26.04.2017

Besondere Rechte der Schwerbehindertenvertretung

Der Gesetzgeber hat die Schwerbehindertenvertretung mit besonderen Rechten ausgestattet: Neben der allgemeinen Unterrichtungs- und Anhörungspflicht regelt das Sozialgesetzbuch IX einige besondere Unterrichtungs-, Anhörungs- und Erörterungsrechte. Hierzu gehören die folgenden Beteiligungsrechte, die in der Praxis immer wieder auftauchen und deren Verletzung für Streit sorgen können:

Besetzung von freien Arbeitsplätzen

Ihr Arbeitgeber muss prüfen, ob freie Arbeitsplätze mit schwerbehinderten Menschen, insbesondere mit bei der Agentur für Arbeit als arbeitslos oder arbeitssuchend gemeldeten schwerbehinderten Menschen, besetzt werden können, § 81 Abs. 1 Satz 6 SGB IX. Dabei ist die Schwerbehindertenvertretung im Rahmen der Prüfung unverzüglich und umfassend zu unterrichten und anzuhören. Die von Ihrem Arbeitgeber getroffene Entscheidung ist ihr unverzüglich nach § 81 Abs. 1 Satz 6 und § 95 Abs. 2 SGB IX mitzuteilen.

Bewerbungsverfahren

Bei Bewerbungen von Schwerbehinderten trifft Ihren Arbeitgeber eine besondere Anhörungs- und Unterrichtungspflicht nach § 81 Abs. 1 Satz 4 und 10 SGB IX. Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen muss Ihr Arbeitgeber mit der Schwerbehindertenvertretung erörtern.

Achtung: Bei Bewerbungen Schwerbehinderter ist die Schwerbehindertenvertretung nicht zu beteiligen, wenn der Schwerbehinderte die Beteiligung ausdrücklich nach § 81 Abs. 1 Satz 10 SGB IX ablehnt.

Außerdem trifft Ihren Arbeitgeber eine weitere besondere Erörterungspflicht nach § 81 Abs.1 Satz 7 SGB IX. Ist die Beschäftigtenquote nicht erfüllt und die Schwerbehindertenvertretung mit einer Entscheidung Ihres Arbeitgebers nicht einverstanden, hat er das mit ihr zu erörtern. Diese Pflicht greift jedoch nur, soweit Ihr Betrieb nicht die durch § 71 SGB IX geforderte Pflichtquote (= ab 20 Mitarbeitern mindestens 5 % schwerbehinderte Mitarbeiter) bei der Beschäftigung Schwerbehinderter erfüllt.

Integrationsvereinbarung, § 83 SGB IX

Das SGB IX verpflichtet Ihren Arbeitgeber dazu, mit der Schwerbehindertenvertretung und dem Betriebs- oder Personalrat eine Integrationsvereinbarung abzuschließen. Die Integrationsvereinbarung ist eine kollektive Regelung, die arbeitsplatz- und beschäftigungserhaltende Maßnahmen umfassen kann. Ihre sachlichen Schwerpunkte beziehen sich u. a. auf die Themen der

  • Personalplanung,
  • Arbeitsplatz- und Arbeitsumfeldgestaltung,
  • Arbeitsorganisation und
  • Arbeitszeitregelungen für behinderte Menschen.

Kündigungsprävention, § 84 SGB IX

Eine besondere Situation tritt ein, wenn Ihr Arbeitgeber die Kündigung eines schwerbehinderten Mitarbeiters plant. § 84 Abs. 1 SGB IX besagt nämlich, dass Ihr Arbeitgeber bei beabsichtigten Kündigungen aus personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Gründen frühzeitig die Schwerbehindertenvertretung, den Betriebsrat und das Integrationsamt einschalten muss. Gemeinsam sollen alle Beteiligten dazu beitragen, den Arbeitsplatz des schwerbehinderten Arbeitnehmers zu erhalten.

Ihr Arbeitgeber muss also die Schwerbehindertenvertretung und den Betriebs- oder Personalrat über die Schwierigkeiten unterrichten und Abhilfemöglichkeiten erörtern. Zweck der Kündigungsprävention nach § 84 Abs. 1 SGB XI ist die Prüfung, ob Ihr Arbeitgeber alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel genutzt hat, die bestehenden Schwierigkeiten zu beseitigen. Ist dies nicht der Fall, werden die Umstände des Konflikts und die Arbeitsbedingungen im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens eingehend untersucht.

Teilnahmerechte der SBV

Der Schwerbehindertenvertretung obliegt das Recht, an allen Ihren Betriebsrats- sowie Ausschusssitzungen (Wirtschafts- und Arbeitsausschuss; § 95 Abs. 4 SGB IX) beratend teilzunehmen. Das Teilnahmerecht gilt also nicht nur für Sitzungen, in denen Fragen behandelt
werden, die schwerbehinderte Menschen betreffen.

Beispiel: Wegfall von Parkplätzen
Ihr Arbeitgeber will einen Teil des Firmenparkplatzes begrünen, um den Arbeitnehmern auch die Gelegenheit zu bieten, sich im Freien zu erholen. Die Schwerbehindertenvertretung sieht die Interessen der schwerbehinderten Arbeitnehmer wegen des Wegfalls der Parkplätze beeinträchtigt. Sie beantragt deshalb, den Beschluss auszusetzen. Das hat zur Folge, dass Ihr Arbeitgeber sein Vorhaben zunächst (eine Woche) nicht vorantreiben kann. In dieser Zeit müssen alle Beteiligten versuchen, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Bevor es weitergeht, ist darüber
dann ein neuer Beschluss zu fassen.

Auch diese Veranstaltungen darf die Schwerbehindertenvertretung besuchen:

  • Bewerbungsgespräche, sobald ein Schwerbehinderter in der Bewerberrunde ist, § 95 Abs. 2 Satz 3 SGB IX.
  • Monatsbesprechungen mit dem Betriebsrat, § 95 Absatz 5 SGB IX in Verbindung mit § 74 Absatz 1 BetrVG
  • Sitzungen, in denen zwischen dem Betriebsrat und Ihrem Arbeitgeber allgemeine Informationen ausgetauscht werden und zusätzlich personelle, soziale oder wirtschaftliche Angelegenheiten erörtert werden.

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