Wer kennt das nicht: Streitereien unter Kollegen. Manchmal eskalieren die Streitereien sogar und arten in ein Handgemenge aus. Was sind die Prügel von Kollegen und deren Folgen – ein Arbeitsunfall oder nicht? Lesen Sie selbst (Landessozialgericht Baden-Württemberg, 22.11.2017, Az. l L 1 U 1277/17).
Im September 2014 fuhr ein Arbeitnehmer mit seinen Kollegen nach dem Einsatz auf einer Baustelle mit dem Firmentransporter des Arbeitgebers zurück in den Betrieb. Auf dem Weg wurde ein Kollege nach dem anderen daheim abgesetzt. Alle hatten auf der Baustelle geschwitzt. So kam es zum Streit darüber, ob man das Fenster öffnen solle oder nicht. Ein Kollege öffnete das Fenster mehrmals, ein anderer schloss es wieder.
Als der Kollege, der das Fenster geöffnet hatte, abgesetzt wurde, stieg auch derjenige aus, der es immer wieder geschlossen hatte. Er griff sich seinen Kollegen und schlug ihm mit der Faust mitten ins Gesicht. Das Opfer fiel zu Boden und kassierte noch einen Tritt in den Kopfbereich. Zu betonen ist, dass die Kollegen allesamt Sicherheitsschuhe mit Stahlkappe trugen.
Der Schläger wurde vom Amtsgericht Göppingen wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt. Der Verletzte wollte jedoch eine Entschädigung von der Berufsgenossenschaft erhalten. Nach seiner Meinung handelte es sich um einen Arbeitsunfall.
Die Berufsgenossenschaft ermittelte den Sachverhalt, indem sie beide Beteiligten den „Fragebogen Streit“ ausfüllen ließ. Sie kam zu dem Schluss, dass keine Ersatzleistungen zu zahlen sind. Ihre Argumentation: Der Streit sei nicht beruflich, sondern kulturell bedingt. Der Geschädigte kommt aus dem Kosovo, der Schädiger aus der Türkei.
Das erstinstanzliche Urteil stützte die Auffassung der Berufsgenossenschaft: Zum Streit sei es nicht durch das Zurücklegen des Arbeitsweges, sondern durch die konfliktfreudigen Persönlichkeiten der beiden Kollegen gekommen.
Die 2. Instanz war etwas differenzierter. Die Argumentation der Richter: Der direkte Nachhauseweg von der Arbeitsstätte zur Wohnung steht unter dem Schutz der gesetzlichen Wegeunfallversicherung. Der direkte Weg wurde auch nicht unterbrochen. Das versicherte Zurücklegen des Weges zur Arbeitsstätte war die maßgebliche Ursache für die Prügelei. Es gibt keine Ursachen aus dem privaten Bereich, die den Streit hätten begründen können (Eifersucht oder Ähnliches). Demnach lag ein Arbeitsunfall vor.
Für mich interessant wäre die Beantwortung der Frage, wie die Berufsgenossenschaft geurteilt hätte, wenn sich ein Bayer und ein Sachse die Köpfe eingeschlagen hätten. Sei’s drum – für Sie wichtig ist: Der direkte Arbeitsweg ist immer versichert. Sagen Sie dies auch Ihren Kolleginnen und Kollegen.
Generell gilt: Sie und Ihre Kollegen können wählen, mit welchem Verkehrsmittel Sie den Arbeitsweg zurücklegen wollen. Inlineskater sind genauso versichert wie Fußgänger oder Autofahrer. Der Versicherungsschutz beginnt und endet an der Außentür Ihres Wohngebäudes – wenn Sie in einem Mehrfamilienhaus wohnen, also nicht an Ihrer Wohnungstür, sondern an der allgemeinen Eingangstür.
Bei Fahrgemeinschaften sind Umwege vom direkten Weg zum Abholen oder Abliefern von Kollegen versichert. Dies gilt ebenfalls für Umwege zum Kindergarten oder zur Tagesmutter.
Nicht versichert ist der Weg zum Lebensgefährten oder zur Lebensgefährtin. Außerdem nicht versichert sind Strecken außerhalb des direkten Weges – also der Weg zur Bank oder zum Supermarkt.
Müssen Sie den direkten Weg wegen eines Staus, einer Straßensperre oder einer sonstigen Behinderung verlassen, bleiben Sie versichert. Beginnt oder endet der Weg nicht in der Wohnung, sondern an einem anderen Ort (3. Ort), kommt es darauf an, ob dieser Weg in einem angemessenen Verhältnis zum üblichen Weg steht. Wenn ja, besteht Versicherungsschutz.
Durch Alkoholeinfluss verursachte Unfälle können nicht als Arbeitsunfälle anerkannt werden. Hier hat man ja den Unfall selbst verschuldet. Dies gilt auch bei Fahruntüchtigkeit infolge Drogeneinflusses oder bei Übermüdung.