Schwerbehinderte Menschen genießen einen besonderen Status. Bei deren Kündigung haben Sie als Arbeitgeber daher besondere Anforderungen zu berücksichtigen.
Der Fall: Ein Konstruktionsmechaniker wies zunächst einen anerkannten Grad der Behinderung (GdB) von 40 auf. Eines Tages sah sich sein Arbeitgeber dazu gezwungen, den Betrieb komplett stillzulegen und allen Arbeitnehmern zu kündigen, um ein Insolvenzverfahren zu vermeiden. Kurz bevor der Arbeitnehmer die Kündigung erhielt, stellte dieser angeblich einen Verschlimmerungsantrag, welcher ca. drei Monate später positiv beschieden wurde. Nun wurde ein GdB von 50 festgestellt. Laut Bescheid wurde dabei auf den 05.05.2014 als Eingangsdatum des Antrags abgestellt. Dabei wurden die folgenden Funktionsstörungen berücksichtigt: Herzerkrankung, Nierenfunktionseinschränkung, Funktionsstörung der Wirbelsäule, Ohrgeräusche, Schlafstörungen, Erschöpfungsdepression, Funktionsstörung der Zehen, Oberbauchbeschwerden und Schulterfunktionsstörung (links). Der Arbeitnehmer klagte gegen die Kündigung. Er hielt diese für nichtig, weil der Arbeitgeber das Integrationsamt vorher nicht einbezogen hatte. Es hätte einer Zustimmung des Integrationsamts bedurft, weil dieses später einen GdB von 50 festgestellt habe, was auf den Zeitpunkt des Verschlimmerungsantrags, der vor der Kündigung liege, zurückwirke.
Das Urteil: Das Landesarbeitsgericht (LAG) Rheinland-Pfalz wies die Klage ab. Die Kündigung sei nicht nichtig, weil es der Zustimmung des Integrationsamts nicht bedurft habe. Der Arbeitnehmer habe im Zeitpunkt der Kündigungserklärung am 29.04.2014 keinen Sonderkündigungsschutz als schwerbehinderter Mensch genossen. Der Antrag des Arbeitnehmers sei ausweislich des Bescheids erst am 05.05.2014 beim Versorgungsamt eingegangen und damit erst nach dem Zugang der Kündigung. Die Schwerbehinderung sei vor Ausspruch der Kündigung auch nicht offenkundig gewesen (LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.01.2017, Az.: 5 Sa 361/16).
Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) IX stellen die zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung regelmäßig zum Zeitpunkt der Antragstellung fest.
Bei Zugang der Kündigung muss
Im letzteren Fall muss nicht nur das Vorliegen einer oder mehrerer Beeinträchtigungen offenkundig sein, sondern auch, dass der Grad der Behinderung auf wenigstens 50 in einem Feststellungsverfahren festgesetzt würde. Dafür sprach im dargestellten Fall jedoch nichts. Der Arbeitnehmer hatte nicht einmal behauptet, dass seine Funktionsbeeinträchtigungen so erheblich waren oder sind, dass sie auch vom Arbeitgeber ohne sozialmedizinische Vorbildung als offensichtliche Schwerbehinderung wahrzunehmen und einzustufen waren. Die in den vorgelegten Bescheiden angeführten gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Arbeitnehmers wären jedenfalls nicht so auffallend gewesen, dass sie ohne Weiteres „ins Auge springen“.
In folgenden Bereichen gelten bei der Beschäftigung schwerbehinderter Mitarbeiter oder ihnen gleichgestellter Arbeitnehmer Sonderregelungen: