Suchtkrankheiten machen auch vor den Werkstoren nicht halt. Verschiedene Institutionen gehen davon aus, dass es in Deutschland mindestens 1,7 Millionen Alkoholkranke gibt. Viele davon sind erwerbstätig und einige schaffen es auch nicht, ihren Alkoholkonsum am Arbeitsplatz zu unterlassen. Zudem gibt es noch viele andere Suchtmittel, die täglich eingenommen werden. Medikamente und Nikotin sind neben Alkohol am weitesten verbreitet. Die Folgen für Ihren Arbeitgeber liegen auf der Hand. Es entstehen Kosten durch erhöhte Arbeitsunfälle, vermehrte Produktionsausfälle und Qualitätsmängel durch die Verminderung der Denkleistung. Wie Sie dem entgegenwirken können, lesen Sie hier auf unseren heutigen Schwerpunktseiten.
Als Betriebsrat sollten Sie sich im Sinne Ihrer Kollegen und Ihres Arbeitgebers für umfassende Präventionsprogramme einsetzen. Das ist nicht immer einfach. Denn häufig reagieren die Arbeitgeber erst, wenn es schon fast zu spät ist. Dann versuchen sie häufig, durch entsprechende Verbote entgegenzuwirken.
Als Betriebsrat werden Sie in einem solchen Fall die sich dabei ergebenden Mitbestimmungsrechte möglichst zugunsten Ihrer Kolleginnen und Kollegen wahrnehmen wollen. Zudem wird es Ihnen ein Anliegen sein, die Betroffenen zu unterstützen.
Nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) haben Sie als Betriebsrat ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht, wenn es um Fragen der Ordnung des Betriebs geht. Dazu zählt auch die Einführung eines Alkoholverbots.
Denn zu den Ordnungsinstrumenten Ihres Arbeitgebers gehören alle Maßnahmen, die er zur Regelung und Sicherung eines ungestörten Arbeitsablaufs und der Gestaltung des Zusammenlebens und Zusammenwirkens Ihrer Kollegen im Betrieb treffen möchte. Er kann deshalb ein allgemeines Alkoholverbot im Betrieb nur mit Ihrer Zustimmung anordnen. Anders sieht es aus, wenn Ihr Arbeitgeber mit einem Arbeitnehmer ein Alkoholverbot einzelvertraglich vereinbart oder Ihre Zustimmung nicht gesetzlich vorgeschrieben ist.
Die meisten Arbeitgeber wollen ein absolutes Alkoholverbot verhängen, um Schlecht- und Fehlleistungen und dadurch passierende Unfälle zu vermeiden. Einige wollen sich dadurch allerdings auch etwas bessere Möglichkeiten schaffen, im Zweifel eine Kündigung auszusprechen.
Denn der Konsum von Alkohol und Drogen ist im Betrieb nicht per se verboten. Das ergibt sich aus dem Umkehrschluss von § 16 Abs. 2 der Berufsgenossenschaftlichen Vorschrift A1 „Grundsätze der Prävention“. Danach dürfen Sie und Ihre Kollegen sich auch ohne ein ausdrückliches Verbot durch den Konsum von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln nicht in einen Zustand versetzen, durch den Sie sich selbst oder andere gefährden könnten.
Eine Kündigung wegen Alkoholmissbrauchs könnte Ihr Arbeitgeber allerdings nur aussprechen, wenn der Missbrauch zu nachweisbaren Schlecht- oder Fehlleistungen eines Kollegen führt. Konsequenz ist, dass viele Arbeitgeber versuchen, sich durch den Ausspruch eines absoluten Alkoholverbots jeglichen Ärger zu ersparen.
Als Betriebsrat sollten Sie einem allgemeinen Alkoholverbot grundsätzlich offen gegenüberstehen. Denn konsumieren Ihre Kolleginnen und Kollegen am Arbeitsplatz alkoholhaltige Getränke, gefährden sie unter Umständen nicht nur sich, sondern auch die anderen Kollegen – ganz abgesehen von der Verursachung von Sachschäden.
Tipp: Absolutes Alkoholverbot vorschlagen. Je nach Situation in Ihrem Betrieb sollten Sie sogar überlegen, Ihrem Arbeitgeber selbst eine Regelung vorzuschlagen. Für ein absolutes Alkoholverbot sollten Sie sich vor allem einsetzen, wenn in Ihrem Betrieb auffällig viele Suchtgefährdete und -kranke arbeiten. Zudem ist es sinnvoll, wenn viele Arbeitnehmer mit gefährlichen Maschinen zu tun haben.
Eine betriebliche Regelung zum Thema Alkohol und Drogen oder auch ganz allgemein zur Sucht ist wichtig. Vollständig verhindern können Sie suchtbedingte Probleme dadurch aber meistens nicht. Deshalb müssen Sie mit Ihrem Arbeitgeber zusätzlich noch Präventionsmaßnahmen entwickeln. Diese sollten das Ziel haben, Ihre Kolleginnen und Kollegen möglichst vor Suchtkrankheiten zu bewahren. Zudem sollte es darum gehen, Ihren suchtkranken Kollegen möglichst schnell Hilfe von professioneller Seite zukommen zu lassen.
Bei den meisten Präventionsprogrammen haben Sie als Betriebsrat zwar keine Mitbestimmungsrechte. Denn in den seltensten Fällen ist dabei die Ordnung des Betriebs (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG) berührt. Allerdings wird Ihr Arbeitgeber bei diesem Thema gerne mit Ihnen zusammenarbeiten. Denn Sie als Betriebsrat haben zu vielen Kollegen ein besseres Verhältnis als er. Diese werden sich Ihnen deshalb eher anvertrauen und Hilfe auch eher annehmen.
Tipp: Freiwillige Betriebsvereinbarung schließen. Nach § 88 Nr. 1 BetrVG können Sie sich mit Ihrem Arbeitgeber auf zusätzliche Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen und Gesundheitsschädigungen im Wege einer freiwilligen Vereinbarung einigen. Darunter fallen auch Maßnahmen zur Suchtprävention. Ich empfehle Ihnen, Ihren Arbeitgeber vom Abschluss einer freiwilligen Betriebsvereinbarung zu überzeugen.
Damit aus suchtgefährdeten Kollegen möglichst nicht erst Suchtkranke werden, prüfen Sie am besten folgende vorbeugende Maßnahmen:
Aufklärungsaktionen mit Suchtexperten: Setzen Sie sich dafür ein, dass Ihr Arbeitgeber Aufklärungsaktionen mit Suchtexperten durchführt, z. B. mit Ex-Abhängigen, spezialisierten Ärzten oder Mitwirkenden bei den Anonymen Alkoholikern.
Workshops anbieten: Organisieren Sie Workshops zum Thema Sucht. Dabei sollten Sie auf jeden Fall mit Ihrem Arbeitgeber zusammenarbeiten. Zudem ist es auch hier sinnvoll, Experten hinzuzuziehen. Diese werden bessere Ideen haben, wie man sich dem Thema spielerisch und locker nähern kann.
Vertrauensbildende Maßnahmen nicht vergessen: Sorgen Sie zudem dafür, dass Ihr Arbeitgeber vertrauensbildende Maßnahmen ergreift, z. B. indem er auf einer Betriebsversammlung das betriebliche Hilfsprogramm vorstellt.
Integration des Risikos Sucht in die betriebliche Gefährdungsbeurteilung: Aus Sicht der Experten kann zudem eine konsequente Umsetzung der betrieblichen Gefährdungsbeurteilung die Suchtprävention fördern.
Betriebssicherheitsverordnung: Auch über diese Verordnung kann vor allem bei gefahrgeneigten Tätigkeiten im Unternehmen ein Bewusstsein für den Stellenwert von Suchtprävention geweckt werden. Ebenso erhöht ein ausgeprägtes betriebliches Risiko- und Qualitätsmanagement die Sensibilität Ihres Arbeitgeber und Ihrer Kollegen.
Tipp: Professionelle Hilfe anraten. Machen Sie sich immer wieder klar: Sie helfen Ihren suchtgefährdeten Kollegen nicht durch Mitleid und bloßen Zuspruch. Solche Verhaltensweisen werden eine Verhaltensänderung eher verhindern. Denn der Kollege wird sich in der Sicherheit wiegen, Ihre Akzeptanz sowieso zu haben. Ein bloßer Appell an das Gewissen wird bei Ihrem Kollegen zudem bestenfalls gute Vorsätze auslösen. Die konkrete Umsetzung wird aber eher ausbleiben. Es wird Ihnen daher dringend geraten, sich dafür einzusetzen, dass die Kollegen professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.
Führen Sie sich im Zweifel immer wieder vor Augen, dass die Betroffenen krank sind. Wer krank ist, benötigt oft einen Arzt und eine Umgebung, die ihm die Genesung erlaubt. Dass Betroffene diese erhalten, dafür sollten Sie als Betriebsrat sich einsetzen.
Liegt ein Alkoholproblem auf der Hand, sollten Sie gemeinsam mit Ihrem Arbeitgeber handeln. Denn schließlich ist es im Interesse aller, dass den Kolleginnen und Kollegen mit einem solchen Problem schnell geholfen wird. Gehen Sie dabei am besten in den folgenden 4 Schritten vor:
1. Schritt: Hinweis
Weisen Sie in einem gemeinsamen Gespräch auf das Problemverhalten hin.
2. Schritt: 2. Gespräch
Im Zweifelsfall führen Sie ein weiteres Gespräch, zu dem zusätzlich noch der Betriebsarzt geladen wird.
3. Schritt: 3. Gespräch – Abmahnung
Tritt keine Änderung ein, führen Sie ein 3. Gespräch mit dem Ziel, eine Besserung des Verhaltens zu erreichen. In der Regel spricht der Arbeitgeber dabei aber auch eine Abmahnung aus.
4. Schritt: BEM vorschlagen
Im Fall eines Rückfalls trotz Abmahnung schlagen Sie Ihrem Arbeitgeber die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) vor. Es kann aber sein, dass er sich bereits innerlich vom betroffenen Kollegen getrennt hat.
In puncto Suchtproblematik spielen neben Alkohol, Drogen und Medikamenten auch Zigaretten eine entscheidende Rolle. Dabei gefährden rauchende Arbeitnehmer ihre Kollegen mit. Und hier liegt das Problem, dessen Sie sich annehmen sollten.
Früher konnten Ihre nicht rauchenden Kollegen nur auf einen verständnisvollen Arbeitgeber und solche Kollegen hoffen, die es ihnen ersparten, dauernd im „blauen Dunst“ zu sitzen. Das hat sich geändert. Denn seit dem Jahr 2002 schreibt das Gesetz den Nichtraucherschutz am Arbeitsplatz vor (§ 3a Arbeitsstättenverordnung). Das heißt für Ihren Arbeitgeber: Er muss dafür Sorge tragen, dass nicht rauchende Beschäftigte an ihrem Arbeitsplatz vor den Gefahren des Tabakrauchs geschützt werden.
Tipp: Betriebsvereinbarung schließen. Als Betriebsrat können Sie Ihrem Arbeitgeber z. B. vorschlagen, dass er auf dem Betriebsgelände ein Raucherhäuschen aufstellt. Setzen Sie sich aber am besten für eine Betriebsvereinbarung zum Nichtraucherschutz ein, in der Sie klare Regelungen aufstellen.
Können Sie den überwiegenden Teil dieser Fragen mit Ja beantworten, sollten Sie den Kollegen etwas genauer unter die Lupe nehmen. Es spricht einiges dafür, dass er ein Suchtproblem hat. Bevor Sie es an die große Glocke hängen, sollten Sie mit ihm allein ein vertrauliches Gespräch führen. Denn Vorsicht: Auch andere Ursachen können für die genannten Verhaltensweisen sprechen. Nicht immer muss ein Suchtproblem die Verhaltensänderung ausgelöst haben.