29.01.2019

Diebstahlsverdacht kann fristlose Kündigung rechtfertigen

Die Verdachtskündigung ist eine spezielle Form der verhaltensbedingten Kündigung. Das Besondere daran ist, dass der Betroffene lediglich verdächtigt wird, Unrecht begangen zu haben. Und zwar angefangen von einer Verfehlung bis hin zu einer Straftat. Einen Nachweis, dass der Arbeitnehmer sich tatsächlich falsch verhalten hat, gibt es nicht. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln hatte kürzlich über eine solche Verdachtskündigung zu entscheiden. Der Diebstahlsverdacht betraf ein Mitglied des Betriebsrats. 

Arbeitgeber verdächtigt Lagermitarbeiter des Diebstahls 

Der Fall: Der Arbeitgeber, ein Computer-Großhändler, stellte im Oktober 2016 das Fehlen von 80 Festplatten im Wert von 24.000 € fest. Er wertete deshalb die Aufnahmen der Videoüberwachungsanlage aus. Dabei fiel ihm das Verhalten eines Lagermitarbeiters auf. Die Videoaufnahmen zeigten, wie der Arbeitnehmer eine Warensendung mit Festplatten aus dem Aufnahmebereich der Kamera schob und daran hantierte. 

Wenig später konnte er erkennen, dass auf der Palette Kisten fehlten. Zudem zeigten die Videoaufnahmen, wie der Arbeitnehmer mit einem größeren Karton das Lager verließ. Der Arbeitgeber stellte ihn daraufhin zur Rede. Er konfrontierte ihn mit den Ergebnissen seiner Auswertung, doch der konnte sein Vorgehen nicht erklären. 

Arbeitgeber will Arbeitnehmer fristlos kündigen 

Der Arbeitgeber wollte dem Arbeitnehmer deshalb kündigen. Dieser war jedoch Mitglied des Betriebsrats. Wegen des bestehenden Sonderkündigungsschutzes blieb dem Arbeitgeber nur eine außerordentliche Kündigung. Er bat deshalb zunächst das Betriebsratsgremium um Zustimmung zur fristlosen Kündigung. Dieses verweigerte die Zustimmung, weil es den Diebstahlsverdacht für nicht stichhaltig hielt. Daraufhin klagte der Arbeitgeber auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats. 

Gericht ersetzt die Zustimmung 

Die Entscheidung: Der Arbeitgeber bekam recht. Das Gericht er- setzte die Zustimmung des Gremiums. Es hielt die außerordentliche Kündigung des Betriebsrats für gerechtfertigt (LAG Köln, 6.7.2018, Az. 9 TaBV 47/17). In ihrer Begründung stellten die Richter Folgendes klar: Aus ihrer Sicht bestehe der begründete Tatverdacht, sodass eine außerordentliche Kündigung als Verdachtskündigung gerechtfertigt sei. Zu diesem Ergebnis kamen sie aufgrund der Auswertung der Videoaufnahmen im Zusammenhang mit einem Abgleich des Warenwirtschaftssystems. Es lägen danach hinreichend dringende Indizien dafür vor, dass der Arbeitnehmer die fehlenden 80 Festplatten entwendet habe. 

Außerordentliche Verdachtskündigung setzt wichtigen Grund voraus

Ihr Arbeitgeber darf eine Verdachtskündigung grundsätzlich nur aussprechen, wenn er einen ganz konkreten Tatverdacht hat. Das heißt: Der Verdacht muss durch bestimmte Tatsachen begründet sein. Zu einer außerordentlichen Verdachtskündigung ist Ihr Arbeitgeber zudem – wie bei anderen außerordentlichen Kündigungen – nur berechtigt, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein solcher ist z. B. gegeben, wenn – wie hier – Eigentums- bzw. Vermögensdelikte zu seinem Nachteil begangen wurden. 

Prüfen Sie als Betriebsrat im Zweifelsfall alle Indizien kritisch. Besteht danach die große Wahrscheinlichkeit, dass gerade ein bestimmter Arbeitnehmer die Tat begangen hat, werden Sie es schwer haben, Ihren Arbeitgeber von einer Verdachtskündigung abzubringen. Stellen Sie sich dabei am besten folgende Kontrollfrage, anhand derer das Bundesarbeitsgericht den dringenden Tatverdacht bei Verdachtskündigungen prüft: Wird ein Dritter, dem ich alle Tatsachen und Indizien vortrage, den Verdacht als gerechtfertigt ansehen oder nicht? Anhand der folgenden Checkliste können Sie prüfen, ob die Voraussetzungen einer Verdachtskündigung gegeben sind. 

Checkliste: Verdachtskündigung gerechtfertigt? 

  • Ihr Arbeitgeber verdächtigt einen Ihrer Kollegen einer schwerwiegenden Pflichtverletzung bzw. Straftat. 
  • Für seinen Verdacht bringt er einen objektiven, dringenden Tatverdacht vor. 
  • Zwischen der Verdachtstat und der geschuldeten Arbeitsleistung besteht ein Zusammenhang. 
  • Ihr Arbeitgeber hat dem betroffenen Kollegen innerhalb einer Woche nach dem angeblichen Ereignis Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. 
  • Die Stellungnahme wurde schriftlich dokumentiert. 
  • Ihr Arbeitgeber hat im Rahmen seiner Nachforschungspflicht alles weitere Erforderliche und Zumutbare getan, um dem Verdacht auf den Grund zu gehen. 
  • Ihr Arbeitgeber hat seine Vorgehensweise dokumentiert. 
  • Der dringende Verdacht hat sich aufgrund seiner Nachforschungen und anhand objektiver Indizien bestätigt. 
  • Der Arbeitgeber hat einen eventuell vorliegenden besonderen Kündigungsschutz berücksichtigt. Mildere Maßnahmen als eine Kündigung scheiden aus. 

Können Sie überall das Ja ankreuzen, ist die Verdachtskündigung voraussichtlich gerechtfertigt. 

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