05.10.2018

Einigungsstellenvorsitzender: Wer eine Person verhindern will, muss triftige Gründe liefern

Die regulären Betriebsratswahlen sind seit einiger Zeit abgeschlossen. Sie als neuer bzw. erneut gewählter Betriebsrat haben sich eingearbeitet und sich einen Überblick über den Stand der Dinge geschaffen. Jetzt beginnen Sie sicher, das eine oder andere wichtige Thema inhaltlich mit Ihrem Arbeitgeber zu diskutieren. Können Sie sich mit Ihrem Arbeitgeber über Angelegenheiten der zwingenden Mitbestimmung gar nicht einigen, können Sie die Einigungsstelle einschalten. Aber selbst dabei kommt es zwischen Arbeitgebern und Betriebsräten immer wieder zu gerichtlichen Auseinandersetzungen, wie eine aktuelle Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Köln zeigt.

 

Arbeitgeberin schlägt Einigungsstellenvorsitzenden vor

Der Fall: Zwischen einer Arbeitgeberin und dem Betriebsrat war es zu einer Auseinandersetzung über die Regelung der Arbeitszeit sowie einer Überstundenregelung gekommen. Die Parteien einigten sich deshalb, die Einigungsstelle einzuschalten. Daraufhin schlug die Arbeitgeberin den von ihr bevorzugten Vorsitzenden vor. Zudem wurde hilfsweise noch eine weitere Person benannt. Über den Vorsitzenden konnten sich die Arbeitgeberin und der Betriebsrat allerdings letztlich nicht einigen. Deshalb landete die Angelegenheit vor Gericht.

Gericht entscheidet sich für Person aus Hilfsantrag

Das erstinstanzliche Gericht entschied, dass die im Hilfsantrag genannte Person Vorsitzender der Einigungsstelle werden sollte. Damit war die Arbeitgeberin nicht einverstanden. Sie wendete ein, dass das Gericht das ihm zustehende Ermessen bei der Entscheidung überschritten habe. Das begründete sie damit, dass das Gericht das aufgestellte Rangverhältnis zwischen dem Haupt- und dem Hilfsantrag missachtet habe.

Außerdem wies die Arbeitgeberin in ihrer Begründung darauf hin, dass die im Hauptantrag benannte Person geeigneter sei als die im Hilfsantrag genannte. Die erstgenannte Person habe bereits in einem früheren Einigungsstellenverfahren zur Arbeitszeit agiert. Sie habe deshalb ein Sonderwissen und kenne die Gegebenheiten des Betriebs.

Dem hielt der Betriebsrat entgegen, dass kein Vorsitzender bestellt werden dürfe, der sich bereits in einem früheren Einigungsstellenverfahren mit der zuvor getroffenen Regelung auseinandergesetzt habe.

Gericht hat nur eingeschränktes Ermessen

Die Entscheidung: Das LAG Köln urteilte in 2. Instanz, dass dem Gericht 1. Instanz bei der Besetzung des Einigungsstellenvorsitzes nur ein eingeschränktes Ermessen zustehe (LAG, Köln, 9.4.2018, Az. 9 TaBV 10/18). Und zwar in der Form, dass es bei der Bestellung des Einigungsstellenvorsitzenden – für den Fall, dass grundsätzlich eine geeignete Person vorgeschlagen wurde und von der anderen Partei keine oder keine nachvollziehbaren Einwände erhoben wurden – nur ein eingeschränktes Entscheidungsrecht hat.

Etwaige geäußerte Bedenken müssen nachvollziehbar sein. Allein der Einwand, dass ein Vorschlag von der anderen beteiligten Gruppe kommt, reicht nicht.

Unabhängigkeit ist ein Muss

Das Gericht stellte im Zusammenhang mit der Entscheidung noch einmal klar, dass die wichtigste Anforderung eines Einigungsstellenvorsitzenden seine Unabhängigkeit sei.

Wie eine Einigungsstelle gebildet wird

Nach § 74 Abs. 1 Satz 2 Betriebsverfassungsgesetz sind Sie gemeinsam mit Ihrem Arbeitgeber verpflichtet, strittige Fragen vorrangig durch Verhandlungen zu lösen. Aufgrund dieser Verhandlungspflicht kommt die Anrufung der Einigungsstelle grundsätzlich erst in Betracht, wenn zwischen Ihnen und Ihrem Arbeitgeber Verhandlungen stattgefunden haben und diese auch tatsächlich gescheitert sind. Ein Einigungsstellenverfahren darf deshalb nicht eingeleitet werden, ohne dass Sie und Ihr Arbeitgeber tatsächlich verhandelt haben.

Achtung: Manchmal kann Ihr Arbeitgeber die Bildung ablehnen

Den Versuch, sofort eine Einigungsstelle zu bilden, kann Ihr Arbeitgeber daher mit dem Verweis auf die vorrangige Verhandlungspflicht ablehnen (LAG Rheinland-Pfalz, 8.3.2012, Az. 11 TaBV 12/12).

Ist es nach solchen Verhandlungen sinnlos, weiter mit Ihrem Arbeitgeber zu diskutieren, können Sie als Betriebsrat in allen Angelegenheiten, die Ihrer Mitbestimmung unterliegen, die Errichtung einer Einigungsstelle beantragen. Um Ihnen den Antrag zu erleichtern, lesen Sie unten ein Muster zur Orientierung.

Muster-Schreiben: Antrag zur Bildung einer Einigungsstelle

Bildung einer Einigungsstelle in der Angelegenheit …

Sehr geehrte Frau …, / Sehr geehrter Herr …,

in den vergangenen Wochen ist es trotz intensiver Verhandlungen zwischen Ihnen und uns zu keiner Einigung in Bezug auf … gekommen. Nach dem letzten Verhandlungstag am … sind wir zu dem Schluss gekommen, dass eine Einigung nicht erreichbar erscheint.

Der Betriebsrat hat deshalb in seiner Sitzung am … beschlossen, die Verhandlungen zu … (Bezeichnung des Themas) für gescheitert zu erklären. Der Betriebsrat ruft die Einigungsstelle an. Als Vorsitzende/n schlagen wir Frau/Herrn … vor. Für die Beisitzer schlagen wir je Partei 2 Personen vor.

Sollten Sie sich nicht bis zum … zu unseren Vorschlägen äußern, wird der Betriebsrat beim Arbeitsgericht beantragen, die Einigungsstelle zu errichten. Wir hoffen, dass Sie unseren Vorschlägen zustimmen und wir in der Einigungsstelle nunmehr recht zügig zu einem für beide Seiten tragbaren Ergebnis kommen.

Mit freundlichen Grüßen


Unterschrift Betriebsratsvorsitzende(r)

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