19.07.2019

Das sind die Grenzen bei Krankenkontrollen Ihres Dienstherrn

Wenn Ihr Dienstgeber den Verdacht hat, dass ein Mitarbeiter nur vorschiebt, arbeitsunfähig erkrankt zu sein, wird er womöglich an Krankenkontrollen denken. Hier wird es für Sie Zeit zum Handeln. Lassen Sie Ihrem Dienstgeber auf keinen Fall zu viel durchgehen! 

Arbeitsmedizinischer Dienst nötig? 

Die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) – der sogenannte gelbe Schein – hat eine besondere Beweiskraft. Grundsätzlich müssen Sie und Ihr Dienstgeber davon ausgehen, dass der Arzt diesen gelben Schein immer begründet ausstellt. Trotzdem sind auch hier Zweifel zulässig. 

Eine legale Form der Krankenkontrolle ist bei gesetzlich krankenversicherten Mitarbeitern die Untersuchung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung. Diese Maßnahme kommt aber erst zum Zug, wenn tatsächlich berechtigte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit eines Kollegen bestehen. 

Zweifel Ihres Dienstgebers an der AU sind nach dem Gesetz insbesondere dann angebracht, wenn der Mitarbeiter 

  • auffällig häufig arbeitsunfähig ist, 
  • auffällig häufig für kurze Dauer arbeitsunfähig ist, 
  • der Beginn der Arbeitsunfähigkeit häufig auf einen Arbeitstag am Beginn oder am Ende einer Arbeitswoche fällt oder 
  • die Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt festgestellt wurde, der durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Bescheinigungen über die Arbeitsunfähigkeit auffällig geworden ist (§ 275 Abs. 1a Sozialgesetzbuch V). 

Ihre Rolle als Mitarbeitervertretung 

Sie haben bei diesen Fragen die Rolle des kritischen Beobachters. Achten Sie genau darauf, ob Ihr Dienstgeber die Einzelheiten zu seinen Zweifeln oder Verdachtsgründen genau benennt. Dazu ist er nämlich verpflichtet. Zudem haben Sie die Rolle des Beraters für Ihre betroffenen Kolleginnen und Kollegen! 

Bei Kontrollen durch Hausbesuche reden Sie mit 

Immer wieder versuchen Dienstgeber, durch sogenannte Krankenkontrolleure Blaumachern auf die Schliche zu kommen. Solche Kontrollmaßnahmen sind grundsätzlich zulässig. Allerdings ist der Einsatz dieser Kontrolleure sehr kritisch zu sehen. Drängen Sie bei Ihrem Dienstgeber darauf, dass er diese Art Hausbesuche unterlässt. Argumentieren Sie wie folgt: 

Hausbesuche und die Aussagen oder Wertungen der Krankenkontrolleure haben nur einen geringen Beweiswert, da diesen Personen der medizinische Sachverstand fehlt. Zudem stört diese Form der Kontrolle den Betriebsfrieden. Wenn Ihr Dienstgeber trotz aller Gegenargumente Krankenkontrollen standardisiert einführen will, haben Sie über das Wie entscheidend mitzureden!

Persönlichkeitsrecht als Grenze für Ihren Dienstherrn 

Wenn Ihr Dienstgeber Erkundigungen über einen Kollegen einziehen will, muss er immer abwägen: Steht sein Informationsinteresse höher als das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen? Nur wenn er dies darlegen kann, darf er den Kollegen s weiter kontrollieren. 

Ihr Dienstgeber muss aber immer eine Einzelfallabwägung vornehmen. Oder anders ausgedrückt: Es gibt keine klare Richtlinie dazu, was erlaubt und was verboten ist. Jeder Fall ist anders und kann anders entschieden werden. 

Tipp: Führen Sie eine Interessenabwägung durch. Gesetzt der Fall, Ihr Dienstgeber tritt an Sie heran und schildert Ihnen seine Interessenlage: Im Einzelfall kann es schwierig sein zu beurteilen, ob sein Interesse überwiegt oder nicht. Erstellen Sie sich dafür einfach eine Tabelle. In die eine Spalte schreiben Sie die Punkte auf, die das Arbeitnehmerinteresse stützen. In die Spalte daneben setzen Sie die Punkte, die für Ihren Dienstgeber sprechen. So bekommen Sie ein besseres Gespür dafür, welches Interesse überwiegt. 

Wann die Recherche unzulässig wird

Für Sie als MAV ist es am wichtigsten, zu wissen, wann eine Recherche unzulässig wird. Hier gilt es, besonders auf die folgenden 2 Punkte zu achten: 

1. GibteseinenBezugzurArbeit, zum Arbeitsverhalten? 

Stellt Ihr Dienstgeber Recherchen über einen Kollegen an, muss er hierfür ein berechtigtes Interesse haben. Und das ist nur der Fall, wenn die Recherche mit dem (künftigen) Arbeitsverhältnis in Verbindung steht. 

2. Intimsphäre ist tabu 

Daneben kommt es noch auf die Daten an, die Ihr Dienstgeber erforschen will. Je sensibler die Daten sind, desto höher wird die rechtliche Schwelle. 

Als MAV müssen Sie also immer intervenieren, wenn es in den Privatbereich des Betroffenen geht, und sei es, dass Sie ihn warnen. Wechselnde Affären oder Saufgelage im Privatleben gehen den Dienstgeber nichts an. 

Anruf zu Hause erlaubt?

Die Antwort lautet hier: ja – aber mit Einschränkungen. Es kommt darauf an, was Ihr Dienstgeber vom Kollegen in Erfahrung bringen will: Findet er eine Akte nicht oder hat er eine Frage zum Sachstand, dann darf er ihn anrufen. Problematisch wird es, wenn Ihr Dienstgeber anruft, um den Kollegen auszuspionieren: 

  • Ist er wirklich krank?
  • Wer geht ans Telefon? 

Problematisch ist dies deshalb, weil der Dienstgeber hier zu weit in den persönlichen Bereich des Betroffenen eindringt. 

Darf Ihr Dienstherr Familienmitglieder befragen? 

Kindermund tut Wahrheit kund – diesen Spruch kennen Sie sicher. Trotzdem dürfen Familienmitglieder oder Lebensgefährten nicht befragt werden. Damit wird eindeutig das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen verletzt. Sagen Sie dies Ihren Kolleginnen und Kollegen, damit sie es an ihre Familien weitergeben können. Diese sollten den Dienstgeber freundlich, aber unverbindlich „abfertigen“, falls er es mit dem Ausforschen versucht. 

Was bei Detektiveinsätzen gilt 

Meldet sich ein Kollege allzu häufig freitags, montags oder an Brückentagen arbeitsunfähig krank, könnte Ihr Dienstgeber geneigt sein, einen Privatdetektiv einzuschalten. Ob er das darf oder nicht, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Denn Ihr Dienstgeber darf einen Detektiv nicht einfach so auf einen Kollegen ansetzen. Voraussetzung ist, 

  • dass er einen konkreten Verdacht hat, dass der Kollege seiner Arbeitspflicht nicht in vollem Umfang nachkommt, 
  • außerdem muss sich der Verdacht im Nachhinein bewahrheiten.

Das ist beispielsweise der Fall, wenn der Kollege tatsächlich an jedem Brückentag „erkrankt“. Auch wenn Ihr Dienstgeber einen konkreten Tipp von einer anderen Person erhält, dass der Kollege in der Zeit seiner Abwesenheit bei einem anderen Dienstgeber arbeitet, darf er einen Detektiv einschalten. Sie als MAV haben dabei allerdings kein Mitbestimmungsrecht. Denn auch hier steht das Arbeitsverhalten des Kollegen im Vordergrund.

Wichtig! Betroffener muss Kosten tragen. Kann der Dienstherr mithilfe des Detektivs nachweisen, dass der Mitarbeiter blaugemacht hat, ist dieser verpflichtet, die Kosten des Detektiveinsatzes zu tragen. 

Wenn Ihr Dienstgeber Krankenrückkehrgespräche führen will 

Krankenrückkehrgespräche sind Gespräche, die Ihr Dienstgeber mit den Arbeitnehmern führt, die länger oder häufig erkrankt sind. Sie sind ein wirksames Mittel, um Kollegen zu helfen, die öfters erkranken. Vor allem dann, wenn der Grund der Erkrankung im Arbeitsumfeld zu suchen ist. 

Ihr Dienstgeber darf in diesem Gespräch danach fragen, 

  • welche Ursachen zu der Krankheit geführt haben,
  • ob die Krankheit nun ausgeheilt ist,
  • ob der Kollege wieder voll einsatzfähig ist,
  • ob Veränderungen der Arbeitsbedingungen künftig Abhilfe schaffen und dadurch eine erneute Arbeitsunfähigkeit vermieden werden kann. 

Ihre Rolle bei Krankenrückkehrgesprächen 

Standardisierte Krankenrückkehrgespräche, die Ihr Dienstherr nach einem vorab festgelegten Schema führt, sind mitbestimmungspflichtig. Das heißt, Sie sind immer zu beteiligen. Und zwar immer dann, wenn es sich um formalisierte Gespräche mit mehreren Kolleginnen und Kollegen handelt. 

Handeln Sie die Gesprächsregelung aus 

Eine Gesprächsregelung müsste Ihr Dienstgeber mit Ihnen aushandeln. Bei den entsprechenden Verhandlungen sollten Sie die folgenden Punkte festhalten: 

  • Ziel des Gesprächs, z. B. Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses in gesundem Zustand 
  • Ursache für die Fehlzeiten ermitteln
  • Maßnahmen, um das Ziel zu erreichen (z. B. eine Verringerung der Arbeitszeit) 

Treffen Sie mit Ihrem Dienstgeber eine Regelung, nach der Sie als MAV an diesen Gesprächen teilnehmen. Auf Wunsch eines Betroffenen können Sie immer hinzugezogen werden. 

Fragebogen nach Krankheit brauchen Sie nicht zu dulden 

Die Drogeriemarkt-Kette Müller war vor einiger Zeit in aller Munde. Der Grund: Der Verdacht war laut geworden, dass derjenige, der wegen Krankheit fehlt, nach seiner Rückkehr zum Gespräch mit den Vorgesetzten gebeten würde. Dort erhielt der Arbeitnehmer dann einen Fragebogen, der mit dem Vorgesetzten gemeinsam ausgefüllt und von beiden Gesprächsteilnehmern unterzeichnet wurde. Unter anderem sollte der Mitarbeiter angeben, ob er wegen „derselben Ursache im laufenden Kalenderjahr bereits krank gewesen“ oder „die Gene- sung völlig abgeschlossen“ sei. 

Ihr Dienstgeber sollte die Finger von solchen Maßnahmen lassen. Denn gezieltes Ausforschen und Sammeln von Krankendaten sind unzulässig. Eine AU muss also ausreichen. Kommen Sie ihm auf die Schliche, verlangen Sie Unterlassung. Folgendes Muster-Schreiben können Sie dafür nutzen: 

Muster-Schreiben: Fragebogen nach Arbeitsunfähigkeit 

Sehr geehrte Frau …, / Sehr geehrter Herr …, 

wir als Mitarbeitervertretung haben erfahren, dass Sie nach Krankheit systematisch Fragebogen einsetzen, in denen Sie die Mitarbeiter unverblümt fragen, wie lange sie krank waren, ob die Krankheit ausgeheilt ist und ob eine negative Gesundheitsprognose besteht. Wir weisen darauf hin, dass diese Art der Ausforschung unzulässig ist. Deshalb fordern wir Sie auf, diese Fragebogen ab sofort nicht mehr einzusetzen. Bei Zuwiderhandlung müssen wir auf Unterlassung klagen. 

Mit freundlichen Grüßen Unterschrift Mitarbeitervertretung 

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