21.07.2011

Sonderkündigungsschutz des frisch gewählten Betriebsrats

Was für den Wahlvorstand gilt, gilt für gewählte Betriebsratsmitglieder erst recht. Ihnen als Mitglied des Betriebsrats kann Ihr Arbeitgeber ordentlich gar nicht mehr kündigen. Eine Ausnahme gilt nur, wenn Ihr Arbeitgeber den Betrieb stilllegen würde, § 15 Abs. 1 und 4 Kündigungsschutzgesetz.
Allerdings kann Ihr Arbeitgeber gewählte Betriebsratsmitglieder entlassen, wenn er hierzu einen wichtigen Grund i. S. d. § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hat. Dann kann er eine fristlose Kündigung aussprechen.

Voraussetzung für die Kündigung ist neben dem wichtigen Grund aber noch, dass der Betriebsrat der außerordentlichen Kündigung zugestimmt hat, § 103 BetrVG, oder die Zustimmung des Betriebsrats durch das Arbeitsgericht ersetzt worden ist.  Natürlich beschließt im Rahmen des § 103 BetrVG nur der restliche Betriebsrat ohne das zu entlassende Mitglied.

Beispiel: Außer Spesen nichts gewesen
Herr Dietrich ist Betriebsratsmitglied. Bei der letzten Spesenabrechnung für die Teilnahme an einem Seminar ist aufgefallen, dass Herr Dietrich hier offensichtlich falsche Angaben gemacht hat, um für sich eine erhöhte Spesenabrechnung durchzusetzen. Hier liegt ein wichtiger Grund für eine Kündigung vor; mit Zustimmung des Betriebsrats kann Herr Driedrich entlassen werden.

Beispiel: Verschmähte Liebe

Eine stellvertretende Betriebsratsvorsitzende, die als Redakteurin bei einer Tageszeitung angestellt war, hatte sich in den Mitgeschäftsführer des Verlags, einen verheirateten Mann mit 2 Kindern, verliebt. Sie sendete ihm über Jahre Liebesgedichte. Dafür wurde sie 2-mal abgemahnt.
Als sie dann auch noch wahrheitswidrig verbreitete, ein sexuelles Verhältnis mit dem Mann zu unterhalten, wurde sie fristlos entlassen. Das übrige Betriebsratsgremium hatte der Kündigung zugestimmt. Zu Recht – so die Richter am Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein (Urteil vom 20.9.2007, Az. 4 Sa 192/07). Das Kündigungsschutzgesetz griff hier nicht.

Im Rahmen des § 103 BetrVG sind Sie verpflichtet, Ihre Entscheidung unverzüglich, spätestens innerhalb von 3 Tagen, mitzuteilen (Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 18.8.1977, Az. 2 ABR 19/ 77). Lehnen Sie die Zustimmung ab, kann Ihr Arbeitgeber die Ersetzung der Zustimmung beim Arbeitsgericht beantragen.

Kündigungsschutz: Frist beachten

Denken Sie an die 2-Wochen-Frist, wenn es um die fristlose Kündigung eines Betriebsratsmitglieds geht. Ihr Arbeitgeber muss innerhalb der 2-Wochen-Frist nicht nur die Zustimmungsanhörung beim Betriebsrat einleiten, sondern bei ausdrücklicher oder wegen Fristablaufs eintretender Verweigerung der Zustimmung auch das Verfahren auf Ersetzung der Zustimmung beim Arbeitsgericht einleiten. Verpasst er die Frist, kann er nicht mehr kündigen.

Achtung: Leitet Ihr Arbeitgeber ein gerichtliches Zustimmungsersetzungsverfahren ein, dann muss er den Richterspruch auch abwarten. Kündigt er vorher schon, wird sein Zustimmungsersetzungsantrag gegenstandslos. Die Kündigung ist damit nach dem Kündigungsschutzgesetz unwirksam, weil keine ausdrückliche oder ersetzte Zustimmung des Betriebsrats vorliegt (Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Beschluss vom 27.8.2009, Az. 4 TaBV 76/07).

Kündigungsschutz: Unterscheiden Sie Amtspflicht und Arbeitspflicht

Verstößt ein Betriebsratsmitglied gegen seine Amtspflichten, ist eine außerordentliche Kündigung nur dann berechtigt, wenn das Betriebsratsmitglied damit auch gegen seine Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis schwer verstoßen hat. Denn die Amtspflicht hat ja zunächst mit der Arbeitspflicht nichts zu tun – eine Verletzung rechtfertigt einen Ausschluss aus dem Gremium, nicht aber die Kündigung. Genauso wie die Verletzung der Arbeitspflicht eine Abmahnung rechtfertigt, aber keinen Ausschluss aus dem Gremium. Nur wenn durch eine Pflichtverletzung beide Bereiche tangiert sind, kann eine Kündigung auf eine Amtspflichtverletzung folgen (Landesarbeitsgericht Hamm, Beschluss vom 20.3.2009, Az.10 TaBV 149/08).

Legt Ihr Arbeitgeber einer Kündigung also eine Amtspflichtverletzung zugrunde, dann verweigern Sie Ihre Zustimmung nach § 103 BetrVG. Der Arbeitgeber ist dann schlicht im falschen Verfahren.

Kündigungsschutz: Ausnahme Betriebsstilllegung

Besondere Regeln bestehen, wenn der Betrieb stillgelegt wird. In diesem Fall besteht keine Unkündbarkeit mehr, der besondere Kündigungsschutz entfällt. Allerdings darf Ihr Arbeitgeber den Mitgliedern des Betriebsrats frühestens zum Zeitpunkt der Stilllegung kündigen. Eine Ausnahme besteht nur, wenn die Kündigung zu einem früheren Zeitpunkt durch zwingende betriebliche Erfordernisse notwendig ist. Das müsste Ihr Arbeitgeber aber darlegen.

Kündigungsschutz: Ersatzmitglieder zum Teil geschützt

Ersatzmitglieder des Betriebsrats genießen nicht so umfassenden Sonderkündigungsschutz. Vielmehr kommen sie erst in den Genuss des besonderen Kündigungsschutzes,

  • wenn sie auf die Stelle eines ausscheidenden Betriebsratsmitglieds nachrücken oder
  • bei vorübergehender Vertretung, solange sie für ein verhindertes ordentliches Betriebsratsmitglied tätig sind.

Sonderkündigungsschutz des Betriebsrats: Nachwirkung gilt!

Bitte beachten Sie, dass auch Ersatzmitglieder des Betriebsrats nachwirkenden Kündigungsschutz für die Dauer eines Jahres erhalten. Dieser Zeitraum beginnt nach Beendigung des Vertretungsfalls und dauert dann ein Jahr lang. Das kann dann schon kurios sein, wenn das Ersatzmitglied einen Kollegen etwa für die Sitzung am 17.8.2010 vertritt, dann hat es nur wegen dieser kurzen Vertretung ein ganzes Jahr nachwirkenden Sonderkündigungsschutz!

Beispiel: Sonderkündigungsschutz der Ersatzmitglieder
Ersatzmitglied F. muss ordentliches Betriebsratsmitglied M. während des Krankenhausaufenthalts vom 19.7.2010 bis 20.8.2010 vertreten. F. hat daher vom 19.7.2010 bis zum 20.8.2011 Sonderkündigungsschutz.

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