29.08.2011

Change Management: So reden Sie als Betriebsrat mit

Veränderungsprozesse berühren an vielen Stellen Ihre Mitbestimmungsrechte.
Geht es um Umstrukturierungen, die eine Betriebsänderung nach sich ziehen, kommen Ihre Mitbestimmungsrechte bei Betriebsänderungen nach §§ 111, 112 und 112a Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) zum Tragen.

 
Bei einer Ablaufänderung bzw. einem Reengineering-Projekt haben Sie Informations- und Beratungsrechte nach § 90 BetrVG. Danach müssen Sie über die Planung von Neu-, Um- und Erweiterungsbauten sowie von technischen Anlagen und von Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufen frühzeitig informiert werden. Zudem muss Ihr Arbeitgeber die vorgesehenen Maßnahmen mit Ihnen als Betriebsrat beraten.

Will Ihr Arbeitgeber lediglich Abteilungen neu strukturieren und führt er in diesem Zusammenhang eine nicht anonyme Mitarbeiterbefragung durch, können Sie sich wegen § 87 Abs. 1 Nr. 1 und 6 (Fragen der Ordnung des Betriebs/Einführung und Anwendung technischer Einrichtungen) oder § 94 BetrVG (Personalfragebogen) in die Diskussion einschalten.

In den folgenden Fällen sind Sie außerdem gefragt:
– Wenn Ihr Arbeitgeber neue Anreizsysteme bzw. Incentives schaffen will, kommen Ihre Mitbestimmungsrechte bei der betrieblichen Lohngestaltung (§ 87 Abs.1 Nr. 10 BetrVG) und bei der Festsetzung von Akkord- und Prämiensätzen sowie vergleichbarer leistungsbezogener Entgelte (§ 87 Abs. 1 Nr. 11 BetrVG) zum Tragen.

– Geht es um eine Arbeitszeitflexibilisierung, bestimmen Sie nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG mit.

– Auch wenn es um die Einführung von IT-Systemen geht, müssen Sie als Betriebsrat gefragt werden (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG).

Achtung:
Diese Norm bezieht sich nicht nur auf Zeiterfassungssysteme. Sie betrifft jede Software. Das heißt: Will Ihr Arbeitgeber z. B. die Personalverwaltungssysteme auf SAP umstellen, geht das nicht ohne Sie. Außerdem können Sie oft mitreden, wenn Ihr Arbeitgeber ein Programm zur Verbesserung der Kundenorientierung einführen will. Denn dabei geht es meist darum, dass Ihre Kollegen ihr Verhalten ändern müssen. Bei solchen Angelegenheiten greift Ihr Mitbestimmungsrecht in § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (Fragen der Ordnung des Betriebs und des Verhaltens der Arbeitnehmer).

Tipp: Wenn Ihr Arbeitgeber schlau ist, bezieht er Sie, auch wenn Sie keine Mitbestimmungsrechte haben, frühzeitig in die Veränderungsprozesse ein. Denn Neuerungen rufen zunächst selten Begeisterung hervor. Und zwar unabhängig davon, ob es sich um gravierende Veränderungen handelt oder ob Sie und Ihre Kollegen sich nur an geringe Änderungen gewöhnen müssen. Als Betriebsrat erlangen Sie häufig mehr Verständnis für derartige Prozesse.

Wenn Ihr Arbeitgeber Ihnen Veränderungsprozesse ankündigt, versuchen Sie ihn zu überzeugen, dass er Sie in das Projektteam aufnimmt bzw. Sie zumindest am Lenkungsausschuss beteiligt. Dafür spricht – und das sollten Sie Ihrem Arbeitgeber als Überzeugungsargument sagen –, dass eventuell notwendige Verhandlungen zwischen Ihrem Arbeitgeber und Ihnen, z. B. beim Abschluss von Betriebsvereinbarungen, sehr vereinfacht bzw. beschleunigt werden.

Wenn Ihr Arbeitgeber Ihre Mitbestimmungsrechte ignoriert

Wie Sie vorgehen können, wenn Ihr Arbeitgeber Ihre Mitbestimmungsrechte ignoriert, hängt von den jeweiligen Mitbestimmungsrechten ab. Bei den zwingenden Mitbestimmungsrechten (z.B. §§ 87, 91, 94, 95, 98, 112 und 112a BetrVG) können Sie als Betriebsrat die Einigungsstelle anrufen. Deren Spruch ersetzt dann die Einigung zwischen Ihnen und Ihrem Arbeitgeber.

Tipp: Bei einem entsprechenden Veränderungsprojekt können Sie Ihren Arbeitgeber u. U. zu weitgehenden Zugeständnissen zwingen, indem Sie ihm androhen, es sonst auf ein Einigungsstellenverfahren ankommen zu lassen. Gerade wenn Ihr Arbeitgeber eine schnelle Lösung erreichen möchte, wird er sich auf das eine oder andere einlassen.

Haben Sie allerdings nur ein Informations- oder Beratungsrecht (z.B. §§ 74 und 106 BetrVG), stehen Sie als Betriebsrat schlechter da. Wichtig: Die Tatsache, dass die letzte Entscheidung bei Ihrem Arbeitgeber liegt, führt in der Praxis immer wieder dazu, dass einige Arbeitgeber Sie nicht – wie es eigentlich sein sollte – unaufgefordert informieren. Da Sie allerdings ohne ausreichende Informationen nicht in der Lage sein werden, Ihre Mitwirkungsrechte wahrzunehmen, sollten Sie Ihre Informationsrechte im Zweifel konsequent durchsetzen. Gehen Sie deshalb notfalls gerichtlich über ein Verfahren nach § 23 Abs. 3 BetrVG vor.

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