30.06.2021

Betriebliches Eingliederungsmanagement bei schwerbehinderten Menschen

Obwohl die gesetzliche Pflicht zum Angebot eines BEM für alle Arbeitnehmer mit entsprechenden Krankheitszeiten und bei allen Arbeitgebern gilt, hat es für schwerbehinderte Menschen noch eine ganz besondere Bedeutung zur Abwehr krankheits- und behinderungsbedingter Arbeitsplatzrisiken. Im BEM sind nämlich die besonderen Rechte der schwerbehinderten Menschen aus § 81 Abs. 4 SGB IX auf umfassend behinderungsgerechte Beschäftigung zu beachten und zu nutzen.
Es gehört auch in Ihre besondere Verantwortung als Schwerbehindertenvertretung, dass Sie im BEM diesen Anspruch geltend machen und sich für seine Einlösung engagieren.

Chancen und Risiken des BEM

Gelingt es, im BEM einen für den Arbeitgeber und den schwerbehinderten Menschen zumutbaren Vorschlag zur Überwindung der erhöhten Arbeitsunfähigkeiten zu entwickeln, so ist in aller Regel die Weiterbeschäftigung gerettet. Eventuelle spätere Kündigungsversuche des Arbeitgebers haben dann kaum Erfolgschancen. Wird im BEM keine derartige Lösung gefunden, erhöhen sich die Chancen späterer Kündigungsversuche allerdings erheblich.

Praxistipp:
Sie tragen im BEM hohe Verantwortung für die Sicherung des gefährdeten Arbeitsverhältnisses Ihrer schwer -behinderten Kolleginnen und Kollegen. Versuchen Sie deshalb, stets alle Mittel und Wege – intern und extern – zur Entwicklung tragfähiger Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auszuschöpfen. Beteiligen Sie notfalls Betriebsarzt, Integrationsamt und Rehabilitationsträger entsprechend § 84 Abs. 2 SGB IX am Prozess!

Ihre BEM-Aufgaben im Überblick

Über diese 3 Aufgabenblöcke hinaus, die sich bei schwerbehinderten Menschen ergeben, können Ihnen auch noch Beratungsaufgaben nach § 95 Abs. 1 Satz 3 SGB IX zufallen für Kollegen, die nicht schwerbehindert sind. Da Ihre Beteiligung an deren BEM-Gesprächen gesetzlich nicht vorgesehen ist, kommt es zu diesen Beratungen allerdings nur, wenn Sie deswegen angesprochen werden – zum Beispiel durch den Betriebs-/Personalrat.

Es kann für nicht behinderte Teilnehmer am BEM ein Antrag auf Feststellung einer Behinderung fällig werden, bei dem Ihre Unterstützung benötigt wird. Für behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 30 oder 40 kann im Einzelfall Ihre Unterstützung bei einem Gleichstellungsantrag gebraucht werden, um eine behinderungsbedingte Arbeitsplatzgefährdung abzuwehren oder einen behinderungsgerechten Arbeitsplatz zu erlangen.

Was können Sie als Schwerbehindertenvertretung bewirken?

Für schwerbehinderte Menschen kann im BEM eine weiter gehende – behinderungsgerechte – Arbeitsanpassung durchgesetzt werden als für nicht schwerbehinderte Menschen. Die Verpflichtung des Arbeitgebers aus § 81 Abs. 4 SGB IX kann hier sehr umfassend wirken. Schwerbehinderte Menschen haben danach das Recht auf behinderungsgerechte Beschäftigungsbedingungen, volle Verwertung ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse sowie auf deren Weiterentwicklung.

Bei der Verwirklichung dieses Rechts kommt Ihnen als Schwerbehindertenvertretung eine hohe Mitverantwortung zu. Sie können bei der Entwicklung von konkreten Vorschlägen helfen oder wenigstens für die Herbeiziehung geeigneter Dritter sorgen. Dies können das Integrationsamt und/oder seine Integrationsfachdienste sein, die Rentenversicherung oder ein anderer Rehabilitationsträger.

Jedes BEM ist in seinen Einzelheiten und speziellen Herausforderungen anders. Einem Teil der Fälle muss sich im Betrieb etwas ändern, bei anderen sind Maßnahmen der Rehabilitation erforderlich oder eine Veränderung im Verhalten des Arbeitnehmers.

Praxistipp:
Sie brauchen Zeit für Ihr Engagement. BEM-Prozesse können recht zeitfressend werden. Versuchen Sie, durch Aufzeichnung Ihrer eigenen fallbezogen investierten Zeit sich eine Planungsgrundlage für den Zeitaufwand zu erarbeiten, den diese Aufgabe auslöst.

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