08.12.2017

So setzen Sie Ihr Mitbestimmungsrecht effektiv um

Als Betriebsrat haben Sie nach § 87 Abs. 1 Satz 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) Mitbestimmungsrecht bei Regelungen über die Verhütung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sowie über den Gesundheitsschutz im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften oder der Unfallverhütungsvorschriften. Wie Sie dieses Recht effektiv umsetzen, lesen Sie im Folgenden.

Gesetzesvorrang beachten

Sie kennen alle die Regelungen zum Arbeitsschutz, das Arbeitssicherheitsgesetz, die Bildschirmarbeitsverordnung (BildscharbV) etc. Diese Regelungen sind nicht abschließend. Mit anderen Worten: Sie bilden nur einen Rahmen für den Arbeitsschutz. Soweit dieser Rahmen besteht, haben Sie kein Mitbestimmungsrecht (Gesetzesvorrang). Soweit er aber auszufüllen ist, schon. Zunächst müssen Sie bei jeder Maßnahme also prüfen, welche Spielräume Ihnen das Gesetz lässt. In § 87 BetrVG heißt es außerdem, dass Sie nur ein Mitbestimmungsrecht haben, soweit keine gesetzliche oder tarifliche Regelung besteht.

Beispiel: § 4 BildscharbV
Nach § 4 Abs. 1 BildscharbV hat der Arbeitgeber geeignete Maßnahmen zu treffen, damit die Bildschirmarbeitsplätze den Anforderungen des Anhangs zu diesem Gesetz und sonstiger Rechtsvorschriften entsprechen. Das heißt, dass sich Ihr Mitbestimmungsrecht darauf bezieht, welche Maßnahmen ergriffen werden. Dass der Arbeitgeber tätig werden muss, sagt aber das Gesetz.

Mitbestimmungsrecht zur Mitgestaltung nutzen

Mitbestimmung heißt immer eins: Arbeitgeber und Betriebsrat müssen sich einigen. Folglich ist Ihr Ziel, eine Einigung auf eine nutzwertige Regelung für die Beschäftigten zu erreichen.

Tipp: Kontakt mit Kollegen halten

Beispielsweise müssen Sie also wissen, was die Beschäftigten wollen. Dies erfahren Sie nur, wenn Sie im ständigen Kontakt zu Ihren Kolleginnen und Kollegen bleiben. Fragen Sie sie regelmäßig nach möglichen Gefahrenquellen (Hitze, Überlastung etc.).

Folglich sollten Sie von sich aus tätig werden und Ihr Initiativrecht nutzen. Die Rechtsgrundlage: § 87 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 BetrVG. Sie können hier Regelungen, etwa eine Betriebsvereinbarung, verlangen.

Bestreitet Ihr Arbeitgeber Ihr Mitbestimmungsrecht oder informiert er Sie über geplante Maßnahmen nicht oder nicht ausreichend, können Sie beim Arbeitsgericht eine Klage auf Feststellung Ihres Mitbestimmungsrechts erheben (§ 23 Abs. 3 BetrVG). Sollten sich bei der konkreten Umsetzung der Maßnahmen Streitigkeiten ergeben, können Sie die Einigungsstelle anrufen.

Ihre Strategie für mehr Mitgestaltung

Alles in allem klingt das nach einem umfassenden Mitbestimmungsrecht. Das haben Sie auch. Trotzdem wird Ihnen ohne ausreichende Strategie eine effektive Umsetzung nicht gelingen. Oft werden auch beschlossene Verbesserungen, die zwischen Ihnen und dem Arbeitgeber vereinbart wurden, einfach nicht umgesetzt. Sowohl von Führungskräften als auch von den Beschäftigten.

Deswegen müssen Sie sich einen Plan machen:

  • Was wollen wir?
  • Wie können wir das umsetzen?
  • Wann holen wir die Beschäftigten ins Boot?
  • Wie stellen wir sicher, dass unsere Regelung auch tatsächlich umgesetzt wird?

Gehen Sie in den folgenden 5 Schritten vor:

1. Die Themenfindung

Im 1. Schritt geht es darum zu ermitteln, wo im Betrieb Verbesserungsbedarf besteht. Zuerst müssen Sie die Ausgangsposition ermitteln, um dann überhaupt beurteilen zu können, wo im Betrieb Verbesserungsbedarf besteht.

  • Verschaffen Sie also sich zunächst einen Überblick über die mit dem Arbeits- und Gesundheitsschutz betrauten Personen (Fachkraft für Arbeitssicherheit, Betriebsarzt, Sicherheitsbeauftragte, Ersthelfer und Führungskräfte mit Arbeitsschutzverantwortung, Schwerbehindertenvertretung).
  • Vereinbaren Sie mit diesen ein Treffen und haken Sie nach, ob sie zu einem bestimmten Punkt Verbesserungsbedarf sehen. Eventuell können Sie gemeinsam schon Lösungsansätze finden. Holen Sie auch den Arbeitsschutzausschuss mit ins Boot.
  • Wälzen Sie Unfallstatistiken, Unterlagen über die Krankenstände, Beschwerden und, falls vorhanden, Fehler- und Mängellisten. Dies ist zwar lästig, kann Ihnen aber sehr wichtige Anhaltspunkte liefern.
  • Versuchen Sie, schon einmal Ziele vorzuformulieren. Dann wissen Sie, wohin die Reise geht.

2. Beschäftigte beteiligen

Ganz wichtig ist es auch, sich die Unterstützung der Beschäftigten zu sichern. Dies schaffen Sie durch umfassende Information über Ihre Ziele und die geplante Vorgehensweise. Zeigen Sie Ihren Kolleginnen und Kollegen, dass es um sie geht. Dies erreichen Sie etwa durch Besuche am Arbeitsplatz oder Umfragen. So schaffen Sie auch bei Ihren Kollegen ein Bewusstsein für das Thema und fördern die Eigeninitiative und das Engagement der Beschäftigten.

Tipp: Vor Ort Einblick verschaffen

Gehen Sie ruhig mal von Arbeitsplatz zu Arbeitsplatz. So erhalten Sie vor Ort Einblick und können direkt Informationen einholen.

3. Gefährdungsbeurteilung

Haben Sie noch nicht genug Anhaltspunkte oder wollen Sie sich noch weiter in Ihrer Planung absichern, dann vereinbaren Sie mit Ihrem Arbeitgeber, eine Gefährdungsbeurteilung für die betroffenen Bereiche durchzuführen. Hier müssen Sie zunächst festlegen,

  • wie die Beurteilung vorgenommen wird,
  • welche Personen sie vornehmen,
  • wie die Arbeitnehmer zu beteiligen sind (etwa Mitarbeitergespräche oder Fragebogen).

4. Auswertung und Maßnahmen

Jetzt geht es darum, Ihre Planung in die Tat umzusetzen:

  • Werten Sie die Untersuchungsergebnisse im Gremium aus. Wo besteht Handlungsbedarf?
  • Aus den festgestellten Unfallrisiken und Gesundheitsgefährdungen der Beschäftigten müssen Ziele sowie Maßnahmen zur Vermeidung oder Minderung der Gefährdungen entwickelt werden.
  • Das sollten Sie nicht allein machen, sondern gemeinsam mit den Sicherheitsfachkräften, dem Arbeitsschutzausschuss und Ihrem Arbeitgeber.
  • Dokumentieren Sie die Ergebnisse und den vereinbarten Maßnahmenkatalog.
  • Bestimmen Sie gleich für die Umsetzung Verantwortliche, damit die Sache nicht im Sande verläuft.

Tipp: Machen Sie doch gleich Nägel mit Köpfen

Schließen Sie am besten mit Ihrem Arbeitgeber eine Betriebsvereinbarung, in der Sie die Ziele und durchzuführenden Maßnahmen festlegen. Nehmen Sie auch das konkrete Informations- und Beteiligungsverfahren der Beschäftigten auf. Denn dann können Sie Ihren Arbeitgeber auf seine Durchführungspflicht festnageln.

5. Unterrichtung und Unterweisung der Kollegen

Der letzte Schritt: die Information der restlichen Belegschaft in Ihrem Betrieb. Die Information der Kolleginnen und Kollegen ist sehr wichtig. Immerhin dient sie doch dazu, umfassende Transparenz über die geplanten Maßnahmen herzustellen. Nur so werden Sie Akzeptanz für verhaltensbezogene Präventionsmaßnahmen schaffen, wie z. B. für ergonomisches Sitzen.

Unterrichten Sie alle Beschäftigten arbeitsplatzbezogen über die festgestellten möglichen Gesundheitsgefährdungen. Zeigen Sie dabei auch gleich auf, wie sie die Gesundheitsgefährdungen an ihrem Arbeitsplatz vermeiden können.

Eckpunkte einer Mitarbeiterbefragung

Wenn Sie nun eine Mitarbeiterbefragung durchführen wollen, dann können Sie die folgenden Eckpunkte abklopfen:

Was wird am konkreten Arbeitsplatz als besonders belastend empfunden?

  • Erfordernis ständiger Aufmerksamkeit und Konzentration
  • Notwendigkeit hoher Genauigkeit
  • Bedarf einer hohen Denkanforderung
  • Verlangen von Schnelligkeit
  • Bewältigung großer Arbeitsmengen
  • Schwierigkeit von Entscheidungen/Arbeiten
  • hohe Fehlermöglichkeit
  • häufige Unterbrechung von angefangenen Arbeiten
  • eintönige Arbeit
  • Isolation am Einzelarbeitsplatz
  • schlechte Sichtverhältnisse
  • schlechte Belüftung/Klimaanlage
  • Augenbeschwerden (brennende, tränende Augen)

Zu welchen Beschwerden ist es in den letzten 6 Monaten gekommen?

  • Hörstörungen (Tinnitus)
  • Atembeschweren
  • Halsschmerzen
  • Hautausschläge
  • Kopfschmerzen
  • Herzbeschwerden
  • Magen- und Darmbeschwerden
  • Kreislaufstörungen
  • Schlafstörungen
  • Erschöpfung, Abgespanntheit
  • Appetitlosigkeit
  • Nervosität

Stricken Sie sich einen Maßnahmenkatalog

Um den Arbeitsschutz wirklich umzusetzen, müssen Sie sich unbedingt gründlich in dieses komplexe Thema einarbeiten. Gehen Sie dabei am besten so vor:

  • Legen Sie im Rahmen Ihrer täglichen Arbeit eine gewisse Zeitspanne füe den Arbeitsschutz fest.
  • Benennen Sie Mitglieder Ihres Gremiums, die sich auf das Thema spezialisieren.
  • Diese Mitglieder sollten dann auch am Arbeitsschutzausschuss teilnehmen.
  • Informieren Sie sich regelmäßig über die Möglichkeiten des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes (z. B. über entsprechende Veranstaltungen und Seminare nach § 37 Abs. 6 BetrVG, mit Broschüren und Videos der Berufsgenossenschaften etc.).
  • Nach § 80 Abs. 3 BetrVG dürfen Sie auch Externe wie etwa Sachverständige oder Fachkräfte zur Beratung hinzuziehen. Nutzen Sie diese Möglichkeit, insbesondere bei umfangreichen Maßnahmen.

Tipp: Betriebsratsbeschluss nicht vergessen

Wollen Sie einen Externen hinzuziehen, müssen Sie hierüber zunächst beschließen. Bevor Sie den Sachverständigen dann beauftragen, treten Sie an Ihren Arbeitgeber heran und verlangen Sie die Kostenübernahme. So sehen Sie gleich, ob es hier zu Differenzen kommen wird oder nicht.

Wenn Ihr Arbeitgeber nicht will, dann klagen Sie!

Vergessen Sie als Betriebsrat nicht, dass alle Maßnahmen und Regelungen des betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutzes Ihrer Mitbestimmung unterliegen. So sieht es auch das Gesetz, § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG. Da es sich hierbei um eines Ihrer Initiativrechte handelt, können Sie als Betriebsrat solche Maßnahmen (z. B. die Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen) von Ihrem Arbeitgeber verlangen.

Verweigert Ihr Arbeitgeber Ihre Beteiligung, verhindert er sie oder informiert er Sie nicht über geplante Maßnahmen, dann können Sie gegen ihn vorgehen. Ferner können Sie Ihr Mitbestimmungsrecht
gerichtlich im Rahmen einer Feststellungsklage beim Arbeitsgericht einklagen. Sollten sich Streitigkeiten aus der Umsetzung oder dem Verfahren ergeben, so sind diese durch eine Einigungsstelle zu klären.

Wie Sie sehen, sind Sie nicht rechtlos und können Ihrem Arbeitgeber Paroli bieten.

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