27.07.2011

Wann Sie unbezahlten Urlaub nehmen können

Möchten Sie oder einer Ihrer Kollegen über den Ihnen gesetzlich zustehenden Urlaub hinaus eine Auszeit nehmen, dann können Sie versuchen, mit Ihrem Arbeitgeber eine Vereinbarung über unbezahlten Urlaub zu treffen. Aber: Sie und Ihre Kollegen haben generell keinen Anspruch, unbezahlt von der Arbeit freigestellt zu werden. Allerdings gibt es zahlreiche Situationen, in denen Ihr Arbeitgeber Sie ausnahmsweise von der Arbeit freistellen muss. Am einfachsten können Sie Ihren Wunsch durchsetzen, wenn ein Gesetz die unbezahlte Freistellung erlaubt. Gängige Regelungen sind die Versorgung kranker Kinder (§ 45 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch) sowie die Einberufung zum Zivildienst (§ 78 Zivildienstgesetz).

Unbezahlter Urlaub, weil das eigene Kind krank ist

Müssen Sie bzw. Ihre Kollegen zu Hause bleiben, weil Ihr Kind krank ist, müssen Sie häufig auf unbezahlten Urlaub zurückgreifen. Denn viele Arbeitgeber schränken die Vergütungsfortzahlung in diesen Fällen in ihren Regelungen über den Sonderurlaub ein. Das rührt daher, dass – sofern Sie gesetzlich krankenversichert sind – Sie nur dann Kinderpflegekrankengeld von Ihrer Krankenkasse bekommen, wenn Sie keinen Vergütungsanspruch gegen Ihren Arbeitgeber haben (Landesarbeitsgericht Köln, 11. 8. 1994, Az. 6 Sa 90/94).

Unbezahlte Freistellung bei krankem Kind ist nicht begrenzt

Den Anspruch auf unbezahlte Freistellung wegen der Krankheit eines Kindes kann Ihr Arbeitgeber nicht einschränken oder ausschließen. Der Anspruch beträgt für unter 12-Jährige bis zu 10 Arbeitstage, bei Alleinerziehenden sind es sogar 20 pro Kind und Jahr. Haben Sie oder Kollegen mehrere Kinder, haben Sie Anspruch auf bis zu 25 Arbeitstage; Alleinerziehende  erhalten in diesem Fall bis zu 50 Arbeitstage unbezahlte Freistellung pro Jahr.

Beachten Sie: Bei unheilbaren Krankheiten im Endstadium kann auch bei älteren Kindern ein unbegrenzter Freistellungsanspruch bestehen.

Wenn ein Tarifvertrag den Anspruch regelt

Auch ein Tarifvertrag kann einen Anspruch auf unbezahlten Urlaub vorsehen. Darüber hinaus kann ein solcher Anspruch auch in einer Betriebsvereinbarung oder im Arbeitsvertrag geregelt werden.

Tipp: Als Betriebsrat sollten Sie jetzt prüfen, ob der Tarifvertrag, der auf Ihren Betrieb Anwendung findet, eine Regelung zum bezahlten oder unbezahlten Sonderurlaub vorsieht. Ist das nicht der Fall, sollten Sie versuchen, mit Ihrem Arbeitgeber eine Regelung in einer Betriebsvereinbarung festzuzurren. Sorgen Sie dafür, dass die Regelung möglichst allgemein gehalten wird.

Muster-Formulierung:
Unbezahlter Urlaub bedarf der vorherigen Zustimmung des Arbeitgebers. Die Freistellung erfolgt im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber. Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf mindestens … Tage unbezahlten Urlaub jährlich. In Notsituationen wird der Arbeitnehmer für die objektiv notwendige Zeit unbezahlt von der Arbeit freigestellt.

Fürsorgepflicht: Sie haben Anspruch auf unbezahlten Urlaub

Geraten Sie plötzlich in eine Zwangslage, die Sie nur mit Hilfe von ein paar zusätzlichen freien Tagen auflösen können, muss Ihr Arbeitgeber Ihnen unbezahlten Urlaub gewähren.

Beispiel:
Ein Kollege gerät durch eine plötzliche schwere Krankheit eines Elternteils unverschuldet in eine Notsituation. Er muss deshalb einige Vorkehrungen treffen, die er nicht außerhalb der regulären Arbeitszeit regeln kann.

Hier greifen auch die Regelungen aus dem Pflegezeitgesetz:

Wenn Sie in die Situation kommen einen nahen Angehörigen zu pflegen, haben Sie zwei Möglichkeiten von Ihrer Arbeit freigestellt zu werden: durch die „kurzzeitige Arbeitsverhinderung“ (bis zu zehn Tage) oder die „Pflegezeit“ (bis zu 6 Monate).

Unbezahlter Urlaub auf Grund von betrieblicher Übung

Ein Anspruch auf unbezahlten Urlaub kann sich letztlich auch aus einer betrieblichen Übung ergeben. Unter betrieblicher Übung versteht man die regelmäßige Wiederholung eines bestimmten Verhaltens mit der Folge, dass bei den Arbeitnehmern der Eindruck einer Gesetzmäßigkeit bzw. eines Brauchs entsteht (Bundesarbeitsgericht, 28. 10. 1987, Az. 5 AZR 518/ 85).

Das heißt: Hat Ihr Arbeitgeber in einem vergleichbaren Fall mindestens 3 mal unbezahlten Urlaub gewährt, können Sie daraus den Schluss ziehen, dass er auch in zukünftigen Fällen so agiert. Anders sieht es allerdings aus, wenn er eine Regelung trifft, die unbezahlten Urlaub nur in bestimmten Situationen zulässt, und infolge dieser Regelung teilweise unbezahlten Urlaub verweigert. Denn dann hat er die betriebliche Übung gebrochen. Verweigert er den Urlaub in vergleichbaren Situationen mindestens 3 mal, müssen Sie bzw. Ihre Kollegen in einer ähnlichen Situation auch mit Ablehnung rechnen.

Welche Auswirkungen unbezahlter Urlaub auf das Beschäftigungsverhältnis hat

Die wichtigste Folge von unbezahltem Urlaub ist, dass das Arbeitsverhältnis von dem Moment des Urlaubsantritts an ruht. Sie bzw. die betroffenen Kollegen sind also nicht mehr verpflichtet, Ihre Arbeitsleistung zu erbringen, und Ihr Arbeitgeber muss Sie bzw. Ihre Kollegen nicht mehr bezahlen. Das Ruhen des Beschäftigungsverhältnisses tritt grundsätzlich automatisch ein. Dennoch: Raten Sie allen Kollegen, mit Ihrem Arbeitgeber eine schriftliche Vereinbarung über den unbezahlten Urlaub zu treffen. Dann haben sie einen Beweis in der Hand. Ihr Arbeitgeber kann später nicht behaupten, er hätte sein Einverständnis nicht erteilt.

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