23.05.2017

Freistellungsansprüche von Arbeitnehmern

Freistellung ist das eine. Daneben gibt es aber auch sehr ähnliche Themen in Ihrem Alltag als Personalrat, nämlich Sonderurlaub und Arbeitsversäumnisse. Die 3 Begriffe bedeuten etwas Verschiedenes und haben unterschiedliche Auswirkungen auf die Bezahlung, Abrechnung und Abwicklung.
Sonderurlaub wird aus speziellen, meistens außerhalb des Arbeitsverhältnisses liegenden Anlässen gegeben. Ursachen für eine Arbeitsverhinderung und Freistellungsansprüche können in persönlichen Gründen eines Arbeitnehmers oder im öffentlichen Interesse liegen.

Beispiele:

  • Eheschließung
  • Umzug
  • Tätigkeit als ehrenamtlicher Arbeitsrichter

Freistellung am Ende des Arbeitsverhältnisses
Ein besonders wichtiger Fall der Freistellung ergibt sich häufig am Ende eines Arbeitsverhältnisses: Einem Kollegen wurde gekündigt und Ihr Dienstherr möchte nicht, dass er noch weiter am Arbeitsplatz erscheint. Deshalb stellt er ihn frei.

Da ein Arbeitnehmer einen rechtlichen Anspruch auf Entgegennahme seiner Arbeitsleistung hat, ist eine einseitig durch den Dienstherrn erklärte Freistellung nur in seltenen Fällen rechtlich erlaubt. Grundvoraussetzung ist dabei stets, dass Ihr Dienstherr das Arbeitsentgelt fortzahlt. Eine einseitige Freistellung unter Wegfall des Vergütungsanspruchs ist stets unzulässig.

Dann ist die Freistellung erlaubt
Erlaubt ist eine einseitig durch den Dienstherrn erklärte Freistellung, wenn sein Interesse das Interesse des Arbeitnehmers an einer vertragsgemäßen Beschäftigung überwiegt. Das ist dann anzunehmen, wenn

  • es keine Einsatzmöglichkeit gibt,
  • das Vertrauensverhältnis zwischen den Vertragsparteien massiv gestört ist,
  • von dem Kollegen eine Gefahr etwa wegen ansteckender Krankheiten ausgeht,
  • das Arbeitsverhältnis bereits gekündigt worden ist, es nur für die Dauer der Kündigungsfrist besteht sowie die Kündigungsfrist kurz ist oder
  • der Kollege einen erheblichen, der Kündigungsfrist in etwa entsprechenden Urlaubsanspruch oder Freizeitausgleichsanspruch besitzt.

Vorformulierte Vertragsklauseln
Eine im Arbeitsvertrag bereits vereinbarte generelle Freistellungsbefugnis des Dienstherrn ist eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers und daher in arbeitgeberseitig vorformulierten Arbeitsbedingungen unzulässig. Denn damit werden wesentliche Rechte des Arbeitnehmers, nämlich sein Beschäftigungsanspruch, umgangen.
Aber: Eine formularmäßige Freistellungsbefugnis ist zulässig, wenn sie davon abhängig gemacht wird, dass das Freistellungsinteresse des Dienstherrn aus sachlichen Gründen das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers überwiegt, also z. B. für das Ende des Arbeitsverhältnisses.

Muster-Formulierung: Arbeitsvertrag
„Im Fall einer Kündigung ist der Arbeitgeber berechtigt, den Arbeitnehmer unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeitsleistung freizustellen.“

Rechte durchsetzen
Wenn Ihr Dienstherr in anderen Fällen eine einseitige Freistellung ausspricht, kann sich ein Arbeitnehmer dagegen zur Wehr setzen.

Wichtige Urteile zur Freistellung unter Urlaubsanrechnung
Gerne stellen Arbeitgeber am Ende des Beschäftigungsverhältnisses Arbeitnehmer unter Urlaubsanrechnung frei. Grundsätzlich ist das möglich, wenn eine Freistellung nach den oben genannten Grundsätzen rechtmäßig ist. Allerdings schränkt die Rechtsprechung das ein:

  1. Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm (14.3.2013, Az. 16 Sa 763/12)
    Wird ein Arbeitnehmer unter Anrechnung der Urlaubsansprüche nach einer außerordentlichen fristlosen Kündigung freigestellt, stellt dieses keine Erfüllung des Urlaubsanspruchs des Arbeitnehmers dar. In diesem Fall kann der Arbeitnehmer also seinen Urlaub oder eine Abgeltung noch einfordern.
  2.  Bundesarbeitsgericht (19.5.2009, Az. 9 AZR 433/08)
    Eine nur widerrufliche Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeitspflicht unter Urlaubsanrechnung führt nicht dazu, dass der Urlaubsanspruch erfüllt wird. Aber: Ergibt sich aus einem Arbeitszeitkonto ein Freizeitausgleichsanspruch des Arbeitnehmers, so kann der Dienstherr bzw. Arbeitgeber diesen auch durch eine widerrufliche Freistellung erfüllen.

Ihre Mitbestimmungsrechte als Personalrat
Klar ist, dass bei Arbeitsversäumnissen grundsätzlich kein Mitbestimmungsrecht für Sie als Personalrat vorliegt. Das liegt in der Natur der Sache begründet: Steht Ihr Kollege im Stau, dann können Sie nicht mitbestimmen.

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Ihre Rechte
Das Blatt wendet sich bei Freistellungen, wenn Ihr Dienstherr Regelungen aufstellen möchte, wie in solchen Situationen generell zu verfahren ist. Dann liegt eine kollektiv-rechtliche Regelung vor und Sie sind im Boot.

Beim Thema Sonderurlaub gilt Folgendes:
Nach § 75 Abs. 3 Bundespersonalvertretungsgesetz haben Sie ein Mitbestimmungsrecht,
• wenn es um die Aufstellung eines Urlaubsplans geht,
• bei der Festsetzung der zeitlichen Lage des Urlaubs für den einzelnen Arbeitnehmer, soweit zwischen Dienststellenleiter und den beteiligten Arbeitnehmern kein Einverständnis erzielt wird.
Mit Urlaub ist dabei nicht nur der jährliche Erholungsurlaub eines Kollegen gemeint, sondern jede Form des Urlaubs, auch der unbezahlte Sonderurlaub.
TVöD beachten
Nach § 28 Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) können Beschäftigte bei Vorliegen eines wichtigen Grundes unter Verzicht auf die Fortzahlung des Entgelts Sonderurlaub erhalten.
In § 29 TVöD finden sich Fälle der Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Entgelts.

Anspruch auf bezahlte Freistellung
Bezahlte Freistellungsansprüche sind zudem in § 616 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geregelt. Danach hat Ihr Dienstherr Sie und Ihre Kollegen während einer Arbeitsverhinderung zu bezahlen, wenn Sie
• für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit
• durch einen in Ihrer Person liegenden Grund
• ohne Ihr Verschulden
an der Arbeitsleistung verhindert sind.

Aus diesem Paragrafen ergibt sich also, dass es Gründe für Kollegen gibt, nicht zur Arbeit zu erscheinen und trotzdem von Ihrem Dienstherrn Geld zu bekommen.

Verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit
Wenn Sie feststellen möchten, ob eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ gegeben ist, müssen Sie
• den Grund für die persönliche Verhinderung,
• die Dauer der persönlichen Verhinderung und
• die Beschäftigungsdauer in der Dienststelle berücksichtigen. Das ist die Grundregel Grundsätzlich gilt, dass bei einer Dauer des Arbeitsverhältnisses
• von bis zu 6 Monaten längstens 3 Tage,
• von 6 bis 12 Monaten längstens 1 Woche und
• ab 1 Jahr längstens 2 Wochen
als verhältnismäßig unerheblich angesehen werden.

Objektiver Grund
Keinen Anspruch auf bezahlte Freistellung hat ein Arbeitnehmer, wenn ein objektiver Grund für die Arbeitsverhinderung vorliegt.

Beispiel: Objektiver Grund
Ein Kollege kann durch einen Verkehrsstau nicht rechtzeitig zur Arbeit erscheinen, es gibt einen Fluglotsenstreik, es liegt eine Flutkatastrophe oder eine andere „höhere Gewalt“ vor oder Ihre Dienststelle wird wegen des Funds einer Fliegerbombe für einen Tag stillgelegt.
So wird die freie Zeit bezahlt
Ist vertraglich oder tarifvertraglich nichts anderes geregelt, gilt das Lohnausfallprinzip. Ihre Kollegen erhalten also das Geld, welches sie bekommen würden, wenn sie durchgehend gearbeitet hätten.

Freistellungs- und Sonderurlaubsansprüche von A bis Z
In der folgenden Übersicht können Sie nachlesen, ob Sie oder einer Ihrer Kollegen einen Anspruch auf einen Sonderurlaub oder auf eine Freistellung von der Arbeitspflicht hat.

Verträge prüfen
Vielfach ergeben sich Sonderurlaubs- und Freistellungsansprüche aus Arbeits- oder Tarifverträgen. Auf diese Besonderheiten geht die Tabelle nicht ein.

Übersicht: Freistellung und Sonderurlaub

Anlass

Sonderurlaub/Freistellung

Anspruch auf Bezahlung

Anmerkungen

Autopanne auf
dem Weg zur Arbeit

Ja

Ja

Es sei denn,
dass die Panne selbst verschuldet war.

Beerdigung von
Freunden

Nein

Nein

Sieht das
Gesetz nicht vor.

Beerdigung von
Verwandten

Ja

Ja

Das gilt aber
nur für nahe Verwandte.

Bildungsurlaub

Ja

Ja

Gibt es in
allen Bundesländern, außer: Baden-Württemberg, Bayern, Sachsen und Thüringen.

Ehrenamtliche
Gewerkschaftsarbeit

Nein

Nein

Ausnahmefall
ist: unbezahlter Urlaub für einen Gewerkschaftstag, der nur alle 4 Jahre
stattfindet (LAG Köln, 11.1.1990, Az. 8 Sa 1020/89).

Feuerwehreinsatz/THW

Ja

Ja

Teilweise
bekommt der Dienstherr das Entgelt erstattet

Hochzeit,
eigene

Ja

Ja

Häufig ist das
in Tarifverträgen geregelt.

Hochzeit naher
Angehöriger

Ja

Ja

Das ist auch
häufig in Traifverträgen geregelt.

Pilgerreise

Ja

Nein

Ein
Freistellungsanspruch wird sich aus dem Grundrecht der Religionsausübungsfreiheit
ergeben.

Prüfung,
betrieblich veranlasst

Ja

Ja

Der Dienstherr
ist der Verursacher und muss zahlen.

Rechtsanwaltsbesuch

Nein

Nein

Für einen
Rechtsanwaltsbesuch hat Ihr Kol

Schwer – behindertenvertretung

Ja

Ja

Das gilt für die Arbeit als Vertrauensperson inklusive der
Schulungen.

Stellensuche nach Kündigung

Ja

Ja

Der Anspruch ergibt sich aus § 629 BGB.

Umzug aus betrieblichen Gründen

Ja

Ja

Der Dienstherr ist der Verursacher und muss zahlen

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