31.05.2017

Ihre Mitbestimmungsrechte bei der Kündigung von Auszubildenden

Egal, ob Diebstähle, Beleidigungen oder unentschuldigtes Fehlen: Junge Menschen sind häufig noch nicht so pflichtbewusst wie ältere und viel risikofreudiger. Deshalb benötigen sie einen besonderen Schutz, der ihnen durch das Berufsbildungsgesetz (BBiG) auch gegeben wird. Zudem haben auch Sie als Personalrat sowie die Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) schützend Ihre Hand über Auszubildende zu halten. Wenn es aber doch einmal zu einer Kündigung kommt, sollten Sie stets up to date sein.

Ein Berufsausbildungsverhältnis beginnt nach § 20 BBiG mit einer Probezeit. Sie muss mindestens einen Monat und darf höchstens 4 Monate betragen. Während der Probezeit kann ein Ausbildungsverhältnis von beiden Seiten ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist und ohne Angabe von Gründen schriftlich gekündigt werden. Geregelt ist dies in § 15 Abs. 1 und 3 BBiG.

Ganz schutzlos sind Auszubildende jedoch auch nicht gestellt, da Ihr Dienstherr einen sozialen Mindestschutz stets beachten muss. Dies zeigt auch ein Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) Saarlouis, das zwar eine Arbeitnehmerin betraf, jedoch genauso auf Auszubildende anzuwenden ist:

Ein Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis gleich am ersten Tag innerhalb der Probezeit, weil die Arbeitnehmerin vor Arbeitsbeginn und außerhalb des Betriebs eine Zigarette geraucht hatte. Die Arbeitnehmerin erhob Klage gegen die Kündigung und gewann. Das Rauchen vor Arbeitsbeginn und außerhalb des Betriebs ist reine Privatsache. Die Kündigung verstoße gegen Treu und Glauben. Arbeitgeber und damit natürlich auch Ihr Dienstherr müssen das Persönlichkeitsrecht, die allgemeine Handlungsfreiheit und auch die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers und Auszubildenden beachten (ArbG Saarlouis, 28.5.2013, Az. 1 Ca 375/12).

Personalrat aktuell - arbeitsrecht.org

Tarifvertrag für Auszubildende des öffentlichen Dienstes
Auszubildende in Verwaltungen und Betrieben, die gewerkschaftlich organisiert sind, können den Regelungen des Tarifvertrags für Auszubildende des öffentlichen Dienstes (TVAöD) unterliegen. Hinsichtlich der Kündigung ergeben sich gegenüber den gesetzlichen Regelungen allerdings kaum Besonderheiten.

Die fristlose Kündigung in Theorie und Praxis
Nach Ablauf der Probezeit kann Ihr Dienstherr ein Ausbildungsverhältnis nur noch außerordentlich kündigen. Der Kündigungsgrund kann dabei in einem wiederholten Verstoß des Auszubildenden gegen seine Pflichten aus dem Berufsausbildungsverhältnis bestehen, zum Beispiel: Ein Auszubildender schwänzt trotz Ermahnungen immer wieder den Berufsschulunterricht. Es kann sich aber auch um Störungen aus dem Vertrauensbereich handeln, die auch bei anderen Kollegen eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen würden, wie zum Beispiel:

  • ausländerfeindliche Äußerungen
  • Verweigerung der geschuldeten Arbeitsleistung
  • Straftaten zulasten der Dienststelle
  • Straftaten oder Belästigungen unter Arbeitskollegen
  • Tätlichkeiten
  • mehrfache erhebliche Urlaubsüberschreitung
  • Verletzung der Verschwiegenheitspflicht

Auch bei einer außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung eines Auszubildenden hat Ihr Dienstherr stets eine Interessenabwägung vorzunehmen. In aller Regel muss er als milderes Mittel vor der Kündigung eine Abmahnung aussprechen.

Achtung: strenge Anforderungen
An die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung eines Ausbildungsverhältnisses werden generell sehr strenge Maßstäbe gestellt. Dabei gilt im Rahmen der Interessenabwägung: Je näher der Auszubildende an der Abschlussprüfung ist, desto schwieriger wird die Kündigung.

Wichtig: 2-Wochen-Frist
Ihr Dienstherr ist nur zu einer Kündigung berechtigt, wenn ihm die Kündigungsgründe nicht länger als 2 Wochen bekannt sind. Ist ein Güteverfahren vor einem Schlichtungsausschuss vorgesehen, wird die Frist bis zu dessen Beendigung gehemmt.

Das sagen die Gerichte
Hier nun einige Urteile von Landesarbeitsgerichten (LAG) und ArbG zu außerordentlichen Kündigungen von Auszubildenden nach der Probezeit durch den Ausbilder:

LAG Hamm, 10.10.2012, Az. 3 Sa 644/12
Der Arbeitgeber betrieb ein Unternehmen für Internetdienstleistungen und erstellte unter anderem Facebook-Profile für Kunden. Auf dem privaten Facebook-Profil eines Auszubildenden fand sich unter der Rubrik „Arbeitgeber“ folgende Eintragung: „Arbeitgeber: menschenschinder & Ausbeuter Leibeigener?? Bochum, dämliche Scheiße für Mindestlohn –20 % erledigen.“ Aufgrund dieses Eintrags kündigte der Arbeitgeber und das LAG Hamm bestätigte diese Kündigung. Sie war rechtmäßig.

ArbG Düsseldorf, 28.8.2011, Az. 7 Ca 2591/11
Eine Auszubildende hatte auf ihrem Facebook-Profil „Ab zum Arzt und dann Koffer packen“ gepostet. Sie holte sich eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und flog dann nach Mallorca. Und was sie dort machte, zeigte sie auch auf Facebook: in der Disco feiern und eine Tätowierung stechen lassen. Der Arbeitgeber kündigte ihr fristlos – und die Auszubildende kündigte ebenfalls. Jetzt ging es vor Gericht noch darum, ob die fristlose Kündigung des Arbeitgebers rechtmäßig war. Denn im Gegensatz zu der Auszubildenden dürfte der Arbeitgeber nach der Probezeit nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes kündigen. In dem entschiedenen Fall erhielt die Auszubildende sogar noch einen kleinen Geldbetrag – denn schließlich hatte sie ja auch gekündigt.

Merke: Es ist – nicht nur für Auszubildende – einfach gefährlich, zu viel von sich auf Facebook preiszugeben!

LAG Rheinland-Pfalz, 25.4.2013, Az. 10 Sa 518/12
In diesem Fall erhielt der gekündigte Auszubildende recht: Ein Ausbilder kann das Ausbildungsverhältnis nicht mit der pauschalen Behauptung fristlos beenden, der Auszubildende werde wegen seiner schlechten Leistungen mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Abschlussprüfung versagen. Vielmehr ergibt der Umkehrschluss aus § 21 Abs. 3 BBiG, wonach sich das Berufsausbildungsverhältnis auf Verlangen des Auszubildenden bis zur nächstmöglichen Wiederholungsprüfung verlängert, genau das Gegenteil.

ArbG Magdeburg, 7.9.2011, Az. 3 Ca 1640/11
Ein Auszubildender hatte 11 volle Kalendertage seinen Blockunterricht in der Berufsschule nicht mehr besucht. Unstreitig war er nicht unverschuldet verhindert, insbesondere nicht erkrankt. Bis zum Zugang der Kündigung hatte er seine Arbeitgeberin auch nicht hierüber, geschweige denn über die Gründe informiert. Er hatte damit über einen längeren Zeitraum hinweg gegen seine in den betreffenden Zeiten an die Stelle der Arbeitspflicht tretende arbeitsvertragliche Verpflichtung zum Berufsschulbesuch verstoßen, also eine Hauptleistungspflicht nicht erbracht.

Darüber hinaus hatte er zumindest in Kauf genommen, aufgrund dort eventuell bestehender Unkenntnis dennoch von der Arbeitgeberin für die Zeit entlohnt zu werden. Im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ist ein solches Verhalten regelmäßig auch ohne vorherige Abmahnung an sich geeignet, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darzustellen.

Diese weiteren Kündigungsgründe hat die Rechtsprechung anerkannt

  • Nicht- oder verspätete Vorlage der Berichtshefte (LAG Frankfurt, 3.11.1997, Az. 16 Sa 657/97)
  • wiederholte Verbreitung neonazistischer Thesen (LAG Köln, 11.8.1995, Az. 12 Sa 426/95)
  • ausländerfeindliche Äußerungen (LAG Berlin, 22.10.1997, Az. 13 Sa 110/97)

Der Dienstherr hat den Kündigungsschutz zu beachten
Wie bereits gezeigt, ist nach Ablauf der Probezeit eine ordentliche Kündigung grundsätzlich unzulässig. Dieser Ausschluss kann auch nicht durch den Berufsausbildungsvertrag abbedungen werden. Deshalb scheidet auch der allgemeine Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz für Auszubildende aus. Er ist schlicht und ergreifend nicht erforderlich.

Anders sieht es allerdings mit dem besonderen Kündigungsschutz aus. Das gilt insbesondere für schwangere oder schwerbehinderte Auszubildende. In diesen Fällen ist eine behördliche Zustimmung zur Kündigung erforderlich, im Fall einer Schwerbehinderung nach 6 Monaten Zugehörigkeit zur Dienststelle.

Besondere Formalien bei der Kündigung Auszubildender
Die Form der Kündigung eines Berufsausbildungsvertrags ist recht kompliziert geregelt. Das sind die 3 Grundsätze, die sich sowohl im BBiG als auch im TVöD wiederfinden:

  1. Während der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis von beiden Parteien schriftlich ohne Angabe eines Grundes gekündigt werden.
  2. Nach der Probezeit kann eine Kündigung vom Ausbildenden nur aus einem wichtigen Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist schriftlich unter Angabe der Kündigungsgründe erfolgen.
  3. Nach Ablauf der Probezeit kann der Auszubildende mit einer Kündigungsfrist von 4 Wochen kündigen, wenn er die Berufsausbildung aufgibt oder sich für eine andere Berufstätigkeit ausbilden lassen will. Auch er muss die Kündigungsgründe angeben.

Ihre Anhörung als Personalrat
Auch wenn die Auszubildenden in der Probezeit noch keinen Kündigungsschutz genießen, hat Ihr Dienstherr auf jeden Fall die Bestimmungen der Personalvertretungsgesetze zu beachten. Sie sind als Personalrat vor jeder Kündigung anzuhören. Das gilt für Kündigungen gegenüber Auszubildenden – auch in der Probezeit. Ihr Dienstherr muss Ihnen detailliert die ihm bekannten Sozialdaten und die Gründe für die Kündigung mitteilen. Andernfalls ist die Kündigung unwirksam.

Falls Sie als Personalrat gegen eine ordentliche Kündigung Bedenken haben, müssen Sie diese unter Angabe der Gründe schriftlich mitteilen. Die Frist für Ihre Mitteilung ist in den einzelnen Personalvertretungsgesetzen unterschiedlich geregelt. Meistens gilt für außerordentliche Kündigungen eine kurze Frist von 3 Tagen! Äußern Sie sich nicht, gilt Ihre Zustimmung zur Kündigung als erteilt.

Die Kündigung, Versetzung und Abordnung von JAV-Mitgliedern
Nach § 62 Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) in Verbindung mit § 47 BPersVG ist vor der außerordentlichen Kündigung bei einer Versetzung oder Abordnung von Mitgliedern der JAV die Zustimmung des Personalrats erforderlich!

Schritt-für-Schritt-Anleitung für Personalräte bei einer beabsichtigten Kündigung eines Auszubildenden

  • Schritt: Suchen Sie das Gespräch mit dem betroffenen Auszubildenden.
  • Schritt: Klären Sie, ob es sich um eine Kündigung in der Probezeit handelt. Dann ist ein Kündigungsgrund für den Dienstherrn ohnehin nicht erforderlich.
  • Schritt: Handelt es sich um eine Kündigung außerhalb der Probezeit, versuchen Sie, den Sachverhalt möglichst umfassend aufzuklären. Liegen tatsächlich Kündigungsgründe vor?
  • Schritt: Prüfen Sie die Formalien, insbesondere ob die Kündigung ordnungsgemäß begründet wurde und die 2-Wochen-Frist ab Kenntnis der Kündigungsgründe eingehalten wurde.
  • Schritt: Beraten Sie im Gremium, ob die fristlose Kündigung tatsächlich das richtige Mittel ist. Stets stellt sich die Frage, ob eine Abmahnung nicht auch ausreichend sein könnte.
  • Schritt: Beraten Sie den Auszubildenden, wie es mit ihm weitergeht. Informieren Sie ihn insbesondere über seine rechtlichen Möglichkeiten, das Arbeitsgericht anzurufen, und die 3-wöchige Ausschlussfrist!

 

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