01.04.2016

Einschlafen am Arbeitsplatz: Zuerst Abmahnung

Eine der wichtigsten Voraussetzungen einer verhaltensbedingten Kündigung ist – sofern der Beschäftigte Kündigungsschutz genießt – die vorherige Abmahnung. Prüfen Sie im Rahmen Ihrer Anhörung, ob der Arbeitgeber den von der Kündigung betroffenen Kollegen zuvor abgemahnt hat. Denn Ihr Arbeitgeber geht stets ein Risiko ein, wenn er eine verhaltensbedingte Kündigung ausspricht, ohne den Betroffenen zuvor abzumahnen. Das zeigt auch der folgende Fall (Arbeitsgericht Köln, 19.11.2014, Az. 7 Ca 2114/14).

 

Der Fall: Eine Mitarbeiterin der Bahn hatte ihren Dienst angetreten, obwohl es ihr an dem Tag nicht gut ging. Gleich zu Beginn des Arbeitstags teilte sie sowohl dem Zug- als auch dem Restaurantchef mit, dass sie sich nicht wohlfühle. Sie hatte zunächst außerdem geäußert, dass sie sich nicht krankmelden, sondern den Dienst trotzdem antreten wolle. Kurze Zeit später verschlechterte sich ihr Zustand jedoch. Sie zog sich daraufhin nach entsprechender Rücksprache mit ihrer Chefin in das Abteil für die diensthabenden Angestellten zurück, um sich auszuruhen. Mit der Chefin hatte die Beschäftigte außerdem abgesprochen, dass sie sie bei Bedarf rufen könne. Das war jedoch nicht geschehen. Die Arbeitnehmerin schlief stattdessen in dem Dienstabteil ein. Sie wachte erst nach 7 Stunden Fahrt wieder auf und widmete sich erst danach ihrer Arbeit.

 

Arbeitgeber kündigt
Der Arbeitgeber bewertete das Einschlafen als Arbeitsverweigerung. Er nahm das Verhalten zum Anlass, der Beschäftigten gegenüber eine Kündigung auszusprechen. Im Zusammenhang mit der Kündigung wies er zudem darauf hin, dass die Beschäftigte bereits 2-mal wegen Verschlafens des Dienstbeginns abgemahnt worden sei. Die Arbeitnehmerin wehrte sich mit einer Kündigungsschutzklage – mit Erfolg.

Abmahnung wegen Einschlafens fehlt
Die Entscheidung: Das Gericht erklärte die Kündigung für unwirksam. Und zwar mit der Begründung, dass es an einer Abmahnung wegen des Einschlafens fehle.

Die Richter ließen offen, ob die Arbeitnehmerin durch das Einschlafen während ihrer Arbeitszeit eine arbeitsvertragliche Pflicht verletzt habe. Sie entschieden deshalb auch nicht darüber, ob die fehlende förmliche Krankmeldung als Pflichtverletzung zu beurteilen sei.

 

Milderes Mittel ist angesagt
Denn das Gericht hielt die Kündigung für unverhältnismäßig. In einem solchen Fall hätte eine Abmahnung als milderes Mittel ausgereicht. Daran fehle es jedoch. Die bereits erteilten Abmahnungen wegen des Verschlafens des Dienstbeginns hielten die Richter nicht für einschlägig.

Ein Verschlafen vor Dienstbeginn und ein Einschlafen am Arbeitsplatz seien nicht miteinander vergleichbar. Inhaltlich handle es sich um unterschiedliche Pflichtverletzungen. Zudem sei es nicht nachvollziehbar, wieso keiner der Kollegen nach der kranken Arbeitnehmerin geschaut und diese – wie zuvor vereinbart – im Zweifel geweckt habe.

 

So reden Sie bei verhaltensbedingten Kündigungen mit
Der Ausspruch der Abmahnung unterliegt zwar nicht Ihrer Mitbestimmung. Sie haben mit der Abmahnung aber bei Ihrer Anhörung zur Kündigung zu tun. Ihr Arbeitgeber ist nämlich verpflichtet, Sie vor Ausspruch einer Kündigung anzuhören (§ 102 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz). Eine Kündigung ohne Anhörung ist unwirksam.

Nach der Anhörung muss Ihr Arbeitgeber zunächst Ihre Stellungnahme abwarten. Nutzen Sie diese in einem vergleichbaren Fall, um darauf hinzuweisen, dass eine zuvor erteilte Abmahnung inhaltlich andere Pflichtverletzungen betrifft.

Prüfen Sie in diesem Zusammenhang auch stets, ob die verhaltensbedingte Kündigung das angemessene Mittel ist, um das Verhalten des Kollegen zu sanktionieren. Orientieren Sie sich dabei an der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Dieses hält eine Kündigung für gerechtfertigt, wenn keine zumutbare Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung besteht und die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach Abwägung der Interessen beider Seiten angemessen erscheint.

Nichtsdestotrotz: Eine Kündigung können Sie regelmäßig nicht verhindern. Denn liegt Ihre Stellungnahme vor, kann Ihr Arbeitgeber kündigen.

Ihre Aufgabe ist es dann, den betroffenen Kollegen bestmöglich zu unterstützen. Empfehlen Sie ihm zum Beispiel, eine Kündigung unbedingt von einem Rechtsanwalt auf ihre Wirksamkeit hin prüfen zu lassen.

 

Checkliste: Verhaltensbedingte Kündigung

Informiert Ihr Arbeitgeber Sie im Rahmen einer Anhörung über eine verhaltensbedingte Kündigung, sind Sie gehalten, eine sorgfältige Prüfung vorzunehmen. Dafür benötigen Sie so viele Informationen wie möglich. In der nachfolgenden Checkliste habe ich Ihnen die wichtigsten Punkte, über die Sie unterrichtet sein sollten, zusammengestellt.

ZU ERTEILENDE INFORMATIONEN:

  1. Persönliche Daten: Name, Alter, Betriebszugehörigkeit seit …, Familienstand, Unterhaltspflichten, ausgeübte Tätigkeit, Abteilung, Tarifbindung
  2. Kündigungsbedingungen: gesetzliche Frist, tarifliche Frist, vertragliche Frist, Kündigung möglich zum …, Kündigungszugang spätestens am …
  3. Kündigungshindernisse: Schwerbehinderung, Mutterschutz, Elternzeit, Auszubildender, Betriebsratsmitglied, sonstige Hindernisse
  4. Vorausgegangene Abmahnungen: bisherige Abmahnungen, wann, wie, nachweisbar durch …, abgemahntes Verhalten
  5. Kündigungsgrund: einschlägiger Wiederholungsfall, nachweisbar durch …, letzte Abmahnung am …, Verhaltensänderung, Änderungskündigung, Versetzung, Interessenabwägung, Anhörung des Arbeitnehmers
  6. Betriebsrat: Mitteilung der Kündigungsabsicht, Ablauf der Anhörungsfrist
  7. Kündigung: Schreiben vom …, zugestellt am … durch …, Ablauf der Klagefrist am …
  8. Sonstiges: Zahlungsansprüche, Resturlaub, Freistellung, Abfindung beachtet

 

Fazit: Wer an seinem Arbeitsplatz einschläft, dem darf nicht ohne Weiteres sofort gekündigt werden. Voraussetzung einer solchen Kündigung ist eine vorherige Abmahnung

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