26.04.2017

Warum jetzt Inklusionsvereinbarung?

Schon nach geltendem Recht hatte der Arbeitgeber mit der Schwerbehindertenvertretung und dem Betriebsrat eine verbindliche Integrationsvereinbarung zu schließen, § 83 Sozialgesetzbuch (SGB) IX. Die Integrationsvereinbarung enthält Regelungen für die betriebliche Eingliederung schwerbehinderter Menschen. Wichtige Themen sind unter anderem Personalplanung, Arbeitsplatzgestaltung, Gestaltung des Arbeitsumfelds, Arbeitsorganisation, Arbeitszeit sowie Regelungen über die Durchführung des SGB IX in den Betrieben und Dienststellen (§ 83 Abs. 2 SGB IX). Das BTHG ändert nun den Namen in Inklusionsvereinbarung.

Integrationsvereinbarung nach § 83 SGB IX wird zur Inklusionsvereinbarung

Neu im Jahr 2017: Inklusionsvereinbarung nach § 83 SGB IX (mit sachlichen Änderungen)
Neu ab 1.1.2018: Inklusionsvereinbarung nach § 166 SGB IX neue Fassung (Übernahme in die 2017 bereits geltenden Regelungen)

Aber auch zusätzliche Regelungsfelder werden in § 83 Abs. 2a SGB IX (ab 1.1.2018: § 166 Abs. 3 SGB IX) genannt: Teilzeitarbeit, Ausbildung behinderter Jugendlicher und Durchführung der betrieblichen Prävention (betriebliches Eingliederungsmanagement). Für zerstrittene Verhandlungen über die Vereinbarung gab es bis 2016 kein Klärungsverfahren. Normalerweise kam es schlicht zu keinem Vertragsabschluss.

Was ändert das Bundesteilhabegesetz?

1. Änderung in § 83 (à § 166) SGB IX:

Die Integrationsvereinbarung wird ab sofort unter dem geänderten Namen Inklusionsvereinbarung konzeptionell stärker auf die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK) verpflichtet. Die Änderung soll den Paradigmenwechsel von der Integration zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen verdeutlichen.

Die UN-BRK beinhaltet als zentralen Leitgedanken das Prinzip der Inklusion. Inklusion erfordert, dass die Umwelt für alle Menschen gleichermaßen offen, zugänglich und verständlich ist. Mit der Umbenennung in Inklusionsvereinbarung wird die bisherige Integrationsvereinbarung um den Aspekt der möglichst barrierefreien Gestaltung von Arbeitsprozessen und Rahmenbedingungen von Anfang an erweitert. Es soll auf eine von vornherein barrierefreie Gestaltung der Arbeitswelt hingewirkt werden.

Die besonderen Belange von Menschen mit Behinderungen sollen bereits bei der Konzeption und Umsetzung innerbetrieblicher Strukturen und Prozesse bewusst und umfassend berücksichtigt werden. Arbeitsprozesse und Arbeitsumgebung sollen möglichst barrierefrei, menschen- und alternsgerecht gestaltet werden, sodass „barrierefreies Nachrüsten“ weitestgehend überflüssig wird.

2. Änderung in § 83 Abs. 1 (à § 166 Abs. 1) SGB IX:

Die Vermittlerrolle des Integrationsamts wird durch Einfügung eines neuen Satzes gestärkt: „Das Integrationsamt soll dabei insbesondere darauf hinwirken, dass unterschiedliche Auffassungen überwunden werden.“

Der neue Satz präzisiert die Aufgabe des Integrationsamts, die bisher recht unterschiedlich wahrgenommen wurde. Bereits in der Anfangszeit der Integrationsvereinbarungen in den 2000er Jahren haben einzelne Leiter(innen) des Integrationsamts immer wieder solche Vermittlungserfolge gerade auch bei größeren Unternehmen moderieren können. Wie weit dies in breiterem Maßstab stattfinden wird, ist derzeit angesichts der relativ dünnen Personaldecken für derartige anspruchsvolle Aufgaben schwer vorauszusehen.

Die gesetzliche Klarstellung und Ausweitung der Moderatorenaufgabe will Sie als SBV maßgeblich stärken. Die Formulierung „soll […] hinwirken“ verpflichtet das Integrationsamt, diese Aufgabe regelmäßig wahrzunehmen. Eine Ablehnung muss es begründen.

Tipp:
Falls Sie eine Moderation Ihrer Verhandlungen durch das Integrationsamt wünschen, sollten Sie möglichst auch die von dort eingebrachten Vorschläge akzeptieren. Selbst nur mittelgute Abschlüsse sind meist sachdienlicher als gescheiterte Verhandlungen.

Falls das Integrationsamt Ihre Verhandlungen nicht moderieren will, widersprechen Sie dem schriftlich. Zudem sollten Sie Ihren Landesbehindertenbeauftragten und die Arbeitnehmervertreter im beratenden Ausschuss des Integrationsamts informieren. Die Adresse des Landesbehindertenbeauftragten finden Sie unter www.behindertenbeauftragte.bayern.de/adressen/bba-bl.php.

Den Arbeitnehmervertreter im Beratenden Ausschuss kann in der Regel der Landesverband des Deutschen Gewerkschaftsbunds benennen: www.dgb.de/uber-uns/dgb-heute/bezirke-regionen.

Wesentlich für einen Erfolg der neuen Regelung wird sein, dass die Arbeitgeberverbände und ihre arbeitgebernahen Beratungsdienste die neue gesetzliche Regelung akzeptieren.

Tipp:
Falls Sie eine Inklusionsvereinbarung in Ihrem Unternehmen mit neuen Verhandlungen anstreben, vereinbaren Sie mit dem Arbeitgeber die Moderation durch das Integrationsamt.

3. Änderung in § 80 Abs. 1 Nr. 4 Betriebsverfassungsgesetz:

Die dortige allgemeine Aufgabe des Betriebsrats, die Eingliederung Schwerbehinderter zu fördern, wird hinsichtlich der Inklusionsvereinbarung konkretisiert: Dort steht nun als erweiterte allgemeine Aufgabe „Eingliederung schwerbehinderter Menschen einschließlich der Förderung des Abschlusses von Inklusionsvereinbarungen“ nach § 83 SGB XI.

Diese Änderung ergibt eine bessere Kooperationsbasis für Sie mit dem Betriebsrat in Sachen Inklusionsvereinbarung: Sie können nun – am besten nach Abstimmung mit dem Betriebsrat – die (Neu-)Verhandlung einer Inklusionsvereinbarung fordern.

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