29.05.2017

Wiedereingliederung – so funktioniert sie richtig

Bei langzeiterkrankten Mitarbeitern wird sehr schnell an ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) gedacht. Es gibt aber auch ein anderes System zur Rückführung in die Arbeitsfähigkeit: eine Wiedereingliederung nach § 74 Sozialgesetzbuch V. Schritt für Schritt soll der Beschäftigte zurück ins Arbeitsleben.

Das sind die Voraussetzungen der Wiedereingliederung

Die schrittweise Wiedereingliederung eines langzeiterkrankten Mitarbeiters ist unter folgenden Voraussetzungen möglich:

1. Der Mitarbeiter ist während der Maßnahme weiterhin arbeitsunfähig

Für ihn besteht noch ein Geldleistungsanspruch gegenüber der Krankenkasse oder einem Rehabilitationsträger (z. B. Kranken- oder Übergangsgeld). An eine Wiedereingliederung wird dann gedacht, wenn arbeitsunfähige Mitarbeiter ihre bisherige Tätigkeit nach ärztlicher Feststellung teilweise wieder ausüben können. Diese eingeschränkte Arbeitsfähigkeit soll genutzt werden, um sie stufenweise wieder in den Arbeitsprozess einzugliedern.

Für die gesamte Dauer des Wiedereingliederungsverfahrens gilt der Mitarbeiter aber als arbeitsunfähig, mit der Konsequenz, dass er keinen Arbeitslohn, sondern Entgeltfortzahlung erhält. Sofern die Arbeitsunfähigkeit über den Entgeltfortzahlungszeitraum hinaus besteht, hat der betroffene Mitarbeiter dann nur noch einen Anspruch auf Krankengeld der Krankenkasse. Der Mitarbeiter gilt aber auf keinen Fall durch die Arbeitsaufnahme als wieder gesundgeschrieben.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) erkennt die stufenweise Wiedereingliederung nicht als Arbeitsverhältnis an. Das heißt für Sie als Personalrat, dass es sich auch um keine personelle Einzelmaßnahme im Sinne des § 75 Bundespersonalvertretungsgesetz handelt. Folglich haben Sie bei der Entscheidung über die Wiedereingliederung keine Mitbestimmungsrechte!

Wichtig

Eine Entgeltzahlung Ihrer Dienststellenleitung, ist während des Krankengeldbezugs freiwillig. Bei aller Freude über die Zahlung sollte Ihr Kollege hier immer genau nachrechnen. Denn die freiwillige Leistung kann zu einer Kürzung des Krankengeldes für den Mitarbeiter führen. Er sollte sicherstellen, was für ihn günstiger ist.

Laufen diese Geldleistungen aus und läuft die Wiedereingliederung noch, muss sie abgebrochen werden. Denn der Entgeltersatz ist Voraussetzung für die Maßnahme.

2. Dienststellenleitung und Ihr Mitarbeiter erklären sich mit der Maßnahme einverstanden

Wie das BEM kann auch die Wiedereingliederung nur durchgeführt werden, wenn der Beschäftigte dies auch möchte. Sie ist also freiwillig. Daneben muss auch die Krankenkasse zustimmen. Die sträubt sich in der Regel aber nicht. Denn ein gesunder Arbeitnehmer verursacht auch ihr weniger Kosten, zahlt aber schön brav seine Beiträge ein. Es gibt jedoch gravierende Unterschiede:

Kein Rechtsanspruch auf Wiedereingliederung

Ein BEM muss Ihre Dienststellenleitung anbieten. Ihr Kollege hat aber keinen Rechtsanspruch auf die Durchführung des Wiedereingliederungsverfahrens. Das heißt, Ihr Dienstherr kann dieses Verfahren auch ablehnen und darauf bestehen, dass der Mitarbeiter erst dann wieder am Arbeitsplatz erscheint, wenn er vollständig arbeitsfähig ist.

Unser Tipp

Bietet Ihre Dienststellenleitung ihrem Mitarbeiter eine Wiedereingliederung an, würde ich mich an seiner Stelle darauf einlassen. Und auch Sie sollten Ihrem Kollegen zur Wiedereingliederung raten. Denn kommt es später doch mal zu einer krankheitsbedingten Kündigung, verschlechtert der Mitarbeiter bei Ablehnung seine Chancen im Kündigungsrechtsstreit. Denn die Ablehnung zeigt, dass ihm nicht an der Erhaltung des Arbeitsplatzes gelegen ist.

Wenn der Dienstherr eine Wiedereingliederung nicht anbietet und es dann zu einer krankheitsbedingten Kündigung und einer Kündigungsschutzklage kommt, hat er seine Chancen verschlechtert. Denn er hat nicht alle milderen Mittel vor der Kündigung ausgeschöpft.

3. Der Arzt stellt einen Wiedereingliederungsplan auf

Ohne Plan muss sich Ihre Dienststellenleitung nicht auf eine Wiedereingliederung einlassen. Das hat das BAG so entschieden (13.6.2006, Az. 9 AZR 229/05). Der Mitarbeiter muss von seinem behandelnden Arzt einen Wiedereingliederungsplan vorlegen, der die folgenden Punkte enthält:

  • Beginn und Ende des Stufenplans • nähere Angaben zu den einzelnen Stufen (insbesondere Art und Dauer)
  • voraussichtlicher Zeitpunkt der Wiederherstellung der vollen Arbeitsfähigkeit
  • Rücktrittsrechte und -gründe hinsichtlich der Maßnahme • zu vermeidende Tätigkeiten und Belastungen
  • flankierende Maßnahmen am Arbeitsplatz

4. Der Mitarbeiter wird am bisherigen Arbeitsplatz eingesetzt

Ihr Kollege soll auf seinem Arbeitsplatz eingegliedert werden, nicht auf einem anderen. Eine Wiedereingliederung kann z. B. durch ständige oder zeitbezogene Arbeitszeitreduzierung oder Veränderung bzw. Umbau des Arbeitsplatzes erfolgen. Bei der stufenweisen Wiedereingliederung werden auch die Stufen bezeichnet: Stufe 1 – 3 Stunden Arbeit, Stufe 2 – 5 Stunden … Getroffen werden ähnliche Maßnahmen, wie Sie sie auch schon vom BEM kennen. Insofern kommt also nichts wirklich Neues auf Sie zu, was ja auch ganz angenehm ist.

Keine Wiedereingliederung für privat Versicherte

Das Wiedereingliederungsverfahren gibt es nur für Ihre Kollegen in der gesetzlichen Krankenversicherung. Privat versicherten Arbeitnehmern bleibt nur das BEM. Die Wiedereingliederung ist aber nicht an eine bestimmte Krankheitsdauer gebunden wie das BEM. Beim BEM muss der Arbeitnehmer ja 6 Wochen im Jahr erkrankt gewesen sein.

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