30.06.2021

SBV: Das sind Ihre Beteiligungsrechte bei Bewerbungsgesprächen

Ihr Recht im Rahmen von Bewerbungsgesprächen ist in §§ 81 Abs. 1, § 95 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) IX geregelt. Liegen Bewerbungen schwerbehinderter Menschen vor, hat die Schwerbehindertenvertretung das Recht auf Einsicht in die entscheidungsrelevanten Teile der Bewerbungsunterlagen und auf Teilnahme an Vorstellungsgesprächen.

Die Bewerbung eines schwerbehinderten Menschen ist die rechtliche Voraussetzung für Ihre Beteiligung als Schwerbehindertenvertretung. Wenn der Arbeitgeber das Ende der Bewerbungsfrist nicht abwartet, sondern schon vorher erste Bewerbungsgespräche führt, können Probleme entstehen.

Dies ist immer dann der Fall, wenn sich zunächst keine schwerbehinderten Menschen bewerben, die Bewerbungsgespräche ohne Ihre Beteiligung gestartet werden und dann doch noch eine Bewerbung einer oder eines Schwerbehinderten eingeht. Genau solch einen Fall hatte das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) im letzten Jahr zu entscheiden (17.3.2016, Az. 9 TaBV 128/15).

Verdeckte Auswahlgespräche vor Bewerbungsende

In einem Rechtsstreit zwischen einem Arbeitgeber und der Schwerbehindertenvertretung war die Praxis strittig, dass vom Arbeitgeber bei internen Bewerbungen verdeckte Auswahlgespräche schon vor Ende der Bewerbungsfrist unter der Bezeichnung „Evaluation“ geführt wurden. Wenn bis zum Zeitpunkt dieser Gespräche keine Bewerbung eines schwerbehinderten Menschen vorlag, wurde die Schwerbehindertenvertretung nicht beteiligt. Auch wenn später noch die Bewerbung eines schwerbehinderten oder gleichgestellten Kandidaten einging, fand keine Nachbesserung statt. Die Schwerbehindertenvertretung klagte gegen diese Einschränkung ihrer Rechte.

So urteilte das LAG Hessen

Das LAG Hessen gab ihr in wichtigen Punkten recht. Das Verfahren vorgezogener Auswahlgespräche ohne Schwerbehindertenvertretung ist bei endgültiger Bewerberlage mit schwerbehinderten oder gleichgestellten Bewerbern nicht rechtmäßig. In der Begründung bezieht sich das Gericht sowohl auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) als auch auf Begründungen der einschlägigen Vorschriften aus § 95 Abs. 2 SGB IX im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens.

Nach § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX muss Ihr Arbeitgeber Sie als Schwerbehindertenvertretung in allen Angelegenheiten, die einen einzelnen oder die schwerbehinderten Menschen als Gruppe berühren, unverzüglich und umfassend unterrichten. Danach steht Ihnen ein Unterrichtungs- und Anhörungsrecht zu, wenn sich ein schwerbehinderter oder ein ihm gleichgestellter Mensch um eine Stelle bewirbt.

Sie als SBV sollen schwerbehinderte Bewerber vor Benachteiligung im Bewerbungsverfahren schützen. Diese Rechte gehen aus § 81 Abs. 2 Satz 1 SGB IX hervor (BAG, 17.8.2010, Az. 9 ABR 83/09). Das Unterrichtungs- und Anhörungsrecht umfasst auch die Teilnahme am Auswahlverfahren.

Der Gesetzgeber hat die Unterrichtungs- und Anhörungspflichten in § 81 Abs. 1 Satz 4, 7, 8 und 9 SGB IX in Verbindung mit § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX näher ausgestaltet. Hierzu führt das BAG in einer weiteren Entscheidung (15.10.2014, Az. 7 ABR 71/12) ausdrücklich aus:

Danach ist die Schwerbehindertenvertretung von Anfang an in das Auswahlverfahren einzubeziehen, um den Schutz vor Benachteiligung im Bewerbungsverfahren zu gewährleisten. Sie soll an der Willensbildung des Arbeitgebers mitwirken. Dazu stehen ihr das Recht auf Einsicht in die entscheidungserheblichen Teile der Bewerbungsunterlagen und das Recht auf Teilnahme an Vorstellungsgesprächen zu.

Die Einbeziehung der Schwerbehindertenvertretung in das Auswahlverfahren „von Anfang an“ erfährt dieses Verständnis auch in der Literatur. So wird davon ausgegangen, dass man die Vorschrift des § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX nur so auslegen kann, dass die Schwerbehindertenvertretung berechtigt und verpflichtet ist, am gesamten Bewerbungsverfahren teilzunehmen, wenn es schwerbehinderte Bewerber gibt.

Mein Tipp: Achten Sie auf die genaue Einhaltung Ihrer Rechte bei Stellenbesetzungen. Sie können das einfach anhand der nachstehenden Checkliste prüfen. Im Zweifel lohnt sich der Weg zum Arbeitsgericht. Die Rechtsprechung ist voll auf Ihrer Seite.

Anhand der folgenden Punkte können Sie als Schwerbehindertenvertretung leicht überprüfen, ob Ihre Rechte bei der Stellenbesetzung eingehalten werden:

  1. Haben Sie nach § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX eine Einsicht in die entscheidungsrelevanten Teile der Bewerbungsunterlagen erhalten?
  2. Wurde Ihnen nach § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX die Teilnahme an allen Bewerbungsgesprächen im Stellenbesetzungsverfahren mit schwerbehinderten Bewerbern gewährt?
  3. Hat Ihr Arbeitgeber Sie als SBV nach § 95 Abs. 2 Satz 1 SGB IX vor der Entscheidung angehört?

Weitere Beiträge zu diesem Thema

 

23.10.2017
Neues Arbeitsverhältnis – Muss ich die letzten 3 Gehaltsabrechnungen vorlegen?

Ein Arbeitnehmer hat einen neuen Job. Bevor er den Vertrag unterschreiben kann, fordert ihn der neue Arbeitgeber auf, die letzten 3 Lohnabrechnungen des alten Arbeitgebers vorzulegen. Darf er das? Und muss der Arbeitnehmer dem... Mehr lesen

23.10.2017
Kosten einer Kündigungsschutzklage

Frage: „Was kostet eine Kündigungsschutzklage vor Gericht? Ich arbeite seit 1,5 Jahren in einer Firma, die 6 Filialen in Deutschland hat. In unserer Filiale haben wir zu Dritt gearbeitet.   Mehr lesen

23.10.2017
Sperrung von Pausen- und Umkleideraum

Ein Betriebsrat berichtete mir von einer „Erziehungsmaßnahme“ des Arbeitgebers, die wirklich unglaublich ist. Da es dem Arbeitgeber auf Toilette und im Pausenraum zu unordentlich war, hat er diese beiden Räume auf... Mehr lesen