Die Verdachtskündigung ist eine spezielle Form der verhaltensbedingten Kündigung. Das Besondere daran ist, dass der Betroffene lediglich verdächtigt wird, Unrecht begangen zu haben. Und zwar angefangen von einer Verfehlung bis hin zu einer Straftat. Einen Nachweis, dass der Arbeitnehmer sich tatsächlich falsch verhalten hat, gibt es nicht. Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln hatte kürzlich über eine solche Verdachtskündigung zu entscheiden. Der Diebstahlsverdacht betraf ein Mitglied des Betriebsrats.
Der Fall: Der Arbeitgeber, ein Computer-Großhändler, stellte im Oktober 2016 das Fehlen von 80 Festplatten im Wert von 24.000 € fest. Er wertete deshalb die Aufnahmen der Videoüberwachungsanlage aus. Dabei fiel ihm das Verhalten eines Lagermitarbeiters auf. Die Videoaufnahmen zeigten, wie der Arbeitnehmer eine Warensendung mit Festplatten aus dem Aufnahmebereich der Kamera schob und daran hantierte.
Wenig später konnte er erkennen, dass auf der Palette Kisten fehlten. Zudem zeigten die Videoaufnahmen, wie der Arbeitnehmer mit einem größeren Karton das Lager verließ. Der Arbeitgeber stellte ihn daraufhin zur Rede. Er konfrontierte ihn mit den Ergebnissen seiner Auswertung, doch der konnte sein Vorgehen nicht erklären.
Der Arbeitgeber wollte dem Arbeitnehmer deshalb kündigen. Dieser war jedoch Mitglied des Betriebsrats. Wegen des bestehenden Sonderkündigungsschutzes blieb dem Arbeitgeber nur eine außerordentliche Kündigung. Er bat deshalb zunächst das Betriebsratsgremium um Zustimmung zur fristlosen Kündigung. Dieses verweigerte die Zustimmung, weil es den Diebstahlsverdacht für nicht stichhaltig hielt. Daraufhin klagte der Arbeitgeber auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats.
Die Entscheidung: Der Arbeitgeber bekam recht. Das Gericht er- setzte die Zustimmung des Gremiums. Es hielt die außerordentliche Kündigung des Betriebsrats für gerechtfertigt (LAG Köln, 6.7.2018, Az. 9 TaBV 47/17). In ihrer Begründung stellten die Richter Folgendes klar: Aus ihrer Sicht bestehe der begründete Tatverdacht, sodass eine außerordentliche Kündigung als Verdachtskündigung gerechtfertigt sei. Zu diesem Ergebnis kamen sie aufgrund der Auswertung der Videoaufnahmen im Zusammenhang mit einem Abgleich des Warenwirtschaftssystems. Es lägen danach hinreichend dringende Indizien dafür vor, dass der Arbeitnehmer die fehlenden 80 Festplatten entwendet habe.
Ihr Arbeitgeber darf eine Verdachtskündigung grundsätzlich nur aussprechen, wenn er einen ganz konkreten Tatverdacht hat. Das heißt: Der Verdacht muss durch bestimmte Tatsachen begründet sein. Zu einer außerordentlichen Verdachtskündigung ist Ihr Arbeitgeber zudem – wie bei anderen außerordentlichen Kündigungen – nur berechtigt, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein solcher ist z. B. gegeben, wenn – wie hier – Eigentums- bzw. Vermögensdelikte zu seinem Nachteil begangen wurden.
Prüfen Sie als Betriebsrat im Zweifelsfall alle Indizien kritisch. Besteht danach die große Wahrscheinlichkeit, dass gerade ein bestimmter Arbeitnehmer die Tat begangen hat, werden Sie es schwer haben, Ihren Arbeitgeber von einer Verdachtskündigung abzubringen. Stellen Sie sich dabei am besten folgende Kontrollfrage, anhand derer das Bundesarbeitsgericht den dringenden Tatverdacht bei Verdachtskündigungen prüft: Wird ein Dritter, dem ich alle Tatsachen und Indizien vortrage, den Verdacht als gerechtfertigt ansehen oder nicht? Anhand der folgenden Checkliste können Sie prüfen, ob die Voraussetzungen einer Verdachtskündigung gegeben sind.
Können Sie überall das Ja ankreuzen, ist die Verdachtskündigung voraussichtlich gerechtfertigt.