15.08.2017

Ergreifen Sie die Initiative!

Oft leitet der Arbeitgeber das betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) ein und behält dann auch die Zügel in der Hand. Zum einen ist das nicht richtig, denn wir wissen alle: Für die Arbeitgeber ist das BEM häufig die Stufe 1 zur Kündigung. Zum anderen haben Sie als Personalrat hier ein Initiativrecht. Warum sollten Sie dieses nicht nutzen?

 

 

Keine Kündigung ohne BEM

Ein Arbeitgeber hatte sein Betriebskonzept geändert. Seine Filialen wurden nach und nach von selbstständigen Handelsvertretern übernommen. 2009 wurde auch die Filiale eines weiteren Verkäufers im Wege des Betriebsübergangs an einen Handelsvertreter übergeben. Der Verkäufer widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den übernehmenden Handelsvertreter und war dann fortan krank. Er wurde daraufhin vom Arbeitgeber auf Basis einer Sozialauswahl zum 31.10.2009 entlassen, da sein Arbeitsplatz weggefallen sei. Schon früher einmal war dieser Arbeitnehmer „dauerkrank“ gewesen.

Der Verkäufer klagte und gewann. Die Sozialauswahl war nicht richtig durchgeführt worden. Außerdem war der Arbeitnehmer langzeiterkrankt. Der Arbeitgeber hätte somit ein BEM in ausreichender Form durchführen müssen (Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, 4.1.2010, Az. 10 Sa 2071/09).

Natürlich kann Ihr Dienstherr aus betriebsbedingten Gründen kündigen, wenn er nachweislich keine andere Möglichkeit hat, den Arbeitnehmer anderweitig zu beschäftigen. Allerdings darf die Kündigung immer nur das letzte Mittel sein. Könnte ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsplatz an sich weggefallen ist, durch ein BEM auf einem anderen Arbeitsplatz einsatzfähig werden, müssen Sie dies im Rahmen Ihrer Anhörung zur Kündigung berücksichtigen!

Das sind Ihre Handlungsrechte

Ihr Initiativrecht bzw. Ihre Initiativrechte sind im Bundespersonalvertretungsgesetz geregelt. Auf welche Einzelnormen Sie sich hier stützen können, lesen Sie nachstehend:

Ordnung in der Dienststelle ist berührt

Zum einen geht es um die Ordnung in der Dienststelle. Dieses erzwingbare Mitbestimmungsrecht besteht auch, wenn das Verhalten der Mitarbeiter betroffen ist. Ein zentraler Teil des BEM könnten beispielsweise Krankenrückkehrgespräche sein, die systematisch – also nicht nur im Einzelfall – bei allen genesenen Mitarbeitern geführt werden sollen.

Ohne Ihre Beteiligung darf Ihr Dienstherr kein BEM einführen. Sie sind in jedem Fall zu beteiligen. Mein Rat an Sie ist, eine Rahmenvereinbarung zu schließen, die Ihren Dienstherrn verpflichtet, im konkreten Fall ein BEM durchzuführen.

So sieht das auch die Rechtsprechung

Bei BEM-Regelungen mit formalisierten Verfahren besteht ein Mitbestimmungsrecht zur Ordnung des Betriebs und des Ordnungsverhaltens der Arbeitnehmer in der Dienststelle. Dies betrifft z. B. das Führen von Krankengesprächen oder die Einsetzung und Besetzung der Einigungsstelle.

Oft sind bei BEM-Regelungen auch technische Einrichtungen betroffen – wenn z. B. im Rahmen eine BEM-Maßnahme die Taktung einer Arbeit zu entzerren ist. Hier ist ein Mitbestimmungsrecht denkbar, wenn die technische Einrichtung geeignet ist, den bzw. die Mitarbeiter zu überwachen. Denken Sie bei technischen Einrichtungen immer an dieses Mitbestimmungsrecht.

Bei Fragen des Gesundheitsschutzes reden Sie mit

Ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht haben Sie auch bei Regelungen über den Gesundheitsschutz.
Beispiel: Im Rahmen eines BEM-Verfahrens wird festgestellt, dass alle Arbeitnehmer entlastet werden können, wenn in den Bussen der städtischen Betriebe neue, ergonomische Fahrersitze eingebaut würden. Das wäre rückenschonender.

Folge: In diesem Fall haben Sie als Personalrat ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht, denn es geht ganz klar um den kollektiven Gesundheitsschutz.

Lassen Sie Ihre Kollegen nicht allein

Ganz unabhängig von Ihrer Mitbestimmung sollten Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen bei der Durchführung des BEM auf gar keinen Fall allein lassen. Denn: Der Gesetzgeber hat die Einführung des Verfahrens gut gemeint. Kranke sollen wieder fit gemacht werden.

Der Ansatzpunkt Ihres Dienstherrn ist aber sicher ein anderer. Er lauert leider in vielen Fällen auf das Scheitern des BEM, um dann eine krankheitsbedingte Kündigung aussprechen zu können. Dieser Zusammenhang ist eventuell auch Ihrem betroffenen Kollegen klar und macht die Sache nicht einfacher für ihn. Im Gegenteil, die Situation ist psychisch belastend. Lange Rede, kurzer Sinn: Ihr Kollege braucht Sie!

Wichtig! Aufgeben gilt nicht! Der betroffene Kollege sollte das BEM dennoch durchführen und nicht die Flinte ins Korn werfen, so nach dem Motto: „Mir wird doch eh gekündigt.“ Denn zum einen würde er sich die Chance der Wiedereingliederung vergeben und zum anderen müsste er sich im Arbeitsgerichtsverfahren nach einer Kündigung auch unangenehme Fragen gefallen lassen. Den Arbeitsrichter wird es nämlich interessieren, warum der Kollege die Chance nicht genutzt hat. Seine Erfolgsaussichten im Prozess werden so geschmälert. BEM will Kündigungen verhindern

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