27.07.2011

Bagatellkündigungen: 5 Fragen, die Sie als Betriebsrat bitte unbedingt stellen!

Seitdem das BAG im Fall der Kassiererin „Emmely“ entschieden hat, dass der Diebstahl geringwertiger Waren oder Güter den Arbeitgeber nicht zwangsläufig zur fristlosen Kündigung berechtigt (Urteil vom 10.6.2010, Az. 2 AZR 541/09), haben auch die Gerichte unterer Instanz diesen Kurs eingeschwenkt.

Wichtig dabei:

Die Gerichte orientieren sich bei der Frage „fristlose Kündigung möglich oder nicht?“ an den Grundsätzen, die sich aus der jetzt erst veröffentlichten, schriftlichen Urteilsbegründung ergeben. Genau das sollten Sie als Betriebsrat auch tun, wenn Sie im Rahmen der Anhörung mit einem Fall von Bagatellkündigung konfrontiert werden.

Diese 5 Fragen sollten Sie im Gremium diskutieren:

Frage Grund
1. Wie lange ist die Mitarbeiterin / der Mitarbeiter schon im Betrieb? Lange Betriebszugehörigkeit spricht gegen die fristlose Kündigung!
2. Welche Unterhaltspflichten hat der Arbeitnehmer? Eine Kündigung kann immer nur das letzte Mittel sein – deshalb müssen Unterhaltspflichten abgewogen werden.
3. War das Arbeitsverhältnis bislang beanstandungsfrei? Viele Jahren Betriebszughörigkeit & erstes Vergehen sprechen gegen eine fristlose Kündigung.
4. Wie alt ist der Mitarbeiter? Hat er noch Chancen auf dem Arbeitsmarkt?
5. Gibt es andere Maßnahmen, die nach Abwägung der zuvor genannten Punkte angemessener sind? Dazu zählen vor allem Abmahnung und ggfs. eine Versetzung.

So entschied das Arbeitsgericht

Genau diese Fragen hat im aktuell entschiedenen Fall das Arbeitsgericht Bonn gestellt und im Fall eines Arbeitnehmers (und Mitglied des Betriebsrats) entschieden: Wer seit vielen Jahren (hier: 30 Jahre) im Unternehmen beschäftigt ist, und Schrauben im Wert von 28 Cent entwendet, kann nicht fristlos gekündigt werden. In diesem Fall ist eine Abmahnung das richtige Instrument (Beschluss vom 21. Oktober 2010, Az. 1 BV 47/10).

Fazit: Das Bundesarbeitsgericht hat Bagatellkündigungen nicht grundsätzlich verboten. Denn die Umstände des Einzelfalls entscheiden. Das heißt: Arbeitnehmer, die erst kurz im Betrieb sind und stehlen, können weiterhin fristlos gekündigt werden. Aber gerade bei sehr lange im Unternehmen Ihres Arbeitgebers beschäftigten Arbeitnehmern empfehle ich Ihnen, den Fragenkatalog von oben durchzugehen – und der Kündigung nach sorgfältiger Abwägung zu widersprechen.

Weitere Beiträge zu diesem Thema

 

23.10.2017
Freizeitausgleich für Dienstreisen Diese Ansprüche haben Sie als Betriebsrat

Als Betriebsrat sind Sie immer mal wieder auf Dienstreisen – sei es, weil Sie ein Seminar, sei es, weil Sie andere Standorte besuchen oder auch, um Ihre Kollegen aus dem Gremium an einem anderen Ort zu treffen. Die Anfahrten... Mehr lesen

23.10.2017
2011 – Ich will eine Lohnerhöhung!

Ich bin jetzt schon seit 10 Jahren im gleichen Betrieb tätig. Noch nie habe ich eine Lohnerhöhung erhalten. Ist das eigentlich in Ordnung? Wann kann ich endlich eine Lohnerhöhung verlangen?   Mehr lesen