Ist ein Beschäftigter in Ihrem Unternehmen länger als 6 Wochen am Stück oder häufig kurz erkrankt und überschreitet er dabei die 6-Wochen-Grenze innerhalb eines Jahres, dann hat Ihr Dienstherr die Pflicht, ihm ein Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anzubieten, § 84 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) IX. Ihre Dienststellenleitung darf hier nicht gleich an eine krankheitsbedingte Kündigung denken. So soll zum einen die Arbeitskraft des Beschäftigten wiederhergestellt, erhalten und zum anderen die Zahl der krankheitsbedingten Kündigungen reduziert werden.
Beispiel: Der Arbeitsunfall
Ihr Kollege erleidet einen Arbeitsunfall. Er wird einem Schwerbehinderten gleichgestellt und ist erstmal 4 Monate krank. Nach seiner Rückkehr kann er seine Arbeit noch nicht zu 100 % aufnehmen. Der Dienstherr darf nun nicht gleich kündigen, sondern muss ein BEM vorschlagen. Der Mitarbeiter kann dieses Angebot annehmen oder nicht. Das BEM ist für ihn freiwillig.
Ihr Dienstherr muss mit dem Beschäftigten erörtern, wie die Schwierigkeiten beseitigt werden können und das Arbeitsverhältnis möglichst dauerhaft fortgesetzt werden kann.
Wichtig
Das BEM bezieht sich auf alle Mitarbeiter, nicht nur auf schwerbehinderte Menschen.
Das muss Ihre Dienststellenleitung tun
Wenn Ihr Dienstherr nun ein BEM anbietet, muss er sich im Vorfeld bereits einige Gedanken machen. 3 Prüfungspunkte sind hier besonders hervorzuheben:
Als Erstes sollte Ihre Dienststellenleitung prüfen, ob er den Arbeitsplatz krankheitsgerecht ausgestalten kann. Was hat der Beschäftigte? Hier müsste sie den Beschäftigten fragen, antworten muss er aber nicht. Ein Rückenleiden – hier kann ein Stehpult schon helfen.
Bei Ihren behinderten Kollegen gilt, dass der Dienstherr den Arbeitsplatz behindertengerecht ausgestalten muss, wenn dies nicht mit unverhältnismäßig hohen Kosten verbunden ist, § 81 Abs. 4 Nr. 1, 4 und 5 SGB IX.
Unter dem Begriff Ausgestaltung des Arbeitsplatzes ist aber nicht nur die technische Ausgestaltung zu verstehen. Gemeint ist z. B. auch die Teilzeitarbeit (mit Steigerungsoption der Arbeitszeit) oder der Einsatz an unterschiedlichen Arbeitsplätzen.
Kann der Dienstherr den Arbeitsplatz nicht umgestalten, muss er prüfen, ob er den Beschäftigten auf einem anderen Arbeitsplatz in der Dienststelle weiterbeschäftigen kann. Auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz versteht sich.
Erst wenn das auch nicht geht, darf der Dienstherr an eine Kündigung denken.
Ihre Aufgabe als Personalrat: Prüfen Sie, ob wirklich alle Möglichkeiten ausgeschöpft wurden
Jetzt sind Sie als Personalrat gefragt. Als Vertretung der Beschäftigten in der Dienststelle ist es Ihre Aufgabe, zu prüfen, ob der Dienstherr alle Maßnahmen zur Wiedereingliederung ausgeschöpft hat.
Tipp
Eine Dienstvereinbarung schafft Sicherheit. Schließen Sie mit Ihrem Dienstherrn deshalb eine Dienstvereinbarung zum Thema BEM.
Lassen Sie sich nicht darauf ein, wenn Ihnen Ihre Dienststellenleitung vorschlägt, eine Integrationsvereinbarung statt einer Dienstvereinbarung zum BEM zu schließen. Das reicht nicht! Denn die Integrationsvereinbarung bezieht sich nur auf Ihre schwerbehinderten Kollegen und Kolleginnen, das BEM aber auf alle Beschäftigten. Schlagen Sie im Gegenzug Ihrem Dienstherrn vor, die Integrationsvereinbarung gleich als Annex zum BEM abzuschließen. In der Dienstvereinbarung achten Sie dabei insbesondere auf die Einhaltung des Datenschutzes. Regeln Sie die folgenden Punkte:
So kann ein BEM aussehen
Beim BEM stehen 2 Fragen im Vordergrund:
Für Sie, Ihre Dienststellenleitung und den Mitarbeiter stellt sich also die Frage, mit welchen Maßnahmen der Arbeitsplatz oder Arbeitsablauf so umgestaltet werden kann, dass eine Wiedereingliederung möglich ist. Hierbei kommen folgende Leistungen oder Hilfen in Betracht:
Medizinische Leistungen:
Ergonomisch, z. B. durch:
Arbeitsorganisatorisch etwa durch:
Sozial durch Hilfsangebote bei:
5 Schritte für ein erfolgreiches BEM
Legen Sie sich mit Ihrer Dienststellenleitung auf die folgenden 5 Schritte zur Einführung des BEM fest. Dann kann gar nichts mehr schiefgehen:
Ihr Dienstherr sollte kontinuierlich die Arbeitsunfähigkeitszeiten der Mitarbeiter erfassen. Mit Mitarbeitern, die innerhalb der letzten 12 Monate mehr als 6 Wochen arbeitsunfähig waren, muss ein Gespräch über das BEM geführt werden.
Im Rahmen dieses Gesprächs muss der Mitarbeiter informiert werden über
Zur Erhebung dieser Daten muss sein Einverständnis eingeholt werden.
Lehnt Ihr Kollege das BEM ab, enden Ihre Aktivitäten und die des Dienstherrn bezüglich des BEM. Es muss jetzt geprüft werden, ob der Mitarbeiter weitereingesetzt werden kann. Falls nicht, wird die Kündigung folgen. Im Kündigungsschutzprozess könnte dem Kollegen die Ablehnung negativ ausgelegt werden, denn wie viel liegt ihm wirklich am Arbeitsplatz, wenn er nicht mal ein BEM durchführen möchte?
Will der Mitarbeiter aber das BEM durchführen (wozu ich dringend rate), folgt der 3. Schritt:
Das BEM kann Ihr Dienstherr nicht allein festlegen und durchziehen. Zwingend hinzuziehen muss er Sie als Personalrat, und wenn der Mitarbeiter schwerbehindert ist, die Schwerbehindertenvertretung, bei Bedarf auch den Amtsarzt. Zudem ist das BEM ein freiwilliges Verfahren, ohne die Zustimmung des Beschäftigten geht gar nichts.
Sie müssen sich nun alle mit dem Mitarbeiter zusammensetzen und folgende Punkte beraten:
Nach einem bis 2 Monaten sollte dann geprüft werden, ob der Mitarbeiter am veränderten bzw. neuen Arbeitsplatz normal leistungsfähig ist oder ob weitere Maßnahmen zu ergreifen sind. Wenn es ganz schlecht läuft, kann sich auch herausstellen, dass das BEM gescheitert ist. Dann wird dem Mitarbeiter die krankheitsbedingte Kündigung drohen.
Hier gibt’s Geld
In § 84 Abs. 2 SGB IX ist geregelt, dass Rehabilitationsträger und Integrationsämter Prämien an Arbeitgeber zahlen können, die ein BEM einführen. Solche Prämien sind z. B.
Hier sollte sich Ihre Dienststellenleitung auf jeden Fall bei der Deutschen Rentenversicherung Bund, den Berufsgenossenschaften, den Krankenkassen und den Integrationsämtern informieren.
Denn diese zahlen die Prämien nur aus, wenn Ihr Dienstherr im Rahmen des BEM mehr leistet, als der Gesetzgeber von ihm fordert. Es reicht also nicht, „nur“ ein BEM einzuführen.
Dennoch sollte er sich informieren. Denn warum sollte er sich – gerade in der heutigen Zeit – eine Finanzspritze entgehen lassen?
Eigeninitiative ist auch deshalb gefragt, weil es keine einheitliche Förderpraxis in Deutschland gibt. Die eine Krankenkasse fördert, die andere nicht. Die Untätigkeit rührt daher, dass viele Arbeitgeber keine Initiativanträge stellen. Ein Grund mehr für Ihre Dienststelle, hier Vorreiter zu sein.
Aber auch ohne Geld ist klar: BEM geht vor Kündigung. Nur der Arbeitgeber, der ein BEM versucht, ist ein guter Arbeitgeber!