31.05.2016

Wann Sie Ihre Arbeitspflicht vernachlässigen dürfen

Personalratsamt ist Ehrenamt. Diesen Satz haben Sie sicher schon oft gehört. Obwohl Ihre Personalratstätigkeit arbeitsreich ist, erhalten Sie hierfür keine zusätzliche Vergütung. Sie müssen Ihr Amt ehrenamtlich ausüben, § 46 Abs. 1 Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG). Aber müssen Sie wirklich alles neben Ihrer Arbeit machen? Nein – unter Umständen werden Sie freigestellt. Wann genau, das lesen Sie hier.

Freistellung zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Personalratsaufgaben
Ihr Dienstherr muss Sie zur ordnungsgemäßen Erfüllung Ihrer Personalratstätigkeit von Ihrer Dienstpflicht freistellen, § 46 Abs. 3 Satz 1 BPersVG. Hiermit ist aber keine dauerhafte Freistellung gemeint, sondern nur eine temporäre.

Beispiel: Ihre Sprechstunden sollen ja in der Arbeitszeit stattfinden, denn nur so können Sie möglichst viele Kollegen erreichen. Also sind Sie für die Sprechstunden freizustellen.
Durch die Freistellung darf Ihnen kein Nachteil entstehen: keine Nacharbeit, keine Überstunden. Denken Sie hier neben den Sprechstunden noch an die Zeit, die Sie für Ihre Sitzungen benötigen.

Im BPersVG ist auch ein Automatismus verankert: Ab einer bestimmten Größe sind automatisch Personalräte freizustellen. Wie viele, legt § 46 Abs. 3 BPersVG fest.

 

Übersicht: Zahl der freizustellenden Personalräte

1 Freistellung – bei 300 bis 600 Beschäftigten
2 Freistellungen – bei 601 bis 1.000 Beschäftigten
3 Freistellungen – bei 1.001 bis 2.000 Beschäftigten
4 Freistellungen – bei 2.001 bis 3.000 Beschäftigten
5 Freistellungen – bei 3.001 bis 4.000 Beschäftigten
6 Freistellungen – bei 4.001 bis 5.000 Beschäftigten
7 Freistellungen – bei 5.001 bis 6.000 Beschäftigten
8 Freistellungen – bei 6.001 bis 7.000 Beschäftigten
9 Freistellungen – bei 7.001 bis 8.000 Beschäftigten
10 Freistellungen – bei 8.001 bis 9.000 Beschäftigten
11 Freistellungen – bei 9.001 bis 10.000 Beschäftigten
für je angefangene 2.000 weitere Beschäftigte 1 Mitglied

 

Freistellung zur Teilnahme an Schulungen
Ihr Dienstherr muss Sie außerdem für die Teilnahme an erforderlichen Schulungsveranstaltungen freistellen, § 46 Abs. 6 BPersVG.

Eine Schulungsmaßnahme ist dann erforderlich, wenn die Kenntnisse unter Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse in der Dienststelle notwendig sind, damit Sie als Personalrat die gegenwärtigen oder in naher Zukunft anstehenden Aufgaben sach- und fachgerecht erfüllen können, also

  • Grundkenntnisse des Personalvertretungsrechts und allgemeinen Arbeitsrechts,
  • ausreichende Kenntnisse in tariflichen Fragen,
  • aber auch Spezialkenntnisse oder besondere Vertiefung von Grundkenntnissen, wenn sie zur konkreten Aufgabenerfüllung des Personalrats notwendig sind.

Gehen Sie diplomatisch vor, wenn Sie Ihren Freistellungsanspruch zu Schulungszwecken einfordern. Wählen Sie Veranstaltungen über Themen, zu denen Sie noch keine Schulung genossen haben, oder schicken Sie ein Mitglied auf ein Seminar, das noch gar keine Schulung erhalten hat. So bekommt Ihr Dienstherr nicht das Gefühl, dass Sie zu viel von ihm verlangen.

Tipp: Seien Sie vorsichtig, wenn Ihre Dienststellenleitung Ihr Budget am Anfang des Jahres schon festlegen möchte. Ihre Ausgaben sind nicht planbar – Sie wissen zu Beginn eines Jahres ja noch gar nicht, welcher Bedarf entsteht, welche Streitigkeiten Sie mit dem Dienstherrn ausfechten müssen etc. Zwingt dieser Sie dazu, mit einem Budget zu haushalten, behindert er Ihre Tätigkeit.
Achten Sie darauf, dass Sie nur erforderliche Schulungsthemen wählen. Sonst bleiben Sie auf Ihren Kosten sitzen. Nicht als erforderlich anerkannt wurden bis jetzt:

  • „Lernen, wie man lernt“
  • „Macht und Herrschaft in der industriellen Gesellschaft der Gegenwart“
  • „Wesen und Bedeutung der Massenmedien: Manipulation oder meinungsbildender Faktor unserer Zeit“
  • „Grundzüge und Kritik der kapitalistischen Wirtschaftsordnung“
  • „Arbeitnehmer in der industriellen Gesellschaft“
  • „Wirtschaft und Politik“ mit den Themen: „Wirtschaftsordnung als Gegenstand politischer Entscheidungen – Das neoliberale Wirtschaftssystem – Die politische Macht der Konzerne“
  • „Krise und gewerkschaftliche Politik“
  • „Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung“
  • „Lebens- undArbeitsbedingungen bei unseren holländischen Nachbarn“

 

Welche Personalratsmitglieder haben Anspruch auf eine Schulung?
Sachbedarf – das eine leidige Thema, wenn es um die Dinge geht, die Ihre Dienststellenleitung Ihnen stellen muss. Das andere leidige Thema sind die Schulungen. Wer darf wann? Das Bundesverwaltungsgericht hat zumindest, was die Grundkenntnisse im Arbeits- und Dienstrecht angeht, Licht ins Dunkel gebracht (14.6.2006, Az. 6 P 13.05).

Personalräte müssen danach über Grundkenntnisse im Arbeitsrecht verfügen, da sie sonst ihr Mandat nicht effektiv wahrnehmen können. Werden entsprechende Kenntnisse nicht in einer Grundschulung zum Personalvertretungsrecht vermittelt, dann muss der Dienstherr eine Schulung finanzieren, die Grundkenntnisse zum Arbeitsrecht vermittelt.

Tipp: Möchte einer Ihrer Gremiumskollegen eine Schulung „Arbeitsrecht“ besuchen, dann prüfen Sie zunächst, ob er schon eine Schulung besucht hat und, wenn ja, mit welchem Inhalt. Denn nur wenn diese Schulung das Thema Arbeitsrecht nicht mitbehandelt hat, muss Ihr Dienstherr Ihrem Personalratskollegen die Schulung „Arbeitsrecht“ finanzieren.

Wichtig: Machen Sie sich das Leben nicht unnötig schwer: Suchen Sie sich nicht einfach nur eine Schulung zu den Grundkenntnissen im Arbeitsrecht, sondern eine Schulung, die sowohl Kenntnisse im Personalvertretungsrecht als auch Kenntnisse im Arbeitsrecht vermittelt. So schlagen Sie 2 Fliegen mit einer Klappe: Sie decken 2 Themen ab und auch Ihr Dienstherr wird die Schulung eher hinnehmen, wenn er nur „Personalvertretungsrecht“ hört.

Überzeugen Sie Ihren Dienstherrn etwas mit folgenden Argumenten: 

  • Das Mitglied ist neu im Personalrat und hat noch keine 
Grundschulung genossen.
  • Die Kollegen haben zwar schon Schulungen gehabt, aber 
zu Spezialthemen. Sie können den neuen Kollegen also auch nicht unterweisen. 
Haben Sie solche Argumente, dann beschließen Sie die Teilnahme und teilen Sie Ihren Beschluss Ihrem Dienstherrn mit.

 

Muster-Beschluss: Schulungsteilnahme 


Beschluss des Personalrats

Der Personalrat der Dienststelle … hat auf seiner Sitzung am … beschlossen, das Personalratsmitglied … in der Zeit vom … bis … zur Teilnahme am Seminar der … zu dem Thema … in … zu entsenden.

Begründung: Die Schulung befasst sich mit dem Thema Datenschutz, insbesondere mit der geplanten Novelle des Datenschutzrechts. Da zum einen kein Mitglied des Personalrats je im Datenschutz geschult wurde, sich im letzten Jahr aber allein 5 Fragestellungen zum Thema herauskristallisiert haben, ist eine Schulung erforderlich.

Vorsorglich benennt der Personalrat das Personalratsmitglied … als Ersatzteilnehmer(in).

Ort, Datum, Unterschrift

Um die Kostenübernahme bei Ihrem Dienstherrn zu beantragen, fügen Sie einfach den folgenden Textbaustein über die Unterschrift ein:

Da es sich hierbei um eine Schulungsveranstaltung handelt, die für die Personalratsarbeit erforderliche Kenntnisse vermittelt, ist die Dienststelle verpflichtet, das Arbeitsentgelt während der Seminarzeit fortzuzahlen und die anfallenden Kosten zu erstatten. Die Ausschreibung des Seminars mit Angaben zu den Kostenarten und der Höhe der anfallenden Kosten sowie der Themenplan liegen diesem Schreiben bei.

 

Wann Sie einen Rechtsanwalt einschalten dürfen
Das Personalvertretungsrecht und auch das Arbeitsrecht sind sehr umfassend und oft genug kommt es auf das kleinste Detail an. Nicht jede Frage können Sie als Personalrat mithilfe von Internet oder Literatur lösen. Dann muss ein Sachverständiger ran. Diesen muss Ihre Dienststelle bezahlen, wenn die Einschaltung erforderlich war (§ 44 Abs. 1 Satz 1 BPersVG).

  • Nach dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts (18.1.2006, Az. 7 ABR 25/05) ist die Kostenübernahme an folgende Voraussetzungen geknüpft:
    Sie müssen in Wahrnehmung Ihrer personalvertretungsrechtlichen Rechte die Beauftragung für erforderlich halten dürfen.
  • Zudem muss die Beauftragung aufgrund eines ordnungsgemäßen Personalratsbeschlusses geschehen.

Ablehnen kann Ihre Dienststellenleitung die Kostentragung der Anwaltsgebühren, wenn

  • die Beauftragung des Anwalts mutwillig oder von vornherein aussichtslos ist,
  • die Beauftragung eine geklärte Rechtsfrage betrifft.

Ablehnen kann sie außerdem, wenn die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nicht notwendig ist, weil

  • Sie den Rechtsschutz Ihrer Gewerkschaft beanspruchen 
können,
  • der Anwalt nur gegen Stundenhonorar arbeitet,
  • es sich nicht um einen ortsansässigen Anwalt handelt.

Um schlussendlich nicht auf Ihren Kosten sitzen zu bleiben, treten Sie vor der Einschaltung des Sachverständigen an Ihre Dienststellenleitung heran und verlangen Sie die Kostenübernahme. Machen Sie sich vorher eine schriftliche Aufstellung darüber,

  • dass Sie in Wahrnehmung eines Rechts als Personalrat handeln,
  • warum die Beauftragung erforderlich ist (Besteht Anwaltszwang? Können Sie die Frage nicht mit Ihren Kommentaren … lösen?),
  • das sein ordnungsgemäßer Beschluss zur Beauftragung gefasste wurde. 
Diese Notizen können Sie dem Dienststellenleiter vorlegen, wenn er die Kostenübernahme verweigert. Und wenn Sie auf die Kostenübernahme klagen müssen, können Sie Ihre Aufstellung als Beweis im Prozess vorlegen. So überzeugen Sie den Richter!

Tipp: Versuchen Sie, sooft es geht, Ihre Fragestellungen allein zu lösen. Holen Sie Sachverständige wirklich nur dann ins Boot, wenn es sich um eine schwierige Frage handelt, die Sie nicht allein klären können. Wenn Sie Sachverständige inflationär beauftragen, dann wird Ihre Dienststellenleitung bald auf stur stellen und grundsätzlich behaupten, die verursachten Kosten seien nicht erforderlich gewesen.

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