28.06.2011

Betriebsvereinbarung Arbeitszeit: Was sich geändert hat

Wenn Ihr Arbeitgeber Arbeitszeitkonten führt, muss er seit dem 1.1.2009 neue Regeln beachten. Hintergrund ist das sogenannte Flexi-II-Gesetz, das der Bundestag verabschiedet hat. Ein wichtiger Punkt ist die bessere Insolvenzsicherung der Guthaben. Doch das ist nicht die einzige Änderung …
Aber der Reihe nach: Damit die erarbeiteten Ansprüche nicht verloren gehen, z. B. wenn der Arbeitgeber insolvent, also zahlungsunfähig wird, müssen diese geschützt werden. Denn der Logik nach müssen Arbeitnehmer, um Wertguthaben bilden zu können, zunächst einmal länger arbeiten, was höhere Belastungen bedeutet. Da der Insolvenzschutz bislang aber lückenhaft war, hat der Gesetzgeber nachgelegt – und sowohl die Nachweispflicht wie auch die Verpflichtung, Guthaben der Langzeitkonten abzusichern, deutlich verschärft!

Die erste Maßnahme

Aus den bisherigen „Zeitguthaben“ werden seit 1.1.2009 (in „Neufällen“) Wertguthaben. Das hat folgenden Hintergrund:

Das Anliegen: Sozialversicherungspflicht ohne Arbeit

Ein Arbeitnehmer ist und bleibt, wenn er Guthaben aus seinem Arbeitszeitkonto in Anspruch nimmt und nicht zur Arbeit erscheint, rechtlich gesehen weiterhin sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Und das gilt auch, wenn er für mehr als einen Monat von der Arbeit freigestellt ist, sofern

  • er in dieser Zeit Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben erhält, das er durch Vorarbeit aufgebaut hat,
  • die monatliche Vergütung ungefähr der monatlichen Vergütung der vorangegangenen 12 Monate entspricht und
  • der Aufbau des Wertguthabens schriftlich vereinbart wurde (§ 7 Abs. 1a Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV), § 7b SGB IV).

Der Arbeitgeber muss die Sozialversicherungsbeiträge dann in dem Monat abführen, in dem der Arbeitnehmer seine Vergütung erhält (Zuflussprinzip), und nicht – wie sonst in der Sozialversicherung – in dem Monat, in dem er sie erarbeitet hat (Entstehungsprinzip). Die Höhe der Abgaben errechnet sich dann anhand des Werts des Guthabens.

Ganz neu seit 1.1.2010: Wertguthaben für Minijobber

Seit 1.1.2009 sind auch Wertguthaben-Vereinbarungen für 400-s-Kräfte möglich. Knackpunkt war bis dato, dass die 400-s-Grenze trotzdem nicht überschritten werden durfte. Hier haben die Sozialversicherungsträger im Januar dieses Jahres Abhilfe geschaffen: Und zwar ist die Überschreitung der 400-s-Grenze unschädlich, wenn sich aus der Gesamtbetrachtung über das Beschäftigungsjahr ergibt, dass die 400-s-Grenze nicht überschritten wird.

Beispiel: So bleiben Minijobber auch Minijobber

Eine Servicekraft arbeitet auf 400-s-Basis. In der Sommerzeit macht sie Überstunden und würde dementsprechend 600 s pro Monat verdienen. Nach den alten Grundsätzen würde Sozialversicherungspflicht entstehen. Durch die Neuregelung können die Überstunden mit Zeiten verrechnet werden, in denen weniger Betrieb herrscht, und der Status als geringfügig Beschäftigte bleibt erhalten.

Achtung: Einmonatsgrenze berücksichtigen:

Entscheidend ist, dass keine freigestellten Zeiten entstehen, die länger als einen Monat andauern. Denn diese Stunden müssen wiederum in Wertguthaben angelegt werden.

Tipp: Bestehende Betriebsvereinbarungen zur Arbeitszeit überprüfen.

In diesem Zusammenhang sollten Sie als Betriebsrat jetzt prüfen, ob auch 400-s-Kräfte in Ihren Betriebsvereinbarungen erfasst sind. Falls dies nicht der Fall sein sollte, können Sie hierzu eine eigene Betriebsvereinbarung schließen. Es reicht aus, wenn Sie in dieser Vereinbarung auf die bestehende Betriebsvereinbarung verweisen und festhalten, dass die dort getroffenen Regelungen zu Wertguthaben auch für die Minijobber (= 400-s-Kräfte) im Unternehmen gelten.

Was der Arbeitgeber tun muss

Der Arbeitgeber muss die Wertguthaben der Arbeitnehmer jetzt in Form eines Entgeltkontos führen. Das bedeutet: Er muss angesammelte Arbeitszeiten in Entgelt umrechnen und dabei auch den Arbeitgeberanteil an den Sozialversicherungsbeiträgen mit einstellen (§ 7d SGB IV).

ACHTUNG: Für Wertguthaben, die der Arbeitgeber bislang als Zeitkonto geführt hat, braucht er keine Umstellung vorzunehmen (auch nicht in Bezug auf künftige Gutschriften). Da er aber nun mindestens einmal pro Jahr die Arbeitnehmer über die Höhe des Entgeltguthabens informieren muss, empfiehlt sich – auch im Sinne der Vergleichbarkeit – eine Umstellung aller Konten.

Ist die Anlage sicher?

Das Guthaben aus den Wertkonten legt der Arbeitgeber in der Regel verzinslich an. Die Anlage der Wertguthaben muss sicher erfolgen – entsprechend den Vorschriften über die Vermögenslage von Sozialversicherungsträgern (§§ 80 ff. SGB IV). Das bedeutet: Maximal 20 % dürfen in Aktien oder Aktienfonds fließen.

Lassen Sie sich vom Arbeitgeber hierüber informieren. Schließlich geht es um den Schutz von Guthaben, die die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bereits erarbeitet haben!

Insolvenzsicherung und deren Prüfung

In diesem Zusammenhang kommt das Thema Insolvenzsicherung ins Spiel. Schließlich kann – gerade in wirtschaftlich rauen Zeiten – jeder Arbeitgeber einmal in eine finanzielle Schieflage geraten. Deshalb muss der Arbeitgeber Vorsorge treffen. Und auch hier gibt es eine Neuregelung: Sobald das Guthaben einschließlich der darin enthaltenen Sozialversicherungsbeiträge die monatliche Bezugsgröße (2010: 2.555 s/West, 2.170 s/Ost) überschreitet, muss der Arbeitgeber hierfür eine Insolvenzsicherung vornehmen.

Wichtig: Alternative Sicherungen möglich

Die Insolvenzsicherung soll durch Übertragung des Wertguthabens auf ein Treuhandkonto erfolgen, das nicht an den Arbeitgeber zurückübertragen werden kann. Der Arbeitgeber kann mit dem Mitarbeiter aber auch eine andere, dem Treuhandverhältnis gleichwertige Sicherung vereinbaren (z. B. Versicherung, Verpfändung oder Bürgschaft). Bilanzielle Rückstellungen sowie zwischen Konzernunternehmen begründete Bürgschaften oder Patronatserklärungen genügen jedoch nicht.

Wichtig für Sie als Betriebsrat

Klären Sie mit dem Arbeitgeber, welche Form der Insolvenzsicherung er vornimmt, und treffen Sie hier ggf. eine kollektive Regelung. Gehen Sie aktiv vor. Denn: Die Insolvenzsicherung fällt in Ihren Aufgabenkatalog als Betriebsrat. Der Arbeitgeber muss Sie rechtzeitig und umfassend unterrichten. Zudem können Sie die erforderlichen Unterlagen zur Einsicht verlangen.

Achtung: Ob der Arbeitgeber für eine geeignete Insolvenzsicherung gesorgt hat, kontrollieren auch die Betriebsprüfer der Rentenversicherung, die regelmäßig ins Haus kommen. Bei Beanstandungen muss der Arbeitgeber innerhalb von 2 Monaten nachbessern. Andernfalls gilt die Vereinbarung über das Wertguthaben als unwirksam.

Konsequenz:
Er muss das Wertguthaben auflösen. Die darin enthaltenen Sozialversicherungsbeiträge werden sofort fällig. Wenn Sie also als Betriebsrat mitbekommen, dass die Deutsche Rentenversicherung eine Betriebsprüfung im Unternehmen Ihres Arbeitgebers vornimmt, sprechen Sie Ihren Arbeitgeber nach Abschluss der Prüfung an, was diese in Bezug auf die Insolvenzsicherung ergeben hat. Ein unfreiwilliges Auflösen der Wertguthaben kann nicht in Ihrem Sinne sein – und auch nicht im Sinne der Arbeitnehmer.

Was Sie als Betriebsrat noch über Wertguthaben wissen sollten

Wie ein Arbeitnehmer sein Wertguthaben verwendet, richtet sich bisher danach, was der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer vereinbart hat.

Seit dem 1.1.2009 entstandene Wertguthaben kann der Arbeitnehmer jetzt auch ohne besondere Regelung zur Überbrückung von Elternzeit, Pflegezeit oder auch bei einer Arbeitszeitverringerung gemäß § 8 Teilzeit und Befristungsgesetz („Recht auf Teilzeit“) nutzen (§ 7c SGB IV).

ACHTUNG:
Ihr Arbeitgeber kann dies durch vertragliche Regelungen einschränken. Auch hier empfiehlt sich dringend eine kollektive Regelung!

Was bei Beschäftigungsende passiert

Bei Beschäftigungsende kann der Mitarbeiter wie bisher verlangen, dass sein Wertguthaben auf den neuen Arbeitgeber übertragen wird, sofern dieser zustimmt. Alternativ kann das Guthaben seit 1.7.2009 auf die Deutsche Rentenversicherung Bund übertragen werden, sofern sein Wert das 6fache der monatlichen Bezugsgröße übersteigt.

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