30.05.2017

Kündigung von Auszubildenden: Der Personalrat bestimmt mit

Beleidigungen, Diebstähle, unentschuldigtes Fehlen – gerade Auszubildende lassen häufig nichts aus. Andererseits benötigen gerade junge Menschen Ihren Schutz als Personalrat. Lesen Sie, wie die Kündigung von Auszubildenden vor und nach der Probezeit abzulaufen hat, welche Einflussmöglichkeiten Sie als Personalrat haben und wie die Gerichte urteilen.

Ein Berufsausbildungsverhältnis beginnt nach § 20 Berufsbildungsgesetz (BBiG) mit einer Probezeit. Sie muss mindestens 1 Monat und darf höchstens 4 Monate betragen. Während der Probezeit kann das Ausbildungsverhältnis vom Dienstherrn und Auszubildenden ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist und ohne Angabe von Gründen schriftlich gekündigt werden (§ 15 Abs. 1 und 3 BBiG). Ein zeitlich begrenzter Kündigungsschutz während der Probezeit im Ausbildungsverhältnis liegt laut Bundesarbeitsgericht weder im Interesse des Auszubildenden noch im Interesse des Ausbildenden (16.12.2004, Az. 6 AZR 127/04).

Ganz schutzlos sind Auszubildende jedoch auch nicht gestellt, da Ihr Dienstherr einen sozialen Mindestschutz stets beachten muss. Dies zeigt auch ein Urteil des Arbeitsgerichts (ArbG) Saarlouis: Einer Arbeitnehmerin war am ersten Arbeitstag gekündigt worden, weil sie vor der Arbeitszeit eine Zigarette geraucht hatte (28.5.2013, Az. 1 Ca 375/12). Die Kündigung war unwirksam – trotz Probezeit.

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Die Kündigung nach der Probezeit

Nach Ablauf der Probezeit kann Ihr Dienstherr das Ausbildungsverhältnis nur noch außerordentlich kündigen (§ 15 BBiG). Der Kündigungsgrund kann dabei in einem wiederholten Verstoß des Auszubildenden gegen seine Pflichten aus dem Berufsausbildungsverhältnis bestehen. Beispiel: Ein Auszubildender schwänzt trotz Abmahnungen wiederholt den Berufsschulunterricht.

Es kann sich aber auch um Störungen aus dem Vertrauensbereich handeln, die auch bei anderen Kollegen eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen würden. Mögliche Kündigungsgründe:

  • ausländerfeindliche Äußerungen
  • Verweigerung der geschuldeten Arbeitsleistung
  • Straftaten zulasten des Dienstherrn
  • Straftaten oder Belästigungen unter Arbeitskollegen
  • Tätlichkeiten
  • Urlaubsüberschreitung
  • Verletzung der Verschwiegenheitspflicht

Auch bei einer außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung eines Auszubildenden hat Ihr Dienstherr stets eine Interessenabwägung vorzunehmen. In aller Regel muss er als milderes Mittel vor der Kündigung eine Abmahnung aussprechen.

Achtung:

An die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung eines Ausbildungsverhältnisses werden generell sehr strenge Maßstäbe angelegt. Dabei gilt im Rahmen der Interessenabwägung: Je näher der Auszubildende an der Abschlussprüfung ist, desto schwieriger wird die Kündigung.

Wichtig:

Ihr Dienstherr ist nur zu einer Kündigung berechtigt, wenn ihm die Kündigungsgründe nicht länger als 2 Wochen bekannt sind. Ist ein Güteverfahren vor einem Schlichtungsausschuss vorgesehen, wird die Frist bis zu dessen Beendigung gehemmt.

Aktuelle Fälle

Hier einige aktuelle Fälle zu außerordentlichen Kündigungen von Auszubildenden nach der Probezeit durch den Ausbilder:

Facebook I – Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm (10.10.2012, Az. 3 Sa 644/12): Der Arbeitgeber betrieb ein Unternehmen für Internetdienstleistungen und erstellte unter anderem Facebook- Profile für Kunden. Auf dem privaten Facebook-Profil eines Auszubildenden fand sich unter die Rubrik „Arbeitgeber“ folgende Eintragung: „Arbeitgeber: Menschenschinder & Ausbeuter, Leibeigener?? Bochum dämliche Scheiße für Mindestlohn –20 % erledigen.“

Aufgrund dieses Eintrags kündigte der Arbeitgeber das Ausbildungsverhältnis und das LAG Hamm bestätigte diese Kündigung. Sie war rechtmäßig.

Facebook II – ArbG Düsseldorf (28.8.2011, Az. 7 Ca 2591/11): Eine Auszubildende hatte auf ihrem Facebook-Profil „Ab zum Arzt und dann Koffer packen“ gepostet. Genauso ging sie auch vor. Sie holte sich die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und flog dann nach Mallorca. Und was sie dort machte, zeigte sie auch auf Facebook: in der Disco feiern und sich eine Tätowierung stechen lassen.

Der Arbeitgeber kündigte fristlos – und die Auszubildende kündigte ebenfalls. Jetzt ging es vor Gericht noch darum, ob die fristlose Kündigung des Arbeitgebers rechtmäßig war. Denn im Gegensatz zu der Auszubildenden durfte der Arbeitgeber nach der Probezeit nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes kündigen. In dem entschiedenen Fall erhielt die Auszubildende noch einen kleinen Geldbetrag – denn schließlich hatte sie selbst auch gekündigt.

Es ist einfach gefährlich, alles von sich auf Facebook preiszugeben!

Schlechte Leistungen – LAG Rheinland-Pfalz (25.4.2013, Az. 10 Sa 518/12): Ein Ausbilder kann das Ausbildungsverhältnis nicht mit der pauschalen Behauptung fristlos beenden, der Auszubildende werde wegen seiner schlechten Leistungen mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Abschlussprüfung versagen. Vielmehr ergibt der Umkehrschluss aus § 21 Abs. 3 BBiG, wonach sich das Berufsausbildungsverhältnis auf Verlangen des Auszubildenden bis zur nächstmöglichen Wiederholungsprüfung verlängert, genau das Gegenteil.

Unentschuldigtes Fehlen – ArbG Magdeburg (7.9.2011, Az. 3 Ca 1640/11): Ein Auszubildender hatte 11 volle Kalendertage seinen Blockunterricht in der Berufsschule nicht mehr besucht. Unstreitig war er nicht unverschuldet verhindert, insbesondere nicht erkrankt. Er hatte bis zum Zugang der Kündigung seine Arbeitgeberin auch nicht hierüber, geschweige denn über die Gründe informiert. Damit hatte er über einen längeren Zeitraum hinweg gegen seine in den betreffenden Zeiten an die Stelle der Arbeitspflicht tretende arbeitsvertragliche Verpflichtung zum Berufsschulbesuch verstoßen, also eine Hauptleistungspflicht nicht erbracht.

Darüber hinaus hatte er zumindest in Kauf genommen, aufgrund dort eventuell bestehender Unkenntnis dennoch von der Arbeitgeberin entlohnt zu werden. Im Rahmen eines Ausbildungsverhältnisses ist ein solches Verhalten – regelmäßig auch ohne vorherige Abmahnung – an sich geeignet, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darzustellen.

Schadensersatzanspruch

Stets sollten Sie als Personalrat Ihre Auszubildenden darauf hinweisen, dass sie bei einer Beendigung des Ausbildungsverhältnisses nach der Probezeit Schadensersatz nach § 23 BBiG verlangen können, wenn der Dienstherr den Grund für die Auflösung zu vertreten hat. Dieser Anspruch muss innerhalb von 3 Monaten nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses geltend gemacht werden.

Dienstherr hat Kündigungsschutz zu beachten

Der allgemeine Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz ist für Auszubildende wegen des Ausschlusses der ordentlichen Kündigung nach der Probezeit nicht erforderlich. Anders sieht es allerdings mit dem besonderen Kündigungsschutz aus. Das gilt insbesondere für schwangere Auszubildende, die den Kündigungsschutz nach § 9 Mutterschutzgesetz genießen. Dieser findet auch während der Probezeit Anwendung, sodass in diesem Fall die zuständige Behörde vor der Kündigung ihre Zustimmung erteilen muss.

Nach § 85 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch muss vor der Kündigung eines schwerbehinderten Auszubildenden die Zustimmung des Integrationsamtes eingeholt werden. Hier gibt es allerdings eine 6-monatige Wartezeit. Der Kündigungsschutz greift also erst, wenn der Auszubildende 6 Monate beschäftigt ist.

Arbeitsgerichtsprozess

Obwohl Ihr Arbeitgeber vielleicht mit Ausspruch der Kündigung alles richtig gemacht hat, steht es jedem gekündigten Auszubildenden frei, die Kündigung arbeitsgerichtlich überprüfen zu lassen. Eine solche Klage muss allerdings binnen 3 Wochen nach Zugang der Kündigung erhoben werden.

Achtung: Schlichtungsausschuss

Bei Berufsbildungsverhältnissen gibt es allerdings eine Besonderheit. Zu beachten ist hier § 111 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz. Danach kann bei Streitigkeiten zwischen Ausbildendem und Auszubildendem ein Schlichtungsausschuss gebildet werden. Die Gefahr besteht darin, dass im Vorfeld nicht immer klar ist, ob es einen solchen Ausschuss wirklich gibt und wie er zu erreichen ist.

Tipp:

In privatrechtlich organisierten Betrieben bringt eine Rückfrage bei der zuständigen Innung oder der Industrie- und Handelskammer häufig Klarheit.

Die 3 Grundsätze bei der Kündigung von Auszubildenden

  1. Während der Probezeit kann das Berufsausbildungsverhältnis von beiden Parteien schriftlich ohne Angabe eines Grundes gekündigt werden.
  2. Nach der Probezeit kann eine Kündigung vom Ausbildenden nur aus einem wichtigen Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist schriftlich und unter Angabe der Kündigungsgründe erfolgen.
  3. Nach Ablauf der Probezeit kann der Auszubildende mit einer Kündigungsfrist von 4 Wochen kündigen, wenn er die Berufsausbildung aufgibt oder sich für eine andere Berufstätigkeit ausbilden lassen will. Auch er muss die Kündigungsgründe angeben.

Ganz wichtig: Ihre Anhörung als Personalrat

Auch wenn die Auszubildenden in der Probezeit noch keinen Kündigungsschutz genießen, hat Ihr Dienstherr auf jeden Fall die Bestimmungen der Personalvertretungsgesetze zu beachten. Sie sind als Personalrat nach § 79 Bundespersonalvertretungsgesetz vor jeder Kündigung zu beteiligen. Das gilt ebenso für Kündigungen gegenüber Auszubildenden – auch in der Probezeit. Ihr Dienstherr hat Ihnen detailliert die ihm bekannten Sozialdaten und die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Andernfalls ist die Kündigung unwirksam.

Falls Sie als Personalrat gegen eine außerordentliche Kündigung Bedenken haben, müssen Sie diese unter Angabe der Gründe spätestens innerhalb von 3 Arbeitstagen schriftlich mitteilen. Andernfalls gilt Ihre Zustimmung zur Kündigung als erteilt.

Praktische Handlungsempfehlung für Personalräte
Gehen Sie bei einer beabsichtigten Kündigung eines Auszubildenden folgendermaßen vor:

  1. Schritt: Suchen Sie das Gespräch mit dem betroffenen Auszubildenden.
  2. Schritt: Klären Sie, ob es sich um eine Kündigung in der Probezeit handelt. Dann ist ein Kündigungsgrund für den Arbeitgeber ohnehin nicht erforderlich.
  3. Schritt: Handelt es sich um eine Kündigung außerhalb der Probezeit, versuchen Sie, den Sachverhalt möglichst aufzuklären. Liegen tatsächlich stichhaltige Kündigungsgründe vor?
  4. Schritt: Prüfen Sie die Formalien, insbesondere ob die Kündigung ordnungsgemäß begründet und die 2-Wochen-Frist ab Kenntnis der Kündigungsgründe eingehalten wurde.
  5. Schritt: Beraten Sie im Gremium, ob die fristlose Kündigung tatsächlich das richtige Mittel ist. Stets stellt sich die Frage, ob eine Abmahnung nicht auch ausreichend sein könnte.
  6. Schritt: Beraten Sie den Auszubildenden, wie es mit ihm weitergeht. Informieren Sie ihn insbesondere über seine rechtlichen Möglichkeiten, den Schlichtungsausschuss und das Arbeitsgericht anzurufen.

 

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