09.11.2017

Denken Sie beim Thema Arbeitsschutz auch an Ihre älteren Kollegen

Sieht man sich die Zahl der Langzeiterkrankten oder häufig Kurzerkrankten in Unternehmen an, dann wird eines schnell klar: Betroffen sind hier vor allem die älteren Kollegen. Grund genug für Sie als Betriebsrat einzugreifen. Sie können das auch, denn nach §§ 87 Abs. 1 Nr. 7, 89 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ist es Ihre Aufgabe, sich dafür einzusetzen, dass alle arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen im Betrieb eingehalten und Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten vermieden werden. Dazu gehört auch der Schutz besonderer Personengruppen – und hierzu zählen Ältere wegen ihrer stärkeren Anfälligkeit auch.

Besonders wichtig für Ihre Arbeit ist aber § 80 Abs. 1 Nr. 4 und 6 BetrVG, denn danach haben Sie explizit die Beschäftigung Älterer im Betrieb zu fördern. Förderung heißt auch, Gesundheitsgefahren im Rahmen der täglichen Arbeit auszuschalten.

Das können Sie präventiv tun

Sie haben bezüglich des Arbeitsschutzes älterer Kollegen ein Mitwirkungsrecht. Leider hat Ihnen das BetrVG hier keine konkreten Handlungsrechte an die Hand gegeben. Um Ihre älteren Kolleginnen und Kollegen adäquat zu schützen, empfehle ich Ihnen:

1. Hauptbelastungen finden

Wo liegt in Ihrem Betrieb eine besondere Stressbelastung für ältere Kollegen? Denken Sie hier an eine langjährige Schichtarbeit, die Anhäufung von Überstunden etc.

Tipp: Arbeiten Sie ggf. mit dem Betriebsarzt zusammen
Zudem muss Ihnen Ihr Arbeitgeber nach § 80 Abs. 1 Satz 1 und 2 BetrVG auf Verlangen alle notwendigen Unterlagen (etwa über die Krankheitsrate der älteren Mitarbeiter) vorlegen, die Sie zur Wahrnehmung Ihrer Pflicht aus § 80 BetrVG brauchen. Wenden Sie sich auch an Ihren Betriebsarzt und fordern Sie Unter-stützung von ihm ein. Zeigt sich hier, dass Ältere durch diese Arbeitszeitsysteme besonders belastet sind, dann regen Sie an, Überstunden abzubauen oder Schichtarbeit in rollierenden Systemen durchzuführen.

2. Geben Sie neue Impulse

Ihr Arbeitgeber wird auch die älteren Kollegen mit der persönlichen Schutzausrüstung ausstatten und auch ihnen einen Freizeitausgleich gewähren. Aber ab einem gewissen Alter reicht das oft nicht mehr. Nach 30 oder mehr Jahren körperlicher Arbeit ist so mancher einfach abgearbeitet. Hier muss es dann etwas mehr sein, wie z. B. Übungen für den Rücken.

Tipp: Steuerbegünstigungen nutzen
Ihr Arbeitgeber kann Ihren Kollegen Rückenschulungen sogar steuerbegünstigt zukommen lassen! Geben Sie dies an ihn weiter – er tut Ihren Kollegen etwas Gutes und kann dabei sparen!

Wichtig: Schreibtischtäter nicht vergessen!
Denken Sie hier aber nicht nur an die Arbeiter in der Produktion, sondern auch an Ihre Schreibtisch-täter. Das Herz eines 50-Jährigen steckt Stress nicht mehr so einfach weg wie das eines 20-Jährigen. Auch hier können Entspannungsübungen helfen. Oder wie wäre es mit einem gleitenden Übergang in den Ruhestand über die Altersteilzeit?

3. Neue Arbeitsformen braucht das Land

Sie bewegen sich hier in einem schwierigen Bereich. Denn bevor das Kind nicht in den Brunnen gefallen und ein älterer Kollege nicht wirklich erkrankt ist, haben Sie wenig Griffiges in der Hand. Machen Sie Ihre Aktivität Ihrem Arbeitgeber deswegen schmackhaft: Sagen Sie ihm ganz klar, dass er sparen kann, wenn er Ihren Vorschlägen folgt.

Punkten Sie mit folgenden Argumenten: Ältere bleiben länger fit und deswegen als Wissens- und Leistungsträger auch länger erhalten. Sie werden seltener krank, das spart die Entgeltfortzahlung.

Wie Ihr Arbeitgeber das erreichen kann? Etwa durch eine gesundheitsförderliche Arbeitsorganisation, wie z. B. Teamarbeit oder Job-Rotation, Teilzeit oder Heimarbeit. Bei diesen Arbeitsformen sind Ihre Kollegen nicht kontinuierlich in Stressphasen, sondern eben auch mal in Ruhephasen.

Einige dieser Arbeitsformen können vor allem Berufsgruppen mit körperlich besonders belastenden Tätigkeiten helfen, wie etwa im Bau- oder Transportgewerbe oder in der Alten- und Krankenpflege.

4. Schalten Sie Fehlerquellen aus

Ältere werden oft vernachlässigt. Arbeitgeber denken noch vor den Betroffenen an deren Renteneintritt und dann werden die älteren Kollegen von Fortbildungen und Weiterbildungen, aber auch von einzelnen Boni ausgeschlossen. Der Junge wird gelobt, beim Älteren ist die gute Leistung selbstverständlich. Der muss es ja schließlich können. Schade, denn die Erfahrung zeigt, dass es sich besonders gut auf die Gesundheit auswirkt, wenn Mitarbeiter sich geschätzt fühlen. Hier muss also ein Umdenken stattfinden!

Tipp: Nicht einschüchtern lassen
Sie kennen das Spiel: Sie werden Ihren Arbeitgeber zum Handeln auffordern und er wird abwinken. Aber Sie haben noch einen Trumpf im Ärmel: das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Ihr Arbeitgeber muss Ältere bei Fortbildungen etc. gleichbehandeln. Tut er das ohne sachlichen Grund nicht, dann drohen ihm Schadenersatzzahlungen!

BEM – so holen Sie Ältere zurück an den Arbeitsplatz

Ist es so weit gekommen, dass ein älterer Kollege „dauerkrank“ wird, ist trotzdem noch nicht alles verloren. Denn nach § 84 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) IX sind alle Arbeitgeber zum betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) verpflichtet, das heißt zur Rückführung des erkrankten Arbeitnehmers ins Arbeitsleben. Und zwar dann, wenn ein Arbeitnehmer krankheitsbedingt länger als 6 Wochen ununterbrochen oder wiederholt innerhalb eines Jahres arbeitsunfähig ist.

Die Regelung zum BEM findet sich im SGB IX – dem Recht der schwerbehinderten Menschen. Ihr Arbeitgeber muss es aber bezüglich jedes Arbeitnehmers durchführen, ob schwerbehindert oder nicht. Hier hat er kein Wahlrecht, das BEM ist allen Beschäftigten anzubieten. Außerdem besteht die Pflicht ganz unabhängig von der Betriebsgröße, also auch in Kleinbetrieben. Und das Beste: Sie sind zu beteiligen, das verlangen §§ 84 Abs. 2 und 93 SGB IX ausdrücklich. So gehen Sie am besten vor:

1. Ziel des BEM ist es, erkrankte Arbeitnehmer Schritt für Schritt wieder einzugliedern und ihnen den Arbeitsplatz zu bewahren. Etwa durch Teilzeitarbeit am Anfang mit der Option der Aufstockung oder gar durch Einsatz auf einem völlig anderen Arbeitsplatz mit entsprechenden Umschulungsmaßnahmen. Aber: Das BEM folgt dem Freiwilligkeitsgrundsatz. Nur wenn der betroffene Kollege es will, wird es durchgeführt.

Sprechen Sie deshalb vorher mit ihm, erklären Sie ihm Sinn und Zweck des BEM. Sagen Sie ihm aber auch offen, dass er einiges von sich wird offenbaren müssen. Zu denken ist hier an die ärztliche Prognose. Denn wenn Sie diese nicht kennen, kann ein BEM nicht sinnvoll durchgeführt werden.

2. Der Betriebsarzt (soweit vorhanden) sollte von Anfang an dabei sein. Schalten Sie, falls vorhanden, auch die Schwerbehindertenvertretung ein. Diese hat neben Ihnen auch ein Mitwirkungsrecht.

3. Klären Sie zusammen mit dem Arbeitgeber, dem Kollegen und Betriebsarzt folgende Fragen:

  • Welche Qualifikationen und besondere Stärken hat der Kollege?
  • Welche Einschränkungen liegen vor (z.B. für schwere körperliche Arbeit)?
  • Welche Vorstellungen von seinem weiteren Berufsweg hat der Kollege selbst? Kann er zukünftig weiter eingesetzt werden und, wenn ja, an welchen Arbeitsplätzen (z.B. ohne schwere körperliche Belastungen) und unter welchen Bedingungen (z. B. in Teilzeitarbeit, mit einer Umsetzung oder Versetzung oder Umgestaltung des Arbeitsplatzes)?

Den Antworten entsprechend lässt sich dann die Wiedereingliederung planen.

4. Wenn weitere Einsatzmöglichkeiten bestehen, legen Sie mit dem Betriebsarzt, dem Arbeitgeber und dem Betroffenen konkrete Integrationsmaßnahmen fest:

  • Prüfen Sie unter Einbeziehung der Reha-Träger die Möglichkeiten einer medizinischen Rehabilitation.
  • Stellen Sie fest, ob der Arbeitsplatz umgestaltet werden muss und ob zusätzliche Hilfsmittel erforderlich sind.
  • Prüfen Sie, ob der Betroffene an einen anderen Arbeitsplatz umgesetzt werden kann. Manchmal hilft auch schon eine Verkürzung der Arbeitszeit, natürlich nur, wenn der Kollege dies auch will.
  • Ermitteln Sie, ob und welche Schulungen und Qualifizierungsmaßnahmen ggf. erforderlich sind.

5. Kontrollieren Sie nach einigen Wochen oder Monaten, ob der Kollege an seinem neuen bzw. veränderten Arbeitsplatz wieder normal leistungsfähig ist.

Müssen Sie etwas unternehmen?

Hier habe ich noch die 3 häufigsten Fragen für Sie zusammengestellt, die Ihnen bei der Sicherung des Arbeitsschutzes für Ältere helfen können. Für den Fall, dass Ihre Antwort „Nein“ lautet, habe ich Ihnen eine konkrete Handlungsanweisung aufgeführt. Gehen Sie die Punkte einfach einen nach dem anderen durch:

  • Besteht die Altersstruktur Ihrer Belegschaft in etwa zu gleichen Teilen aus jungen, mittelalten und älteren Mitarbeitern?
  • Wenn ja: Sehr gut, die Altersstruktur ist schön gemischt, hier können gezielt Teams aus Jung und Alt gebildet werden. Falls Sie keine gute Mischung haben, dann treten Sie an Ihren Arbeitgeber heran. In den nächsten Einstellungsrunden kann dann ja für Abhilfe gesorgt werden.
  • Sind die Arbeitstätigkeiten so gestaltet, dass die Beschäftigten sie bis zum Rentenalter ausführen können, oder sind sie körperlich einfach zu belastend?Falls nein, dann muss nachgebessert werden. Woran fehlt es? Muss das Arbeitsgerät erneuert werden? Ist die Schutzausrüstung veraltet, der Bildschirm alt und flimmerig? Manchmal reicht schon die Änderung kleiner Dinge, um den Arbeitsschutz zu gewährleisten.
  • Haben alle Mitarbeiter – auch die älteren – die Möglichkeit, sich weiterzuqualifizieren? Wird allen Mitarbeitern, unabhängig vom Alter, im Unternehmen eine berufliche Entwicklungsperspektive geboten? Falls nein, legen Sie Ihrem Arbeitgeber mal eine Textausgabe des AGG auf den Schreibtisch!

Risikofaktor Schichtarbeit ausschließen

Schichtarbeit schlaucht jeden, egal ob alt oder jung. Dauernd muss man seinen Schlafrhythmus anpassen, bei Nachtschichten muss man auch noch seinen Essrhythmus umstellen. Zudem schüttet man gerne in der Nacht Unmengen an Kaffee, an koffeinhaltigen Kaltgetränken oder Power Drinks in sich rein – alles nicht gesund. Gerade Ältere leiden aber besonders unter der Schichtarbeit, behalten Sie dies im Hinterkopf.

Sie als Betriebsrat können Abhilfe schaffen, denn bei der Verteilung der Arbeitszeit bestimmen Sie mit, § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Achten Sie bei Schichtarbeit auf Folgendes:

  • Die Arbeitszeit sollte nicht zu „massiert“ sein, das heißt nicht zu lange Arbeitszeiten pro Schicht und nicht zu viele Arbeitstage hintereinander. Aus arbeitsmedizinischer Sicht sind Schichten von höchstens 8 Stunden und nicht mehr als 5 Arbeitstage in Folge zu empfehlen, bei Nachtarbeit nicht mehr als 4 Schichten nacheinander.
  • Stellen Sie eine ausreichende Ruhezeit von mindestens 12 Stunden zwischen den Schichten sicher.
  • Vorwärts rotierende Systeme (früh – spät – Nacht) sind weniger belastend als umgekehrt.
  • Achten Sie auf eindeutig festgelegte Pausenzeiten während der Nachtschicht. Zwischen 2 und 3 Uhr nachts sollten keine Tätigkeiten verrichtet werden, die viel Aufmerksamkeit erfordern.
  • Ein freies Wochenende ist besser als ein einzelner freier Tag. Ein einzelner Tag bringt den Biorhythmus noch mehr durcheinander.

Raten Sie allen Ihren Kollegen in Schichtarbeit, sich regelmäßig arbeitsmedizinisch untersuchen zu lassen, ganz besonders den älteren Beschäftigten mit Nachtschichten. Festzustellen ist hierbei, ob sie gesundheitlich für diese Arbeitszeiten (noch) geeignet sind. Nach § 6 Arbeitszeitgesetz haben Nachtarbeiter mindestens alle 3 Jahre ein Recht auf diese Untersuchung, Beschäftigte ab 50 sogar jährlich.

Und haben Schichtarbeiter öfter mal Herzrasen, Zeichen von Unruhe oder andere Leiden, dann sollen sie dies sofort ärztlich abklären lassen.

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