24.05.2019

Forschung: Digitale Arbeitsplätze in Montage und Pflege

Das Fraunhofer-Institut für Arbeitswissenschaften und Organisation Stuttgart hat im vergangenen Jahr 2 Forschungsprojekte abgeschlossen, die positive Visionen zur Gestaltung von Arbeitsplätzen in den Bereichen Montage und Pflege in der digitalen Arbeitswelt entwickelt haben. Die Verantwortlichen der beiden Forschungsprojekte „Servicerobotik zur Unterstützung bei personenbezogenen Dienstleistungen“ (SeRoDi) und „Arbeitsqualität durch individuell angepasste Arbeitsteilung zwischen Servicerobotern und schwer- bzw. nicht behinderten Produktionsmitarbeitern“ (AQUIAS) stellten in ihrer gemeinsamen Abschlusstagung vor, wie Mensch-Roboter-Arbeitsplätze mitarbeiterzentriert gestaltet werden können. 

Die neueste Generation von Sicherheitssensorik in Robotern ermöglicht eine völlig neue Organisation der Produktionsarbeit ohne Schutzzaun zwischen Mensch und Roboter. Doch wie kann die Arbeitsteilung zwischen Mensch und Roboter so gestaltet werden, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter attraktive Aufgaben erhalten? 

Das Verbundprojekt AQUIAS ging diesen Fragen im Spannungsfeld zwischen Wirtschaftlichkeit und Teilhabe an attraktiver Arbeit nach. In Kooperation mit Bosch und der Firma „Initiative zur Schaffung von Arbeitsplätzen für Körperbehinderte“ (ISAK) gGmbH wurden auch interessante Lösungsmodelle entwickelt. 

Wie die neuen Chancen der barrierefreien Mensch-Roboter-Kooperation speziell für Schwerbehinderte genutzt werden können, war ein Schwerpunkt des Projekts AQUIAS. Die individuelle Unterstützung schwerbehinderter Produktionsmitarbeiter durch mobile Produktionsassistenten verspricht Teilhabe an Arbeit für diese Personengruppe, aber auch Lernpotenzial für die Unterstützung normal leistungsfähiger Mitarbeiter durch Robotik (www.aquias.de). 

Im Projekt AQUIAS wurden also Mensch-Robotik-Arbeitsplätze für schwerbehinderte Produktionsmitarbeiter in der Montage und Qualitätskontrolle gestaltet. Dabei wurde erreicht, dass nur körperlich und psychisch belastende Aufgaben des Menschen vom Roboter übernommen werden. Alle weiteren Aufgaben verbleiben beim Menschen und sichern so den Erhalt abwechslungsreicher Arbeitsanforderungen sowie der Tätigkeit als solcher. 

Praktische Erprobung im Inklusionsbetrieb ISAK 

Diese Mensch-Robotik-Arbeitsplätze für schwerbehinderte Produktionsmitarbeitende wurden bei der Inklusionsfirma ISAK gGmbH erprobt. Die dortige Erprobung und Entwicklung fanden bereits im Rahmen der Antragstellung mit umfassender Information und Einbindung der Mitarbeitervertretung (MAV) und der Schwerbehindertenvertretung statt. 

Die Einverständniserklärung der MAV und der SBV umfasste, das Forschungsvorhaben zu begleiten, die Ergebnisse aus Sicht der Arbeitnehmerinteressen zu verfolgen und für den Austausch mit den Projektpartnern zur Verfügung zu stehen. 

Im Projektverlauf fanden partizipative Workshops mit Schwerbehinderten zur Information, für Mitarbeiterfragen und zur Klärung von Erwartungen zum zukünftigen Robotik-Arbeitsplatz statt. Es wurden Fragen besprochen aus den Themenbereichen: 

Was ist Industrie 4.0? Wie arbeitet man mit einem Roboter zusammen? An welchen Arbeitsplatz bei ISAK kommt der Roboter? Wie sieht der Arbeitsplatz mit dem Roboter dann aus? 

Fraunhofer IPA entwickelt intelligente Unterstützungsfunktionen durch Roboter 

Projektziel war es, die Flexibilität des Roboters nicht nur für die Bearbeitung individueller Produkte zu nutzen, sondern auch für die Unterstützung individueller Mitarbeiter. Um intelligente Servicefunktionen des Roboters optimal auf den Unterstützungsbedarf der schwerbehinderten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zuzuschneiden, entwickelt das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung eine Digitalisierungs-Roadmap für die Mensch-Roboter-Kollaboration. Darin wird Schritt für Schritt aufgezeigt, wie Unternehmen die digitale Vernetzung von Robotik-Arbeitsplätzen mit der Produktionsumgebung ausbauen und für intelligente Unterstützungsfunktionen nutzen können. 

Langfristig soll dies dazu beitragen, Win-win-Lösungen für die Balance der Mensch- und Technikzentrierung in Mensch-Roboter-Arbeitssystemen zu entwickeln. So soll die digitale Vernetzung von Robotik-Arbeitsplätzen mit den intelligenten Systemen der Industrie 4.0 vorangetrieben werden. 

Kollaborativer Roboter arbeitet dem Menschen zu 

Eingesetzt wurde ein Roboter der Firma Bosch. Dieser automatische Produktionsassistent „APAS assistant“, der in der Produktion des Unternehmens ISAK in Sachsenheim nahe Stuttgart eingesetzt wird, arbeitet den Mitarbeitern unmittelbar zu. Mit seinem Greifer zieht der APAS assistant die Werkteile des Mitarbeiters zu sich und schiebt sie nach Bearbeitung wieder zurück. So gleicht er die unterschiedliche Reichweite der schwerbehinderten Mitarbeitenden beim Greifen aus. 

Außerdem benötigen die Beschäftigten aufgrund ihrer unterschiedlichen Einschränkungen individuelle Tischhöhen, die je nach aktueller körperlicher Verfassung im Tagesverlauf variieren können. Kein Problem für den Produktionsassistenten, denn er kann sich mit seinem Roboterarm flexibel an die veränderte Tischhöhe der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anpassen – und das sogar im laufenden Betrieb. 

Praxistipp: Zukunftstechnologie von heute ist die Technologie von morgen. Für gewerbliche Unternehmen mit Montagebereichen kann die nähere Befassung mit diesen zukunftsorientierten robotergestützten Arbeitsplatzgestaltungen durchaus heute schon von Interesse sein. Auch die Gesellschaft für Arbeitswissenschaften und Teile der Berufsgenossenschaften befassen sich mit diesen Themen bereits heute. Im Modellvorhaben war auch der Landeswohlfahrtsverband Baden-Württemberg mit seinem Integrationsamt finanziell beteiligt. Es kann sich im Einzelfall also auch für Sie als SBV lohnen, sich mit diesen Zukunftstechnologien jetzt schon zu befassen. Jedenfalls dann, wenn Ihr Arbeitgeber solche Planungen einleitet. 

Servicerobotik in der Pflege: Projekt SeRoDi 

Die stationäre Pflege leidet ganz besonders unter den Folgen des demografischen Wandels. Immer mehr älteren und pflegebedürftigen Menschen stehen immer weniger potenzielle Nachwuchskräfte in der Pflege gegenüber. Langzeiterkrankungen und eine hohe Fluktuation des Personals sind daher an der Tagesordnung. Im Rahmen des Projekts SeRoDi wurde deshalb an neuen Serviceroboterlösungen gearbeitet, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem Pflegebereich körperlich und informatorisch entlasten sollen. 

Zu diesem Zweck entwickelten die Projektpartner 2 neue Roboterlösungen. Diese wurden in jeweils 2 mehrwöchigen Testphasen in einem Krankenhaus sowie 2 Altenheimen getestet: 

Der intelligente Pflegewagen navigiert autonom; das heißt, die Pflegekraft kann ihn per Smartphone an den gewünschten Einsatzort bestellen. Er bringt dann selbstfahrend die notwendigen Pflegeutensilien wie Verbands- und Inkontinenzmaterial an die gewünschte Stelle des Krankenhauses oder Altenheimes. Über den integrierten Touchscreen kann das Personal einfach dokumentieren, welche Pflegeutensilien entnommen wurden. 

Ebenfalls getestet wurde der robotische Service-Assistent. Er kann mit verschiedenen Snacks und Getränken befüllt werden und diese den Bewohnern oder den Patienten anbieten. Dies soll nicht nur das Pflegepersonal entlasten, sondern auch die Selbstständigkeit der Pflegebedürftigen fördern. 

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