Ihr Arbeitgeber ist verpflichtet, Sie vor Ausspruch jeder Kündigung anzuhören, § 102 Abs. 1 Satz 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Diese Anhörung ist eines Ihrer wichtigsten Mitbestimmungsrechte. Schließlich geht es für Ihre von einer Kündigung bedrohten Kollegen einfach um alles. Unterläuft Ihrem Arbeitgeber dabei ein Fehler, kann das zur Unwirksamkeit der Kündigung führen. Zudem können Sie als Betriebsrat einer Kündigung widersprechen. Damit Sie sich gut für Ihre Kolleginnen und Kollegen einsetzen können, lesen Sie hier die Antworten auf die wichtigsten Fragen zu diesem Thema.
Ihr Arbeitgeber muss Sie als Betriebsrat vor jeder Kündigung anhören. Er muss Ihnen die Gründe für die Kündigung und viele andere Informationen mitteilen. Unterlässt er das bzw. unterrichtet er Sie nur lückenhaft, ist die Kündigung allein wegen der mangelhaften Betriebsratsanhörung unwirksam (§ 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG).
Achtung: Es gibt immer mal wieder Arbeitgeber, die es mit der Informationspflicht nicht so genau nehmen. Das ist kurzsichtig. Denn stellt sich im Nachhinein heraus, dass Ihr Arbeitgeber Sie bewusst falsch oder unvollständig unterrichtet hat, ist die Kündigung mangels ordnungsgemäßer Anhörung unwirksam.
Er muss Ihnen die Art der beabsichtigten Kündigung mitteilen, das heißt, ob es sich um eine verhaltens-, personen- oder betriebsbedingte Kündigung handelt und ob eine ordentliche oder eine fristlose bzw. beide Kündigungen (wenn die ordentliche Kündigung im Fall der außerordentlichen Kündigung hilfsweise erfolgen soll) ausgesprochen wird.
Sofern Ihr Arbeitgeber eine ordentliche Kündigung beabsichtigt, muss er den Termin angeben, zu dem die Kündigung erfolgen und wirksam werden soll (Kündigungszeitpunkt, Kündigungsfrist und Kündigungstermin).
Er muss Namen, Anschrift und Geburtsdatum jedes einzelnen zu kündigenden Arbeitnehmers angeben, sofern mehreren Beschäftigten gekündigt werden soll; auch einen eventuell bestehenden besonderen Kündigungsschutz muss er von sich aus erwähnen.
Bei betriebsbedingten Kündigungen muss Ihr Arbeitgeber Ihnen auch die Personal- und Sozialdaten, also die Dauer der Betriebszugehörigkeit, den Familienstand und die Anzahl der Kinder sowie Unterhaltsverpflichtungen etc., mitteilen; denn Sie müssen schließlich die Sozialauswahl nachvollziehen können.
Ihr Arbeitgeber muss Sie darüber hinaus über die Hintergründe der unternehmerischen Entscheidung informieren. Er muss sich insoweit ausführlich dazu äußern, warum eine Weiterbeschäftigung der Kollegin oder des Kollegen nicht möglich ist.
Darüber hinaus haben Sie ein Recht zu erfahren, wie und anhand welcher Kriterien er die soziale Auswahl vorgenommen hat. Und er muss Sie über die ausgeübte Tätigkeit des zu kündigenden Arbeitnehmers informieren.
Bei einer verhaltensbedingten Kündigung muss er Ihnen den Grund für die beabsichtigte Kündigung unter eingehender Darstellung des Fehlverhaltens und bisher erfolgter Abmahnungen mitteilen. Er muss dabei das Fehlverhalten unter genauer Angabe von Zeit und Ort schildern. Zudem muss er – aufgrund der Tatsache, dass eine wiederholte Abmahnung häufig Voraussetzung einer verhaltensbedingten Kündigung ist – darauf eingehen, warum eine solche nicht bzw. wann eine solche erfolgt ist. Prüfen Sie dabei auf jeden Fall, ob Ihr Arbeitgeber den Beschäftigten zunächst abgemahnt hat.
Bei einer personenbedingten Kündigung muss er Ihnen zudem mitteilen, welche Eigenschaft des Arbeitnehmers die Weiterbeschäftigung unmöglich macht und warum genau er sich nicht in der Lage sieht, das Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen. Und bei der personenbedingten Kündigung in Form der krankheitsbedingten Kündigung muss Ihr Arbeitgeber Sie über die möglichen wirtschaftlichen Belastungen und betrieblichen Beeinträchtigungen informieren, die durch die Fehlzeiten eingetreten sind und eventuell noch eintreten werden.
Achtung: Diese Informationen müssen so detailliert wie möglich sein. Ihr Arbeitgeber muss Ihnen mitteilen, warum er davon ausgeht, dass sich die eingetretene Situation in naher Zukunft nicht bessern wird. Zudem muss er beziffern, mit welchem wirtschaftlichen Schaden er konkret rechnet. Es reicht nicht aus, dass er Ihnen die Fehltage nennt und diese addiert.
Bei einer Änderungskündigung muss Ihr Arbeitgeber Ihnen neben den personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Gründen auch das unterbreitete Änderungsangebot mitteilen.
Achtung: Wenn die oder der Betroffene das Angebot nicht annimmt und stattdessen die Beendigungskündigung eintritt, muss der Arbeitgeber Sie laut Bundesarbeitsgericht (BAG) erneut dazu anhören (30.11.1989, Az. 2 AR 197/89).
Entscheidet er sich für eine Verdachtskündigung, muss er Ihnen erläutern, warum der Verdacht des strafbaren oder vertragswidrigen Verhaltens des Kollegen das Vertrauensverhältnis gestört hat und warum das Arbeitsverhältnis deshalb aufgelöst werden soll (BAG, 3.4.1986, Az. 2 AZR 324/85).
Ihr Arbeitgeber muss Ihnen alle Informationen geben, die zu einer fehlerfreien und lückenlosen Bewertung der Kündigung notwendig sind. Seine Informationen müssen so genau sein, dass Sie eine Stellungnahme abgeben können, ohne eigene Nachforschungen anstellen zu müssen.
Tipp: Um sich einen guten Gesamteindruck zu verschaffen, hören Sie in allen Fällen, in denen Sie sich nicht sicher sind, ob eine Kündigung gerechtfertigt ist, den betroffenen Kollegen an.
Ab Erhalt der Anhörungsunterlagen haben Sie – je nachdem, ob es sich um eine ordentliche oder eine außerordentliche Kündigung handelt – eine Woche (bei der ordentlichen Kündigung) bzw. 3 Tage (bei der außerordentlichen Kündigung) Zeit, eine Stellungnahme zu verfassen.
Tipp: Nehmen Sie sich die Ihnen eingeräumte Zeit. Denn Ihre Reaktion auf die Kündigung wird in einem eventuellen Kündigungsschutzprozess eine ganz entscheidende Rolle spielen.
Achten Sie bei einem Widerspruch vor allem auf die Begründung. Einige Betriebsräte machen den Fehler, dass sie sich mit ihrem Widerspruch nicht auf die in § 102 BetrVG genannten Gründe stützen.
Das sollten Sie allerdings tun. Denn nur, wenn Sie sich auf die im Gesetz genannten Gründe stützen, kann Ihr Widerspruch ordnungsgemäß sein und die für den Betroffenen positiven Rechtsfolgen auslösen. So entsteht nur bei einem ordnungsgemäß begründeten Widerspruch ein Weiterbeschäftigungsanspruch des Betroffenen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits.
Haben Sie einer Kündigung wirksam widersprochen und klagt der Kollege gegen die Kündigung, muss Ihr Arbeitgeber ihn nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiter beschäftigen, wenn der Kollege das verlangt.
Es ist nicht immer leicht für Sie, einen Widerspruch zu formulieren. Um Ihnen den nächsten Widerspruch zu erleichtern, lesen Sie im Folgenden einen Muster-Widerspruch zu Ihrer Orientierung:
Der Betriebsrat der …
An die Geschäftsleitung der … – im Hause –
Widerspruch gegen die beabsichtigte Kündigung von …
Sehr geehrte Frau …, / Sehr geehrter Herr …,
der Betriebsrat hat sich in seiner Sitzung am … mit der beabsichtigten Kündigung von … (Name des Arbeitnehmers) auseinandergesetzt. Er hat dabei beschlossen, der beabsichtigten Kündigung nach § 102 BetrVG zu widersprechen.
Begründung: Nach der am … in Kraft getretenen Betriebsvereinbarung ist vor dem Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung die Leiharbeit im Unternehmen zu beenden. Diese Regel wurde von Ihnen nicht eingehalten. Zurzeit befinden sich noch insgesamt … Leiharbeitnehmer im Betrieb. Die geplante Kündigung verstößt deshalb gegen die Betriebsvereinbarung.
Uns als Betriebsrat bleibt deshalb nichts anderes übrig, als gegen die Kündigung zu widersprechen.
Abgesehen vom Verstoß gegen die Betriebsvereinbarung bitten wir Sie zu berücksichtigen, dass in den kommenden Monaten einige befristete Arbeitsverhältnisse auslaufen. Auch insoweit sollte zunächst geprüft werden, ob durch eine Umverteilung der Arbeit Kündigungen vermieden werden können.
Der Betriebsrat bittet Sie ausdrücklich, die Kündigungsentscheidung noch einmal zu überdenken.
Freundliche Grüße
Unterschrift Betriebsratsvorsitzende(r)
Prüfpunkte:
Nur wenn Sie die einzelnen Punkte alle mit Ja abhaken können, hat Ihr Arbeitgeber Ihnen alle notwendigen Angaben mitgeteilt. Fehlen Ihnen noch Informationen, fordern Sie sie vom Arbeitgeber ein