19.02.2019

Benachteiligung von Beschäftigten mit Familienpflichten?

Nach wie vor ist es so, dass Beschäftigte mit Familien- und Pflegepflichten, in der Regel Frauen, Benachteiligungen im Erwerbsleben erfahren. Sie als Gleichstellungsbeauftragte sollten hierauf einen wachsamen Blick haben und gerade diese Personengruppe mit Ihren Möglichkeiten der Einflussnahme unterstützen. Welche Benachteiligungen das sind und wie Sie auf diese reagieren können, habe ich hier für Sie zusammengefasst. 

Fallstricke im Erwerbsleben dieser Beschäftigten 

Häufig können Beschäftigte mit Familienpflichten aufgrund der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nur in Teilzeit tätig werden, wenn sie neben der Erwerbstätigkeit Kinder zu versorgen oder aber pflegebedürftige Angehörige zu pflegen bzw. deren Pflege sicherzustellen haben. Eine gesellschaftlich wichtige und wertvolle Aufgabe und eine Doppel- bzw. Mehrfachbelastung, die im Erwerbsleben allerdings nicht hinreichend geschätzt wird. 

Im Gegenteil, häufig genug haben diese Beschäftigten enorme Nachteile in ihrer weiteren beruflichen Biografie und Karriere hinzunehmen. Bereits in den 1990er Jahren wurde z. B. in einer Studie der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt München festgestellt, dass Teilzeitbeschäftigte bei Beurteilungen signifikant schlechter abschneiden als Vollzeitbeschäftigte. 

Wo Fallstricke im Erwerbsleben der Beschäftigten mit Familienpflichten liegen können und wo mit etwaigen Diskriminierungen zu rechnen ist, haben wir Ihnen in der folgenden Übersicht zusammengestellt: 

Übersicht: Nachteile für Beschäftigte mit Familie 

  • Teilzeitbeschäftigte haben oft schlechtere Beurteilungen als Vollzeitbeschäftigte. 
  • Beschäftigte mit Familienpflichten werden oft deutlich später oder gar nicht befördert.
  • Familienfrauen verfügen oft nicht über die gleichen Informationen wie die übrigen Beschäftigten, da sie in der Dienststelle weniger präsent sind. 
  • Auszeiten wegen Familienpflichten führen häufig zu Qualifikationsverlusten, die in der Dienststelle nicht aufgefangen werden, beispielsweise durch Anpassungsschulungen. 

Arbeit in Teilzeit gleich Teilzeit-Engagement? 

Teilzeit-Arbeit bedeutet für viele Vorgesetzte auch heute immer noch ein Teilzeit-Engagement – ein weitverbreitetes Vorurteil, das sich nur schwer ausmerzen lässt. Dabei ist das Gegenteil der Fall: Wie neuere Studien gezeigt haben, sind insbesondere Teilzeitbeschäftigte in besonderer Weise effizient. Keineswegs stellen sie einen wirtschaftlichen Nachteil für die Unternehmen dar. 

Vielmehr ist der erwirtschaftete Nutzen häufig höher als bei einer Vollzeitbeschäftigten. Dies wird in der Praxis immer noch verkannt. Ebenso ignoriert wird die Tatsache, dass gerade durch die Übernahme von Familienpflichten besondere Fähigkeiten und Kompetenzen erworben werden, die sich nahezu in allen Berufen als vorteilhaft erweisen. In Seminaren höre ich immer wieder, dass gerade diese Fähigkeiten und Kompetenzen beispielsweise bei Einstellungen und Beförderungen nicht berücksichtigt werden, obgleich dies in den meisten Frauengleichstellungsgesetzen (z. B. in § 9 Bundesgleichstellungsgesetz) vorgesehen ist. 

Empfehlung: Weisen Sie darauf hin, dass durch Familienarbeit Kompetenzen erworben werden. Nutzen Sie Ihre Rechte und weisen Sie immer wieder darauf hin, dass durch die Übernahme von Familienpflichten bestimmte Kompetenzen, insbesondere soziale, erworben werden. Sie sollten als Gleichstellungsbeauftragte immer wieder darauf drängen, dass z. B. bei einer Einstellung oder Beförderung diese durch Familienarbeit regelmäßig erworbenen Kompetenzen auch tatsächlich berücksichtigt werden. 

Übersicht: Durch Familienarbeit erworbene Kompetenzen 

  • Organisationskompetenz 
  • soziale Kompetenz 
  • Empathiefähigkeit 
  • Konfliktlösungskompetenz 
  • Belastbarkeit 

Diskriminierung bei Beurteilungen 

Um sich Klarheit in Ihrer Dienststelle zu verschaffen, ob diese Beschäftigten bei Beurteilungen schlechter abschneiden als die übrigen Beschäftigten, sollten Sie sich die Beurteilungsstatistik geben lassen und überprüfen, wie hier die Beurteilungspraxis aussieht. Nutzen Sie gern das folgende Muster-Schreiben: 

Muster-Schreiben: Anforderung Beurteilungsstatistik 

Die Gleichstellungsbeauftragte im Hause 

An die Dienststellenleitung im Hause 

Beurteilungsstatistik 

Sehr geehrte Dienststellenleitung, 

immer wieder fällt mir auf, dass Frauen mit Familienpflichten bei Beurteilungen eher schlechter abschneiden. Jedenfalls erhält kaum eine dieser Frauen eine Spitzenbeurteilung. 

Um mir einen Überblick zu verschaffen, ob unsere Beurteilungspraxis tatsächlich auch diskriminierungsfrei ist, bitte ich Sie, mir eine Beurteilungsstatistik, unterteilt nach Frauen und Männern sowie nach Vollzeit- und Teilzeittätigkeit, zukommen zu lassen. 

Mit freundlichen Grüßen, die Gleichstellungsbeauftragte 

Regen Sie ggf. Schulungen an 

Kommen Sie zu dem Ergebnis, dass Beschäftigte mit Familienpflichten schlechter abschneiden als sonstige Beschäftigte, können Sie darauf hinwirken, dass die Beurteiler*innen zu der Thematik der geschlechtsspezifischen Beurteilung geschult werden. Diese haben hierdurch die Chance, mit ihren eigenen Vorurteilen bezüglich Familienarbeit und Teilzeitarbeit aufzuräumen. Vielen Beurteilenden ist das eigene Vorurteil gar nicht so bewusst. 

Arbeitsmenge muss reduziert werden 

Problematisch ist in der Praxis auch, dass bei einer Arbeitszeitreduzierung nicht unbedingt die Arbeitsmenge entsprechend reduziert wird. Auch dies wirkt sich häufig negativ auf die Beurteilung aus. Achten Sie darauf, dass die Arbeitsmenge auch entsprechend der Arbeitszeitreduzierung verringert wird. 

Teilzeitarbeit in Führungspositionen 

Hartnäckig hält sich immer noch das Vorurteil, Führung ließe sich nicht mit Teilzeitarbeit oder Elternteilzeit vereinbaren. Auch dies sollte heute obsolet sein. Es gibt hinreichend Beispiele in der Praxis, dass gerade auch Führungsfunktionen sehr gut in Teilzeit wahrgenommen werden können. 

Familienbedingte Unterbrechungen führen zu Nachteilen 

Bei Beförderungen und beruflichem Aufstieg spielt weiterhin eine Rolle, dass Frauen aufgrund von Unterbrechungen durch die Familienarbeit und auch Elternzeit über weniger Zeiten der aktiven Beschäftigung verfügen. 

Nur notwendige Zeiten der Berufserfahrung zulassen 

Sollten bei Ihnen Beförderungsstellen an eine bestimmte Dauer der Betriebszugehörigkeit bzw. Anzahl an Jahren der Berufserfahrung anknüpfen, denken Sie im Rahmen der Ausschreibung immer daran, dass sich dies für diese Beschäftigten negativ auswirken kann. Drängen Sie darauf, dass die ausschlaggebenden bzw. geforderten Zeiten der Berufserfahrung nicht zu lang gewählt werden, sondern sich auf das absolut Notwendige beschränken. So haben auch diese Beschäftigten die Möglichkeit, sich auf Beförderungsstellen zu bewerben. 

Lassen Sie keine verbotenen Fragen zu 

Nach den rechtlichen Vorgaben sind im öffentlichen Dienst wie auch in der Privatwirtschaft Fragen verboten, die im Zusammenhang mit Kinderbetreuung, der Pflege von pflegebedürftigen Angehörigen, dem Wunsch nach Arbeitszeitreduzierung etc. stehen. Die Praxis zeigt aber immer wieder, dass dennoch – wenn auch versteckt – versucht wird, hierüber Aufschluss zu erhalten. 

Empfehlung: Nutzen Sie auch hier Ihre Rechte. Sollten Sie in Vorstellungsgesprächen feststellen, dass eine solche unzulässige Frage gestellt wird, bitten Sie die fragende Person, die Frage zurückzunehmen, da diese unzulässig ist. 

Wirken Sie Informationsdefiziten entgegen 

In vielen Unternehmen orientiert sich die Arbeitsrealität immer noch am Bild des vollzeitbeschäftigten (männlichen) Arbeitnehmers. Dies hat zur Folge, dass vielfach Besprechungen und Sitzungen eher am späten Nachmittag stattfinden. 

Beschäftigte, die in Teilzeit arbeiten, können regelmäßig an diesen Besprechungen und Meetings nicht teilnehmen, da sie außerhalb ihrer Arbeitszeit liegen. Sie haben daher häufig Informationsdefizite, selbst wenn sie Protokolle dieser Sitzungen erhalten. 

Hinzu kommt, dass Teilzeitbeschäftigte durch solch eine Unternehmenskultur daran gehindert werden, für sich wichtige Netzwerke zu knüpfen und chancengleich am Erwerbsleben teilzunehmen. 

Empfehlung: Meetings während der Arbeitszeit aller Beschäftigten. Drängen Sie als Gleichstellungsbeauftragte darauf, dass Besprechungen, Meetings etc. in der Arbeitszeit aller Beschäftigten liegen, also auch in der Zeit, in der Teilzeitbeschäftigte an diesen Veranstaltungen teilnehmen können. Das ist meistens der späte Vormittag oder frühe Nachmittag. 

Prüfen Sie eine etwaige Diskriminierung 

Sollten Sie als Gleichstellungsbeauftragte allerdings erfolglos sein mit Ihren Anregungen, so können Sie im Einzelfall immer auch überprüfen, ob hier eine mittelbare Diskriminierung dieser Beschäftigten vorliegt. Die folgende Checkliste erleichtert Ihnen die Überprüfung einer mittelbaren Diskriminierung: 

Checkliste: Liegt eine mittelbare Diskriminierung vor? 

1. Handelt es sich bei der Vorschrift, den Kriterien oder dem Verfahren um ein neutrales Verfahren? 

2. Benachteiligt dies Teilzeitbeschäftigte oder andere Beschäftigte mit Familienpflichten? 

3. Gibt es keinen sachlichen Grund, der diese Benachteiligung rechtfertigen kann? 

Können Sie alle Fragen mit Ja beantworten, liegt eine mittelbare Diskriminierung nahe. 

Wenn Sie mit dem vorstehenden Prüfschema feststellen, dass eine mittelbare Diskriminierung von Beschäftigten in Ihrer Dienststelle gegeben sein könnte, sprechen Sie zunächst die Verantwortlichen in Ihrer Dienststelle darauf an. Bei der mittelbaren Diskriminierung handelt es sich schließlich um eine eher subtile Form der Diskriminierung, die vielen Verantwortlichen gar nicht bewusst ist und für die erst einmal Bewusstheit geweckt werden muss. Machen Sie hier deutlich, dass mittelbare Benachteiligungen Schadenersatz und Entschädigungsansprüche gemäß § 15 Abs. 1 und 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz nach sich ziehen können. 

Hilft aber das bloße Ansprechen nicht weiter, sollten Sie aktiv werden und von Ihren Vetorechten Gebrauch machen. Die mittelbare Benachteiligung ist ein Verstoß gegen Gleichstellungsrecht und berechtigt Sie nach den meisten Frauengleichstellungsgesetzten zu einem Veto. 

Fazit: Unterstützen Sie Beschäftigte mit Familienpflichten 

Beschäftigte mit Familienpflichten haben vielfältige Nachteile in Kauf zu nehmen. Nutzen Sie Ihre Rechte, um diese Beschäftigtengruppe zu unterstützen. 

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