Az. 5 AZR 424/17). 

Gleichzeitig wies das Gericht jedoch auch darauf hin, dass zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gesonderte Vergütungsregelungen für solche Reisezeiten getroffen werden dürfen. Im Urteilsfall regelt der maßgebliche Tarifvertrag ausdrücklich, dass keine Vergütung für den Zeitaufwand von Hin- und Rückreisen erfolgt. 

Dienstherr muss den Mindestlohn beachten 

Klar ist auch, dass der Mindestlohnanspruch auch für Reisezeiten gilt. Das heißt aber nicht unbedingt, dass Arbeitgeber zusätzlich etwas zu bezahlen hätten. Sofern sie die zusätzliche Vergütung für Reisezeiten wirksam eingeschränkt haben, genügt es, wenn das Monatsgehalt dividiert durch die Arbeitszeitstunden des Mitarbeiters einschließlich Reisezeiten den Mindestlohn überschreitet. 

Im Arbeitsvertrag sollte der Dienstherr allerdings bei der Vergütungsregelung für Reisezeiten wesentlich sorgfältiger sein als Tarifvertragsparteien bei einem Tarifvertrag. Insbesondere darf nicht der Eindruck erweckt werden, dass Mindestlohnansprüche unterlaufen werden. 

Insoweit sind die Gestaltungsspielräume bei Arbeitnehmern, die oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung verdienen, wohl etwas größer. Denn hier darf ohne größere Probleme ein gewisser Anteil an Überstunden vom Grundgehalt mit umfasst werden. Und das könnte natürlich auch für Reisezeiten gelten. 

Vom Geld zur Arbeitszeit 

Wenn eine solche Reisezeit wie Arbeitszeit zu bezahlen ist, stellt sich natürlich auch die Frage, wie die Angelegenheit arbeitszeitrechtlich zu sehen ist. Denn die vergütungsrechtliche Seite ist häufig anders zu beurteilen als die arbeitszeitrechtliche. 

Arbeitnehmer dürfen durchschnittlich nur bis zu 8 Stunden pro Werktag arbeiten, § 3 Arbeitszeitgesetz. Das heißt, dass ein Arbeitnehmer 6 x 8 = 48 Stunden pro Woche arbeiten darf. Die tägliche Arbeitszeit kann auf bis zu 10 Stunden verlängert werden. Die betreffenden Arbeitnehmer müssen dann an anderen Tagen entsprechend weniger arbeiten, sodass der Durchschnitt höchstens 8 Stunden pro Tag beträgt. Der Ausgleich muss innerhalb von 6 Monaten oder 24 Wochen erfolgen. 

Fazit

Das BAG hat Arbeitgebern und Dienstherren bahnbrechende Hinweise mit auf den Weg gegeben. Entsendet ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer vorübergehend ins Ausland, erfolgt die Reise ausschließlich im Interesse des Arbeitgebers und ist deshalb in der Regel wie Arbeit zu vergüten. Das gilt für die Reise zur auswärtigen Arbeitsstelle und wieder zurück. 

Klar ist aber nun auch, dass nur die erforderliche Reisezeit zu bezahlen ist. Außerdem darf der Zeitanteil der Arbeitszeit wohl täglich maximal 10 Stunden betragen. 

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