04.12.2017

Ein Kopftuchverbot in Deutschland: ja oder nein?

Erinnern Sie sich noch an den ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff, der sagte, dass der Islam zu Deutschland gehöre? Damals hagelte es Lob, aber auch Kritik für ihn. Ich erinnere mich immer wieder an seine Rede, wenn ich Urteile zum Kopftuchverbot am Arbeitsplatz lese (Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf, 1.6.2015, Az. 5 Sa 307/15).

Per Gesetz hatte das Land Nordrhein-Westfalen (NRW) es seinen Lehrerinnen verboten, ein Kopftuch zu tragen. Das sei ein religiöses Symbol und verstoße gegen das Neutralitätsgebot für Lehrkräfte. Daraufhin trug eine Lehrerin kurzerhand Mütze statt Kopftuch und bekam eine Abmahnung, nachdem sie der Aufforderung, diese wieder abzusetzen, nicht nachgekommen war. Das wollte sich die Lehrerin aber nicht bieten lassen. Sie plante, gerichtlich gegen das Kopftuchverbot vorzugehen.

Klage gegen Kopftuchverbot

Sie klagte auf Entfernung der Abmahnung vor dem Arbeitsgericht – und verlor. Sie beschritt den Instanzenzug – und blieb erfolglos. Dann wagte sie den Schritt zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und gewann. Das BVerfG kippte das generelle Kopftuchverbot (27.1.2015, Az. 1 BvR 471/10). Mit einem solchen generellen Verbot würde das Grundrecht nach Art. 4 Abs. 1 und 2 des Grundgesetzes (GG) verletzt. Folgerichtig entschied das LAG Düsseldorf nun, dass die Abmahnung aus der Personalakte entfernt werden muss.

Fazit

Das BVerfG hat einem generellen Kopftuchverbot eine Absage erteilt, eine generelle Erlaubnis für das Kopftuch an Schulen aber auch nicht gegeben. Vielmehr muss vor Ausspruch eines Verbots eine umfassende und vollständige Abwägung gemacht und darf eben kein Pauschalverbot wie in NRW ausgesprochen werden. Ein diplomatisches Urteil – wie ich finde.

Was den Einzelfall angeht: Über das religiös motivierte Tragen von Kopftüchern bei Lehrkräften lässt sich streiten – sicherlich. Ich bin ganz klar für die volle Neutralität von Lehrern. Allerdings sehe ich den Ball ebenso klar im Feld der Eltern. Diese haben das Heft in der Hand, aus ihrem Kind einen interessierten, offenen, aber auch kritischen Menschen zu machen. Und dann wirft ihn auch ein Lehrerkopftuch nicht aus der Bahn.

Ob Ihr Arbeitgeber in der freien Wirtschaft ein Kopftuchverbot verhängen kann oder nicht, hängt davon ab, wie beeinträchtigend es für ihn ist. Stellt er im Verkauf fest, dass bei der Mitarbeiterin mit Kopftuch die Kunden wegbrechen, obwohl sie persönlich nichts falsch macht, dann liegt ein Kopftuchverbot nahe. Stellt er aber fest, dass die Kunden bei der Verkäuferin mit Kopftuch ebenso kaufen wie bei anderen ohne Kopftuch, dann kann er keinen Handlungsbedarf begründen.

Weitere Beiträge zu diesem Thema

 

23.10.2017
Verlängerung der gesetzlichen Kündigungsfristen für Arbeitnehmer – Was gilt denn jetzt?

Sehr viele Arbeitnehmer haben folgenden Passus in ihrem Arbeitsvertrag: „Es gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen. Verlängert sich die Kündigungsfrist für den Arbeitgeber, gilt dies auch für den Arbeitnehmer.“ Was... Mehr lesen

23.10.2017
Kündigung bei Diebstahl geringwertiger Sachen – Unterschlagung von 2 Pfandbons: Revision im „Fall Emmely“ zugelassen

Eine Arbeitnehmerin hatte eine fristlose Kündigung wegen der Unterschlagung von 2 Pfandbons erhalten. Erinnern Sie sich noch an den Fall? In der Presse wurde diese Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg (Urteil... Mehr lesen

23.10.2017
Kündigung wegen „Strom-Klau“ im Wert von 1,8 Cent

Der Fall: Ein langjähriger Angestellter hatte seinen Elektroroller am Arbeitsplatz aufgeladen. Das kostete etwa 1,8 Cent. Als der Arbeitgeber hiervon erfuhr, entließ er den Beschäftigten fristlos. Der Angestellte klagte dagegen... Mehr lesen