02.07.2019

Krankschreibung jetzt auch online

Jeder Arbeitnehmer kennt das Problem: Man fühlt sich nicht gut genug, um zum Dienst zu erscheinen, ist aber verpflichtet, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) beim Dienstgeber einzureichen. Bis jetzt führte dann kein Weg an einem persönlichen Besuch beim Arzt des Vertrauens vorbei, um sich arbeitsunfähig schreiben zu lassen. Nun bieten Unternehmen auch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen online an. Muss Ihr Dienstherr diese akzeptieren?

Wann benötigen Sie eine AU? 

Soweit nicht in Ihrem Dienstvertrag anders geregelt, ist der gesetzliche Regelfall, dass Mitarbeiter bei einer Erkrankung, die länger als 3 Kalendertage dauert, eine AU vorlegen müssen, § 5 Abs. 1 Satz 2 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG). Im Geltungsbereich der Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR) ergibt sich s diese Verpflichtung aus der Anlage 1 Ziffer XII a AVR. Kommen die Mitarbeiter der Verpflichtung zur Vorlage nicht nach, ist der Dienstgeber berechtigt, Zahlungen zu verweigern, § 7 Abs. 1 EFZG und Anlage 1 Ziffer XII a Satz 9 AVR. 

Rechenbeispiel: Erkrankt ein Mitarbeiter am Montagmorgen, ist der Montag der 1. Tag der Arbeitsunfähigkeit. Mittwoch wäre in diesem Fall der 3. Tag im Sinne von Anlage 1 XII a Satz 2 AVR; bei Fortdauer der Erkrankung über den Mittwoch hinaus müsste der Arbeitnehmer also am Donnerstag eine AU vorlegen. 

Wichtig! AU am 1. Tag ist möglich. Es ist gesetzlich auch zulässig, dass der Dienstgeber verlangt, bereits ab dem 1. Tag einer Arbeitsunfähigkeit eine AU vorzulegen. Hierfür benötigt er auch keine besondere Begründung. Eine solche Aufforderung ist rechtens, sofern sie nicht willkürlich ist (Bundesarbeitsgericht, 14.11.2012, Az. 5 AZR 886/11). 

Form der AU

Hier wird es nun interessant. Weder das EFZG noch die AVR schreiben ausdrücklich eine bestimmte Form vor, in welcher die Arbeitsunfähigkeit dem Dienstgeber mitzuteilen ist. Allerdings ist der genaue Wortlaut: „dem Dienstgeber vorzulegen“. 

Aus dem Wort „vorzulegen“ ergibt sich, dass eine digitale Übermittlung allein nicht ausreicht, sondern die Bescheinigung in schriftlicher Form und von einem Arzt eigenhändig unterschrieben dem Dienstgeber vorzulegen ist. Akzeptiert werden aber die digitale Übermittlung vorab und die nachträgliche Einreichung des Originals. 

Wie die Onlinekrankschreibung abläuft 

Statt lange Wartezeiten beim Arzt in Kauf zu nehmen, gibt es die Möglichkeit, lediglich einen Fragenkatalog in einem Onlineformular zu beantworten. Im Anschluss daran versendet der Arzt die AU über einen bekannten Messenger-Dienst. Das Original folgt ein paar Tage später per Post. 

Es kommt also tatsächlich eine schriftliche Bescheinigung, die der Mitarbeiter dem Dienstgeber vorlegen kann. Dies allerdings mit zeitlicher Verzögerung, was zulässig ist. 

Was die Arbeitsgerichte zu solchen Bescheinigungen urteilen, ist jedoch noch offen. Dies wird vor dem Hintergrund des sehr hohen Beweiswerts der AU interessant werden. 

Hoher Beweiswert einer AU 

Bisherige Praxis der Gerichte ist, dass eine ordnungsgemäß ausgestellte Bescheinigung die Arbeitsunfähigkeit belegt. Der Dienstgeber müsste dann deren Beweiswert erschüttern. Dies ist in der Praxis schwierig, aber möglich. Es gibt Fälle, in denen Zweifel aufkommen können: 

Wichtig! § 275 Abs. 1a SGB V beachten! Ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit einer AU können beispielsweise in den Fällen des § 275 Abs. 1a Sozialgesetzbuch (SGB) V vorliegen: 

  • Der Mitarbeiter kündigt sein Fernbleiben an; 
  • er kündigt an, dass er, wenn er keinen Urlaub bekommt, zum Arzt gehe; 
  • der Mitarbeiter wird regelmäßig am Ende eines Urlaubs krank; 
  • ein Mitarbeiter wird bei einem Verhalten beobachtet, das einer Arbeitsunfähigkeit klar widerspricht, etwa einer Nebentätigkeit bei einem anderen Arbeitgeber. 

Sollte es dann zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Arbeitsunfähigkeit kommen, hat der Mitarbeiter im Streitfall den Arzt, der ihn krankgeschrieben hat, zum Beweis der Arbeitsunfähigkeit als Zeugen zu benennen. 

Problem bei Onlinekrankschreibung 

Das wohl größte Problem bei einer Onlinekrankschreibung: Es gibt keinen persönlichen Kontakt zum attestierenden Arzt, denn die Krankschreibung beruht lediglich auf der Beantwortung eines Fragenkataloges. Wie die Gerichte im Fall einer streitigen Auseinandersetzung mit einer solchen Krankschreibung umgehen, ist offen und daher sowohl für Dienstgeber als auch Mitarbeiter mit Risiken verbunden. 

Fazit: Die Rechtslage ist noch unklar 

Akzeptiert Ihr Dienstgeber die Onlinekrankschreibung nicht, werden die Arbeitsgerichte klären müssen, ob eine ohne persönliche Untersuchung ausgestellte Bescheinigung den gleichen Beweiswert hat wie eine persönliche Krankschreibung vom Hausarzt. 

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