09.08.2011

Urlaubsgesetz: Diese Folgen des EuGH-Urteils müssen Sie als Betriebsrat kennen

Seit 2009 gibt es ein neues Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), welches besagt, dass Urlaub, der wegen Arbeitsunfähigkeit nicht genommen werden kann, nicht mehr verfällt (EuGH, 20.1.2009, Az. C-350/06 und C-520/06). Das Verfahren ging nun zurück an das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf, das sich dem EuGH vollumfänglich anschloss (2.2.2009, Az. 12 Sa 486/06).

Was dieses neue Urlaubsgesetz für Ihre Kollegen bedeutet

Eigentlich müssen Arbeitnehmer ihren Urlaub stets komplett im laufenden Kalenderjahr nehmen ().
In 2 Fällen können sie allerdings ausnahmsweise auf eine Übertragung in das nächste Kalenderjahr bestehen. Und zwar dann, wenn sie den Urlaub aus dringenden betrieblichen Gründen (z. B. wegen eines Großauftrags) oder aus persönlichen Gründen (z. B. wegen einer Krankheit ihrerseits) nicht nehmen konnten.

Übertragungszeitraum endet am 31.3.

Die Arbeitnehmer können den Urlaub allerdings auch in diesen Fällen nicht unbegrenzt mitnehmen. Er bleibt ihnen vielmehr nur bis zum 31.3. des Folgejahres erhalten. Nehmen sie den Urlaub nicht bis zu diesem Zeitpunkt, verfällt er.

Und genau diese Regelung hat der EuGH gekippt – und das LAG ebenfalls

Aus der richtlinienkonformen Auslegung von § 7 Bundesurlaubsgesetz folgt, dass

  • ein Arbeitnehmer seinen gesetzlichen Urlaubsanspruch auch für Zeiten erwirbt, in denen er krankgeschrieben war,
  • ein im Urlaubsjahr nicht erteilter Urlaub zu späterer Zeit nachzugewähren ist und
  • der Arbeitnehmer bei Beendigung seines Arbeitsverhältnisses einen Urlaubsabgeltungsanspruch für noch nicht genommenen Urlaub hat. Dies auch dann, wenn er während des gesamten Urlaubsjahres und darüber hinaus krankgeschrieben war.


Beispiele:
Herr Kammermeier hat 20 Arbeitstage Urlaub im Jahr. Von diesen kann er nur 15 nehmen. Die restlichen 5 kann er aus betrieblichen Gründen bis zum 31.3. des Folgejahres nicht einbringen. Die 5 Tage Resturlaub verfallen.

Herr Steigenberger hat auch 20 Arbeitstage Urlaub. 12 nimmt er bis September 2009. Dann wird er arbeitsunfähig und gesundet erst am 15.4. des Folgejahres wieder. Seine 8 Tage Resturlaub sind aber nicht verfallen, da er arbeitsunfähig war. Wäre er aber schon im November 2009 gesundet und zur Arbeit gekommen, hätte er seine 8 Tage noch einbringen können. In diesem Fall verfallen die Urlaubstage dann schon wieder am 31.3. des Folgejahres.

Hinweis: In dem Fall, dass ein Arbeitnehmer am 31.12. erst kurz dabei ist, kann er in dem ganzen folgenden Jahr noch frei über seinen Urlaub verfügen. Wird der Arbeitnehmer krank und kann den Jahresurlaub inklusive übertragenen Urlaub nicht nehmen, muss Ihr Arbeitgeber entsprechend den kompletten Urlaub aus dem Vorjahr und aus dem laufenden Jahr „fortschreiben“.

Abgeltung auch für tariflichen Urlaubsanspruch

Das LAG ging in einem Punkt noch über den EuGH hinaus. Es sprach dem Arbeitnehmer z. T. auch Abgeltung für tariflichen Urlaub zu. Der tarifliche Urlaubsanspruch ist aber meist höher als der gesetzliche. Ob dies auch vor dem Bundesarbeitsgericht hält, ist fraglich!

Tipp: Die Übertragung des Urlaubs müssen Ihre Kollegen grundsätzlich nicht beantragen. Dies geschieht automatisch. Trotzdem lohnt es sich, zu Beweiszwecken etwa eine E-Mail an den Arbeitgeber zu schicken, dass im Moment noch Urlaubsansprüche offen sind, die übertragen werden.

Wenn ein Arbeitnehmer aus dem Unternehmen ausscheidet – Was das Urlaubsgesetz sagt

Auch wenn ein Arbeitnehmer den Betrieb verlässt, stellt sich häufig die Frage, was mit den verbleibenden Urlaubstagen geschieht. Entscheidend ist insoweit stets, wie lange der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt des Ausscheidens im Betrieb beschäftigt war. Bei Arbeitnehmern, die bereits länger im Betrieb tätig sind, kommt es zudem darauf an, wann genau sie ausscheiden.

Unterscheiden Sie folgende Fälle:

Beschäftigungsdauer Urlaubsumfang
Der Arbeitnehmer hat dem Unternehmen noch keine 6 Monate angehört. Für jeden vollen Beschäftigungsmonat besteht Anspruch auf 1⁄12 des Jahresurlaubs.
Ausscheiden bis zum 30.6. eines Jahres Der Arbeitnehmer hat für jeden vollen Beschäftigungsmonat Anspruch auf 1⁄12 des Jahresurlaubs
Ausscheiden im 3. bzw. 4. Quartal Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf den vollen Jahresurlaub.

Wann sich Arbeitnehmer den Resturlaub abgelten lassen können

Ihr Arbeitgeber muss gemäß dem Urlaubsgesetz  den Resturlaub dann auszahlen, wenn das Arbeitsverhältnis endet, der Arbeitnehmer den Jahresurlaub nicht nehmen konnte und der Urlaubsanspruch noch nicht verfallen ist. Und hier kommt das neue Urteil wieder ins Spiel: Das gilt ab sofort auch für Arbeitnehmer, die den Resturlaub wegen Krankheit nicht nehmen konnten! Der Urlaubsanspruch besteht für den gesamten Krankheitszeitraum!

Vor allem bei Kündigungen relevant

In der Praxis kommt dieser Fall – abgesehen vom Sonderfall Krankheit – häufig bei einer Kündigung im Rahmen eines Insolvenzverfahrens bzw. bei einer fristlosen Kündigung in Betracht. Aber auch bei ordentlichen Kündigungen muss immer wieder Urlaub abgegolten werden.

Beispiel: Ein Arbeitnehmer hat zum Zeitpunkt seiner Kündigung noch eine Woche Resturlaub. Er wird sofort freigestellt. Die eine Woche muss ihm dann ausgezahlt werden.

Wichtig: Abgesehen von diesen Fällen, sollten Sie sich den Urlaub niemals ausbezahlen lassen. Ihr Arbeitgeber darf dies erstens nicht und zweitens ist dies aus arbeitnehmerschutzrechtlicher Sicht nicht vertretbar: Urlaub soll der Erholung dienen! Wenn Arbeitnehmer diesen nicht nehmen, dann tun sie nichts weiter, außer ihre Gesundheit zu ruinieren!


Sie als Betriebsrat bestimmen mit!

Als Betriebsrat bestimmen Sie gemäß (BetrVG) mit bei

  • der Aufstellung allgemeiner Urlaubsgrundsätze und des Urlaubsplans sowie
  • der Festlegung der zeitlichen Lage des Urlaubs für einzelne Arbeitnehmer (bei Streitigkeiten).

Einseitige Maßnahmen Ihres Arbeitgebers in diesen Bereichen wären unwirksam. Sie haben sogar ein Initiativrecht. Fordern Sie zu Urlaubsfragen eine Betriebsvereinbarung.

Wichtig: Ganz relevant wird das neue Urteil bei Ihren Kollegen, denen krankheitsbedingt gekündigt werden kann. Hier ist anzunehmen, dass eine Menge Urlaub krankheitsbedingt nicht genommen werden konnte. Diesen muss der Arbeitgeber gemäß dem Urlaubsgesetz auszahlen. Denken Sie daran, es geht schließlich um Ihr Geld!

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