24.04.2018

Inklusion: Kennen Sie die Neuerungen im SGB IX?

Schon nach geltendem Recht musste Ihr Dienstherr mit der Schwerbehindertenvertretung und Ihnen eine verbindliche Integrationsvereinbarung schließen, § 83 Sozialgesetzbuch (SGB) IX. Das Bundesteilhabegesetz hat nun den Begriff Integrationsvereinbarung in Inklusionsvereinbarung geändert. Die Regelungen zur Inklusionsvereinbarung finden Sie in § 166 SGB IX.
In der Inklusionsvereinbarung enthalten sind Regelungen für die betriebliche Eingliederung schwerbehinderter Menschen. Betroffen sind also

  • Personalplanung,
  • Arbeitsplatzgestaltung,
  • Gestaltung des Arbeitsumfelds,
  • Arbeitsorganisation,
  • Arbeitszeit sowie
  • Regelungen über die Durchführung des SGB IX in den Betrie­ben und Dienststellen (§ 83 Abs. 2 SGB IX).

Alte Regelung gilt fort. Ihr Dienstherr wird noch keinen Handlungsdruck verspüren, denn § 241 Abs. 6 SGB IX besagt, dass alte Integrationsvereinbarungen als Inklusionsvereinbarungen fortgelten. Er kann also eine Integrationsvereinbarung neu verhandeln, muss es aber nicht zwingend.

 

Tipp: Neu verhandeln bringt’s

Wir empfehlen auf alle Fälle Ihren Dienstherrn zur Neuverhandlung zu drängen. Denn Inklusion und Integration sind nicht das Gleiche. Bei der Integration gehen wir von 2 Gruppen aus, eine behinderte und eine nicht behinderte. Ein behinderter Mensch wird in die Gruppe der nicht behinderten eingelassen und angepasst, so gut es geht.

Die Inklusion vertritt hingegen die Philosophie, dass wir alle eine bunte Gesellschaft sind: von behinderten Menschen, nicht behinderten etc. Jeder hat seine Daseinsberechtigung, jeder leistet seinen wichtigen Anteil, der eine nur mit etwas mehr Hilfe als der andere. Die Inklusion ist die menschliche­ re, die natürlichere Philosophie. Dem sollte Rechnung getragen werden.

Ziele der UN-BRK sind zu berücksichtigen

Die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN­ BRK) beinhaltet als zentralen Leitgedanken das Prinzip der Inklusion. Inklusion zielt auf eine gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit und ohne Behinderungen in allen Lebensbereichen – und zwar von Anfang an. Sie beendet das Wechselspiel von Exklusion und Integration.

Inklusion erfordert, dass die Umwelt für alle Menschen gleichermaßen offen, zugänglich und verständlich ist.

Inklusionsvereinbarungen sollen nicht nur Regelungen umfassen, die zur Überwindung oder Abschaffung bestehender Barrieren notwendig sind. Vielmehr soll auf eine von vornherein barrierefreie Gestaltung der Arbeitswelt hingewirkt werden. Potenziell exkludierend wirkende Faktoren sollen frühzeitig erkannt und vermieden werden.

Die Inklusionsvereinbarung ist wie bisher ein 4­-seitiger Vertrag zur betrieblichen Eingliederung schwerbehinderter Menschen. Vertragsparteien sind

  • Arbeitgeber bzw. der Dienstherr/­geber und sein Beauftragter,
  • Schwerbehindertenvertretung und
  • Betriebs­ bzw. Personalrat (§ 166 SGB IX neue Fassung).

Das Integrationsamt soll – falls nötig – vermitteln.

Seit Dezember 2016 hat das Integrationsamt die neue gesetzliche Aufgabe, darauf hinzuwirken, dass unterschiedliche Auffassungen über den Inhalt einer Inklusionsvereinbarung überwunden werden. Damit ist es quasi ein Mediator, der die Parteien zusammenführen soll. Aufgrund seiner neutralen Position ist das Integrationsamt besonders gut geeignet, Pattsituationen auszuräumen und den Abschluss einer Inklusionsvereinbarung zu befördern.

Wie Sie sich einbringen

Als Personalrat kommt Ihnen die allgemeine Aufgabe zu, sich für die „Eingliederung schwerbehinderter Menschen einschließlich der Förderung des Abschlusses von Inklusionsvereinbarungen“ nach § 83 SGB XI alte Fassung bzw. § 166 SGB IX neue Fassung einzusetzen. Schließen Sie also eine Inklusionsvereinbarung. Setzen Sie sich mit der Schwerbehindertenvertretung zusammen. Welche Themen sollten geregelt sein, was fehlt in der alten Vereinbarung, was muss neu geregelt werden? Mögliche Themen finden Sie etwa in § 166 Abs. 2 und 3 SGB IX neue Fassung.

  • Inhaltlich sollten Sie die folgenden Punkte in Ihre Inklusionsvereinbarung aufnehmen:
  • Erhöhung des Anteils schwerbehinderter Beschäftigter in der Dienststelle
  • Gestaltung von Arbeitsplatz, Arbeitsumgebung und Arbeitsorganisation
  • Arbeitszeit und Teilzeitarbeit
  • anzustrebende Beschäftigungsquote
  • Ausbildung behinderter Jugendlicher, Prävention, betrieb­liches Eingliederungsmanagement und Gesundheitsförde­ rung

Machen Sie sich für eine Inklusionsvereinbarung stark

Als Personalrat sollten Sie sich für eine Inklusionsvereinbarung starkmachen, am besten gemeinsam mit der Schwerbehindertenvertretung. Gemeinsam sind Sie stark und können das Optimale für Ihre Belegschaft herausholen.
Ihre Inklusionsvereinbarung könnte beispielsweise so aussehen:

Muster-Inklusionsvereinbarung

§ 1 Geltungsbereich

Diese Inklusionsvereinbarung gilt für alle anerkannten schwerbehinderten Menschen sowie für alle Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 30, die in einem Arbeitsverhältnis zur Firma stehen.

§ 2 Grundsätze und Ziele

Die Dienststelle setzt sich zum Ziel, die Beschäftigungsquote für behinderte Menschen von mindestens 5 % bis spätestens … (Datum) zu erfüllen. Darüber hinaus setzt sie sich für die Arbeitsplatzerhaltung der beschäftigten Behinderten ein. Hierzu werden folgende Ziele vereinbart: Abbau von Vorbehalten gegen die Beschäftigung und Inklusion von behinderten Menschen durch Aufklärung und Schulung der Führungskräfte, Fort- und Weiterbildung der Mitarbeiter in allen Bereichen, in denen behinderte Mitarbeiter und Gleichgestellte beschäftigt werden können, Teilnahme an Personalentwicklungsgesprächen, Einstellung von behinderten Menschen.

§ 3 Vereinbarte Maßnahmen

Die Parteien vereinbaren, dass die Inklusion behinderter Menschen Bestandteil der Personalplanung, Personalentwicklung und der betrieblichen Gesundheitsförderung ist. Hierfür wird die Dienststelle die Führungskräfte mit den gesetzlichen Regelungen und allen Möglichkeiten zur Förderung und Unterstützung der Beschäftigung und Inklusion behinderter Menschen vertraut machen.

Zur Unterstützung der betriebsinternen Maßnahmen nehmen die Parteien die Hilfe der zuständigen Integrationsämter, Agenturen für Arbeit und Servicestellen der Rehabilitationsträger in Anspruch. Sofern die Dienststelle Rationalisierungsmaßnahmen plant, hat sie vorrangig die Umsetzung behinderter Menschen auf einen geeignetene Arbeitsplatz innerhalb der Dienststelle vor einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu veranlassen. Bei der Ausbildung und Einstellung von behinderten Auszubildenden ­ strebt die Dienststelle an, die gesetzliche Beschäftigungsquote nach dem SGB IX zu erreichen.

§ 4 Berufliche Entwicklungsmöglichkeiten

Die Dienststelle setzt sich dafür ein, dass behinderte Mitarbeiter regelmäßig in inner- oder außerbetriebliche Maßnahmen der Weiterqualifizierung einbezogen werden. Durch die Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen soll sich für diese Mitarbeiter die Chance ergeben, eine Beschäftigung in höherwertigen Arbeitssystemen und eine eventuell höhere Bezahlung zu erreichen. Die Dienststelle strebt deshalb an, behinderten Menschen die gleichen beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten wie nicht behinderten Menschen zu geben. Behinderte Menschen werden von der Dienststelle regelmäßig über Personalentwicklungs- und Fortbildungsmaßnahmen informiert.

§ 5 Stellenbesetzung durch behinderte Mitarbeiter

Behinderte Mitarbeiter, die sich auf eine intern ausgeschriebene Stelle bewerben, sollen bei gleichwertiger fachlicher Qualifikation vorrangig berücksichtigt werden. Die Schwerbehindertenvertretung kann bei Bedarf und Zustimmung der/des Betroffenen an den vereinbarten Bewerbungsgesprächen teilnehmen.

§ 6 Arbeitsplatzgestaltung

Die Dienststelle verpflichtet sich, bei Veränderungen von Arbeitsabläufen die Schwerbehindertenvertretung gemäß den Vorschriften des SGB IX zu beteiligen. Dabei ist die behindertengerechte Gestaltung der Arbeitsplätze zu prüfen und zu dokumentieren. Behinderte Menschen haben gegenüber der Dienststelle einen Anspruch auf behindertengerechte Ausstattung ihres Arbeitsplatzes. Unter Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung ist zu prüfen, ob eine Förderung durch die Integrationsämter, Agenturen für Arbeit oder andere Leistungsträger in Betracht kommt.

Ist im Einzelfall der weitere Einsatz auf dem bisherigen Arbeitsplatz eines behinderten Menschen trotz intensiver Bemühungen nicht zu realisieren, leitet der Dienstgeber zusammen mit der Schwerbehindertenvertretung weitere Maßnahmen mit dem Ziel der Beschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz in der Dienststelle ein. Bei erkennbaren personen- oder verhaltensbedingten Beschäftigungsschwierigkeiten, die das Arbeitsverhältnis gefährden könnten, ist die Schwerbehindertenvertretung einzuschalten.

§ 7 Berufliche Wiedereingliederung

Ist nach längerer Erkrankung die Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess auf ärztliches Anraten nur stufenweise möglich, kann unter Beachtung der tariflichen Bestimmungen eine befristete Herabsetzung der wöchentlichen Arbeitszeit vorgesehen werden.

§ 8 Regelungen für besondere Personenkreise

Mitarbeitern, die schwerbehindert sind und die zeitweilig extremen dienstlichen Belastungen ausgesetzt sind, können Arbeitserleichterungen gewährt werden.

§ 9 Teilzeit für behinderte Mitarbeiter

Behinderte Mitarbeiter haben einen Anspruch auf Teilzeit, wenn die kürzere Arbeitszeit wegen Art und Schwere der Behinderung notwendig ist und die Ausgestaltung eines Teilzeitarbeitsverhältnisses betrieblich angemessen möglich ist. Der Dienstherr verpflichtet sich, die Einrichtung von Teilzeitarbeitsplätzen zu fördern.

§ 10 Schlusserklärung

Die Parteien dieser Vereinbarung sind sich darüber einig, dass bei sich widersprechender Interessenlage von Dienststelle und behinderten Menschen im Zweifel die Interessen der behinderten Menschen vorrangig sind. Ist eine Maßnahme für die Dienststelle jedoch unzumutbar, kann von den Grundsätzen dieser Vereinbarung abgewichen werden. Die Dienststellenleitung hat dann gemeinsam mit der Schwerbehindertenvertretung nach Lösungsmöglichkeiten zu suchen.

Ort, Datum, Unterschriften

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