26.10.2018

Kritik am Dienstherrn kann Kündigung rechtfertigen

Auseinandersetzungen in der Dienststelle dürfen zwar scharf geführt werden, aber es gilt, Grenzen einzuhalten. Wenn jedoch ein Arbeitsgericht (ArbG) davon ausgeht, dass einem Dienstherrn ein Verhalten nicht zumutbar ist, kann ein solches Urteil laut Bundesverfassungsgericht (BVerfG) auch unter Berücksichtigung der Meinungsäußerungsfreiheit richtig sein (30.5.2018, Az. 1 BvR 1149/17). Deshalb sollten Sie einen möglichen Streit mit dem Dienstherrn mit Augenmaß führen. Nicht, dass es Ihnen so wie dem Betriebsrat dieses Falls ergeht.

Ein Arbeitnehmer war in den Betriebsrat gewählt worden. Dann stellte das ArbG jedoch die Nichtigkeit der Wahl fest. Die Arbeitgeberin stellte den Arbeitnehmer daraufhin von seiner Arbeitsleistung frei und kündigte das seit mehreren Jahren bestehende Arbeitsverhältnis. Der ehemalige Betriebsrat verfasste daraufhin ein Schreiben, das im Betrieb verteilt wurde. Darin erhob er Vorwürfe gegenüber dem Betriebsleiter, der versuche, Beschäftigte „wie Zitronen auszupressen“. Alte, Kranke und Verschlissene würden gegen Gesunde und Junge „ausgespielt“.

 

Gleiches gelte für Leiharbeitnehmer und befristet Beschäftigte gegenüber der Stammbelegschaft. Es werde mit den Hoffnungen von entliehenen oder befristet Beschäftigten „brutal gespielt“. Der Betriebsleiter habe ihn anscheinend aus Angst vor weiteren Betriebsratswahlen aus dem Unternehmen entfernt. Am Ende des Schreibens findet sich als Zitat der Satz: „Wer heute einem Übel teilnahmslos zuschaut, kann schon morgen selbst Opfer des Übels werden.“

Daraufhin kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis außerordentlich und hilfsweise ordentlich ein 2. Mal. Auch dagegen klagte der Arbeitnehmer.

Die Entscheidung des Gerichts war klar: Kündigung wirksam
Die außerordentliche Kündigung war nach dem Landesarbeitsgericht (LAG) unwirksam, die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung jedoch wirksam. Es handle sich um verbotene „Schmähkritik“ in dem Schreiben. Der Arbeitnehmer zog vor das BVerfG, weil er meinte, das Urteil des LAG würde ihn in seinem Recht auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz verletzen.

Das BVerfG und die Meinungsfreiheit

Die Verfassungsbeschwerde wurde nicht angenommen, da die Entscheidung des LAG den Arbeitnehmer nicht in seinen Grundrechten verletzte. Das von dem Arbeitnehmer verteilte Schreiben war keine sogenannte Schmähkritik. Diese genießt nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht den Schutz von Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, der Meinungsfreiheit. Eine Schmähung ist eine Äußerung aber nur dann, wenn allein die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Wesentliches Merkmal der Schmähung ist eine das sachliche Anliegen völlig in den Hintergrund drängende persönliche Kränkung.

Aber auch im Betrieb ist die Meinungsfreiheit geschützt und – sachbezogene Auseinandersetzungen dürfen „scharf“ geführt . werden. Sämtliche Äußerungen des Arbeitnehmers waren keine Schmähkritik. Denn in einem Kündigungsschutzverfahren muss das ArbG mögliche Deutungen von Aussagen grundrechtsschützend berücksichtigen.

Allein in dem sinngemäßen Vorwurf an einen Vorgesetzten, ein „Ausbeuter“ zu sein, liegt daher keine Schmähkritik. Gleiches gilt für Äußerungen zur Rücksichtslosigkeit gegenüber alten oder behinderten Beschäftigten und gegenüber befristet oder im Wege der Arbeitnehmerüberlassung prekär Beschäftigten, wenn solche Äußerungen im Zusammenhang mit Beratungen zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber über eine Gesundheitsprämie und zur betrieblichen Praxis der Übernahme zeitweilig Beschäftigter in ein Dauerarbeitsverhältnis steht. Selbst die Äußerung, ein Betriebsleiter wolle Beschäftigte „wie Zitronen auspressen“, war nicht zwingend allein auf die Diffamierung der Person angelegt, wenn ein Bezug zu Auseinandersetzungen über die Kaffeepreise am Getränkeautomat im Betrieb erkennbar ist.

Keine Schmähkritik und doch verloren

Zwar hatte das ArbG und auch das LAG die Äußerung zunächst unzutreffend als Schmähkritik bewertet, die gefällten Urteile waren im Ergebnis jedoch rechtmäßig. So hatte das LAG aufgrund einer Abwägung, in der die Freiheit zur Meinungsäußerung hinreichend Beachtung fand, nicht die außerordentliche, sondern nur die ordentliche Kündigung für sozial gerechtfertigt erachtet. Die Äußerung, selbst wenn es keine Schmähkritik gewesen sei, wirke zumindest erheblich ehrenrührig und habe in der bereits aufgeheizten betrieblichen Situation für eine massive Störung des Betriebsfriedens gesorgt. Die Arbeitsrichter gingen davon aus, dass im Ergebnis der Arbeitnehmer planmäßig gehandelt hatte.

Fazit

Wenn Arbeits- oder Verwaltungsgerichte unter Berücksichtigung der Gesamtsituation davon ausgehen, dass dem Arbeitgeber ein bestimmtes Verhalten nicht zumutbar ist, kann dies auch unter Berücksichtigung der Meinungsäußerungsfreiheit vertretbar sein. Wer sich in Gefahr begibt, kann darin umkommen – oder doch zumindest seinen Arbeitsplatz verlieren. Das gilt besonders in den Fällen, in denen Arbeitnehmer ihren Dienstherrn mit harscher Kritik konfrontieren. Das Schwert einer berechtigten Kündigung schwebt dann stets über dem Arbeitnehmer. Deshalb sollte man schon aus diesem Grund Kritik immer sachlich vortragen – auch wenn das im behördlichen Alltag vielleicht nicht immer ganz einfach ist.

Und denken Sie daran: Spricht der Arbeitgeber die Kündigung aus, muss der betroffene Arbeitnehmer binnen 3 Wochen nach Zugang der Kündigung eine Kündigungsschutzklage einreichen. Andernfalls wird die Kündigung bestandskräftig – unabhängig von der Frage, ob sie gerechtfertigt ist oder nicht.

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