28.09.2017

Medizinische Vorsorge: Das steht Ihnen zu

Ihre Dienststellenleitung muss Ihnen verschiedene medizinische Untersuchungen anbieten. Bei manchen Untersuchungen haben Sie die Wahl, ob Sie sie wahrnehmen oder nicht, bei anderen nicht, wie der folgende Fall zeigt (Arbeitsgericht Frankfurt am Main, 17.11.2011, Az. 7 Ca 1552/11).

Ein Kranführer hatte mehr als 10 Jahre für seinen Arbeitgeber gearbeitet. Eine ärztliche Untersuchung erfolgte in dieser Zeit nicht. Eines Tages forderte der Arbeitgeber jedoch einen Besuch beim Arzt und die Abgabe einer Urinprobe von dem Mitarbeiter. Damit sollte seine Arbeitsfähigkeit festgestellt werden. Der Arbeitnehmer weigerte sich. Er sei ja nicht krank und deshalb uneingeschränkt arbeitsfähig. Davon ließ sich der Arbeitgeber nicht überzeugen und behielt – als Strafe für die Verweigerungshaltung – den Lohn des Arbeitnehmers ein. Dieser zog vor Gericht.

Doch er verlor. Die Richter urteilten: Beschäftigte mit einer gefährlichen Tätigkeit müssen sich auf Anordnung der Firma regelmäßigen ärztlichen Kontrollen unterziehen. Es geht weniger darum, sichtbare Krankheiten zu entdecken, sondern vielmehr versteckte. Leiden wie Diabetes sollen frühzeitig festgestellt werden. Gerade versteckte Leiden können schwerwiegende Auswirkungen auf die Arbeitsleistung haben.

Fazit: Je verantwortungsvoller die Tätigkeit, desto wichtiger die Untersuchung. Diesen Satz müssen Sie sich merken. Verweigert einer Ihrer Kollegen derartige Untersuchungen, darf Ihre Dienststellenleitung ihn von der Arbeit freistellen und das Gehalt sperren.

Ihre Kollegen sollten die Untersuchungen auf alle Fälle wahrnehmen. Nicht nur, weil der Arbeitgeber bei Verweigerung den Lohn einbehalten kann, sondern auch und gerade, weil es um ihre Gesundheit geht. Stellen Sie sich vor, ein Beschäftigter nimmt eine Untersuchung nicht wahr, bei der Diabetes erkannt worden wäre. 2 Tage später ist er unterzuckert und wird am Arbeitsplatz
ohnmächtig. Leider stürzt er dabei in eine laufende Schneidemaschine …

Was wird untersucht?

Ihrer Dienststellenleitung wäre es sicher recht, wenn sie alles untersuchen dürfte, was sie möchte. Doch so einfach ist das nicht. Sie darf nur das testen, was für die Leistungserbringung relevant ist.

Wann wird untersucht?

Wann welche Untersuchung durchgeführt werden muss, sagt Ihnen die Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV). Die ArbMedVV gilt für jede Arbeit, bei der Gefahrstoffe im
Rahmen eines Prozesses einschließlich Produktion, Handhabung, Lagerung, Beförderung, Entsorgung und Behandlung verwendet werden oder verwendet werden sollen oder bei der Gefahrstoffe
entstehen oder auftreten. Dazu zählen auch Bedien- und Überwachungstätigkeiten. Die ArbMedVV unterscheidet hierbei nach Pflicht- und Angebotsuntersuchungen.

Untersuchung darf nicht unter den Tisch fallen

Auch wenn Ihre Dienststellenleitung alle arbeitsmedizinischen Vorgaben einhält, haben Ihre Kollegen das Recht, sich regelmäßig arbeitsmedizinisch untersuchen oder einfach nur beraten zu lassen. Angebotsuntersuchungen sind dabei freiwillig. Das heißt, wenn Ihre Kollegen diese nicht wahrnehmen wollen, müssen sie es auch nicht. Druck auf die Beschäftigten darf Ihre Dienststellenleitung nicht ausüben. Und auch wenn ein Kollege die Angebotsuntersuchung abgelehnt hat, muss sie ihm trotzdem beim nächsten Durchlauf erneut angeboten werden. Vielleicht möchte er ja dann.

Wichtig: Pflichtuntersuchung kann nicht erzwungen werden

Auch Pflichtuntersuchungen muss ein Beschäftigter nicht wahrnehmen. Er kann nicht gezwungen werden, zum Arzt zu gehen. Aber: Er läuft dann natürlich Gefahr, seine Tätigkeit nicht mehr ausüben zu dürfen. Denn Ihre Dienststellenleitung wird nicht sehenden Auges einen Mitarbeiter auf einem Arbeitsplatz lassen, der dafür vielleicht gar nicht mehr geeignet ist.

Beispiele für Angebotsuntersuchungen

Ihr Arbeitgeber muss Untersuchungen in den folgenden Bereichen anbieten:

  • verschiedene Tätigkeiten mit Gefahrstoffen, etwa mit krebserregenden oder erbgutverändernden Stoffen oder Zubereitungen der Kategorie 1 oder 2 im Sinne der Gefahrstoffverordnung
  • Feuchtarbeit von regelmäßig mehr als 2 Stunden je Tag
  • Schweißrauche („Schweißen und Trennen von Metallen“) bei Einhaltung einer Luftkonzentration von 3 mg/m3 Atemluft
  • Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen der Risikogruppen 2 und 3
  • physikalische Einwirkungen unterhalb der Grenzwerte
  • Bildschirmarbeit

Beispiele für Pflichtuntersuchungen

Ihr Arbeitgeber muss Pflichtuntersuchungen anbieten, wenn die Tätigkeit z. B. in puncto Lärm oder wegen chemischer Belastung ein erlaubtes Maß überschreitet. Pflichtuntersuchungen sind beispielsweise erforderlich

  • in Lärmbereichen über 85 dB(A),
  • bei Überschreiten des Arbeitsplatzgrenzwerts für bestimmte Gefahrstoffe,
  • bei dienstlich veranlassten Reisen ins Ausland mit besonderen klimatischen Bedingungen oder/und Infektionsgefahren,
  • bei Nichteinhaltung von Arbeitsplatzgrenzwerten bei Gefahrstoffbelastungen oder soweit die Gefahrstoffe hautresorptiv sind und eine Gesundheitsgefährdung durch direkten Hautkontakt
    besteht,
  • bei Feuchtarbeit von mehr als 4 Stunden täglich,
  • wenn Schweißrauche von mehr als 3 mg/m3 auftreten,
  • bei Arbeiten mit Isocyanaten und unausgehärteten Epoxidharzen,
  • bei Arbeiten mit Naturgummi-Latexhandschuhen,
  • bei Arbeiten mit biologischen Arbeitsstoffen gemäß Tabelle des Anhangs,
  • bei Arbeiten mit Atemschutzgeräten der Gruppen 2 und 3.

Die dargestellten Untersuchungsformen sind aber nicht die einzigen, die es gibt. Vielmehr sollten Sie auch diese kennen:

Einstellungsuntersuchung

Es gibt Tätigkeiten, die besonders belastend sind. Deswegen wird vor der Arbeitsaufnahme oft eine Einstellungsuntersuchung gefordert. Die Eignung des Bewerbers für eine bestimmte Tätigkeit soll so festgestellt werden.

Wichtig: Kein Muss, aber…

Die Teilnahme an der Untersuchung ist in der Regel freiwillig. Aber eines muss dem Ablehnenden klar sein: Ohne Untersuchung gibt es sicher keinen Job!

Bei Azubis sind Einstellungsuntersuchungen sogar im Berufsbildungsgesetz verpflichtend vorgesehen. Ohne Untersuchung keinen Ausbildungsplatz! Der Arzt klärt bei einer Einstellungsuntersuchung, ob eine Arbeitsunfähigkeit besteht oder unmittelbar bevorsteht, eine Erkrankung mit potenzieller Gefahr für Dritte besteht oder ob die Eignung des Bewerbers für die vorgesehene Tätigkeit eingeschränkt ist. Bei Beamten ist zusätzlich eine Prognose über die gesundheitliche Eignung bis zur Pensionierung zu stellen.

Eignungsuntersuchungen

Bei der Eignungsuntersuchung sollen die Fähigkeiten des Mitarbeiters hinsichtlich seiner Tätigkeit nachgewiesen werden. Hier geht es besonders darum, Selbst- und/oder Fremdgefährdung
auszuschließen. Bei Lkw-Fahrern wird etwa die Eignung zum Führen eines Pkw oder Lkw nach Fahrerlaubnisverordnung festgestellt. Diese Untersuchung ist vorgeschrieben und wichtig. Bei einem Lkw-Unfall kann nämlich eine Vielzahl von Unbeteiligten in Mitleidenschaft gezogen werden. Weitere Beispiele sind Untersuchungen nach der

  • Betriebsordnung Kraftfahrunternehmen im Personenverkehr,
  • Betriebsordnung Straßenbahnen oder
  • Binnenschifffahrtspatentverordnung und Rheinschifferpatentverordnung.

Dienstfähigkeits- oder außerordentliche Untersuchungen

Diese Untersuchungen erfolgen meist aus unschönem Anlass. Etwa dann, wenn ein Mitarbeiter in den Verdacht gerät, ein Blaumacher zu sein. Dann wird Ihre Dienststellenleitung den Arbeitsmedizinischen Dienst zurate ziehen. Hier wird dann eine Untersuchung eingeleitet, mit der festgestellt werden soll, ob der Beschäftigte blaumacht oder tatsächlich krank ist.

Tipp: ArbSchG nicht vergessen

Wird der Zusammenhang zwischen der Erkrankung eines Mitarbeiters und seiner Tätigkeit vermutet, kann der Arbeitgeber ihm eine Untersuchung nach § 11 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) anbieten. Diese sollten Ihre Kolleginnen und Kollegen auch wahrnehmen. Schon allein, um auszuschließen, dass die Erkrankung irgendwann zur Berufsunfähigkeit führt.

Orientieren Sie sich bezüglich der Untersuchungen einfach an der folgenden Tabelle:

Übersicht: Untersuchungen nach ArbMedVV

Untersuchung Definition Fallgruppe
Angebotsuntersuchung Angebotsuntersuchungen müssen dem Beschäftigten angeboten werden, die
Durchführung ist aber nicht verpflichtend.
Betroffen sind Tätigkeiten mit

  • Gefahrstoffen, z. B. in Laboren oder bei
    Reaktortransporten,
  • biologischen Arbeitsstoffen, z. B. Viren,
  • physikalischen Einwirkungen.
Pflichtuntersuchung Die Durchführung von Pflichtuntersuchungen ist für Ihren Dienstherrn zwingend vorgeschrieben. Hierbei gibt es zudem eine Dokumentationspflicht (Vorsorgedatei). Die Untersuchung ist Voraussetzung für den Tätigkeitsbeginn. Betroffen sind Tätigkeiten mit

  • Gefahrstoffen, z. B. in Laboren oder bei
    Reaktortransporten,
  • biologischen Arbeitsstoffen, z. B. Viren,
  • physikalischen Einwirkungen.
Wunschuntersuchung nach § 11 ArbSchG Wunschuntersuchungen hat Ihr Dienstherr dem Arbeitnehmer zu ermöglichen. Betroffen sind beispielsweise Tätigkeiten
bei besonderer Muskel-Skelett-Belastung.

Tipp: Anlaufstelle Amtsarzt

Setzen Sie sich mit Ihrem Amtsarzt zusammen. Dieser kann und muss Ihnen Auskunft darüber geben, welche Angebots- und Pflichtuntersuchungen bei Ihnen in der Dienststelle durchzuführen sind. Prüfen Sie dann, ob Ihr Dienstherr dem immer nachgekommen ist. Falls nicht, dann verlangen Sie die Durchführung der Untersuchungen. Sie haben schließlich ein Recht darauf. Zudem geht es um Ihre Gesundheit – so manche Berufskrankheit ließe sich bei gewissenhafter Untersuchung vermeiden.

Auch ist Ihr Dienstherr berechtigt, bei begründeter Veranlassung einen Nachweis von Ihrem Kollegen zu verlangen, dass er aus medizinischer Sicht seine Tätigkeit noch ausüben darf, § 3 Abs. 4 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst. Erinnern Sie ihn daran!

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