Disziplinarmaßnahmen gegenüber Auszubildenden sind ein sehr scharfes Schwert. Das gilt insbesondere für die Kündigung eines Auszubildenden. Hier sollten Sie als Personalrat ganz besonders genau hinschauen.
Viele Rechtsberater gehen von der irrigen Annahme aus, dass stets das Berufsbildungsgesetz (BBiG) im öffentlichen Dienst Anwendung findet und die Kündigungsregelungen daraus gelten. Das ist jedoch ein Trugschluss.
Nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 BBiG gilt das BBiG ausdrücklich nicht für die Berufsbildung in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis. Insoweit ist, insbesondere bei Fehlen entsprechender Regelungen im Berufsausbildungsvertrag, auf Tarifverträge zurückzugreifen. Im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) steht jedoch in § 1 Abs. 2h), dass der TVöD ebenfalls nicht für Auszubildende gilt. Insoweit gilt jedenfalls für den Bund und die Kommunen der Tarifvertrag für Auszubildende des öffentlichen Dienstes (TVAöD), und zwar der allgemeine Teil und der besondere Teil. Im Tarifvertrag der Länder gibt es entsprechende Regelungen (TVA-L BBiG).
Nach Ablauf der Probezeit kann Ihr Dienstherr das Ausbildungsverhältnis also nur noch außerordentlich kündigen. Der Kündigungsgrund kann dabei in einem wiederholten Verstoß des Auszubildenden gegen seine Pflichten aus dem Berufsausbildungsverhältnis bestehen, etwa wenn er trotz Ermahnungen immer wieder den Berufsschulunterricht schwänzt. Es kann sich aber auch um Störungen aus dem Vertrauensbereich handeln, die auch bei anderen Kollegen eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen würden.
Mögliche Kündigungsgründe:
Auch bei einer außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung eines Auszubildenden hat Ihr Dienstherr stets eine Interessenabwägung vorzunehmen. In aller Regel muss er als milderes Mittel vor der Kündigung eine Abmahnung aussprechen.
Achtung: Strenge Anforderungen. An die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung eines Ausbildungsverhältnisses werden generell sehr strenge Maßstäbe gestellt. Dabei gilt im Rahmen der Interessenabwägung: Je näher der Auszubildende an der Abschlussprüfung ist, desto schwieriger wird die Kündigung.
Hier nun einige Fälle zu außerordentlichen Kündigungen von Auszubildenden nach der Probezeit durch den Ausbilder:
Beleidigung des Arbeitgebers
Der Arbeitgeber war ein Unternehmen für Internetdienstleistungen und erstellte unter anderem Facebook-Profile für Kunden. Auf dem privaten Facebook-Profil eines Auszubildenden fand sich unter der Rubrik „Arbeitgeber“ folgende Äußerung: „Arbeitgeber: menschenschinder & Ausbeuter Leibeigener ?? Bochum daemliche Scheiße für Mindestlohn –20 % erledigen.“
Aufgrund dieses Eintrags kündigte der Arbeitgeber – und das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm bestätigte diese Kündigung (10.10.2012, Az. 3 Sa 644/12). Sie war rechtmäßig.
Verstoß gegen Berufsschulpflicht
Ein Auszubildender hatte 11 volle Kalendertage seinen Blockunterricht in der Berufsschule ohne Grund nicht mehr besucht.
Bis zum Zugang der Kündigung hatte er die Dienstherrin nicht darüber informiert, geschweige denn über die Gründe. Damit hatte er über einen längeren Zeitraum hinweg gegen seine in den betreffenden Zeiten an die Stelle der Arbeitspflicht tretende arbeitsvertragliche Verpflichtung zum Berufsschulbesuch verstoßen, also eine Hauptleistungspflicht nicht erbracht (Arbeitsgericht Magdeburg, 7.9.2011, Az. 3 Ca 1640/11).
Darüber hinaus hatte er zumindest in Kauf genommen, trotzdem entlohnt zu werden. Im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ist ein solches Verhalten – regelmäßig auch ohne vorherige Abmahnung – an sich geeignet, einen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung darzustellen. Denn es handelt sich letztendlich um einen Arbeitszeitbetrug.
Folgende Kündigungsgründe hat die Rechtsprechung außerdem anerkannt
Wie bereits gezeigt, ist nach Ablauf der Probezeit eine ordentliche Kündigung grundsätzlich unzulässig. Deshalb scheidet auch der allgemeine Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) für Auszubildende aus. Er ist schlicht und ergreifend nicht erforderlich. Anders sieht es allerdings mit dem besonderen Kündigungsschutz aus. Das gilt insbesondere für schwangere Auszubildende, die den Kündigungsschutz nach § 17 Mutterschutzgesetz genießen. Dieser Kündigungsschutz findet auch während der Probezeit Anwendung, sodass in diesem Fall die zuständige Behörde vor der Kündigung ihre Zustimmung erteilen muss.
Nach § 168 Sozialgesetzbuch (SGB) IX muss vor der Kündigung eines schwerbehinderten Auszubildenden die Zustimmung des Integrations-/Inklusionsamts eingeholt werden. Hier gibt es allerdings eine 6-monatige Wartezeit. Der Kündigungsschutz greift also erst, wenn der Auszubildende 6 Monate lang beschäftigt ist.
Obwohl Ihr Dienstherr vielleicht mit Ausspruch der Kündigung alles richtig gemacht hat, steht es jedem gekündigten Auszubildenden frei, die Kündigung arbeitsgerichtlich überprüfen zu lassen. Eine solche Klage muss er allerdings binnen 3 Wochen nach Zugang der Kündigung erheben.
Achtung: Schlichtungsausschuss.Bei Berufsbildungsverhältnissen gibt es allerdings eine Besonderheit. Nach § 111 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz kann bei Streitigkeiten zwischen dem Ausbildenden und Auszubildenden ein Schlichtungsausschuss gebildet werden. Die Gefahr besteht darin, dass vor allem dem Auszubildenden im Vorfeld nicht immer klar ist, ob es einen solchen Ausschuss wirklich gibt.
Tipp: Nachfragen erlaubt. Eine Rückfrage beim Dienstherrn bringt häufig Klarheit.
Wichtig: 3-Wochen-Frist. Das Problem besteht in Folgendem: Muss kein Ausschuss angerufen werden, weil es diesen nicht gibt, gilt die 3-Wochen-Frist aus § 4 KSchG!
Der Ausschuss beendet das Verfahren durch einen sogenannten Spruch. Erkennen die Parteien den Spruch nicht innerhalb einer Woche an, kann binnen 2 Wochen nach ergangenem Spruch Klage beim Arbeitsgericht erhoben werden. Der Klage muss nach dem Gesetzestext auf jeden Fall die Verhandlung vor dem Ausschuss vorangegangen sein.
Tipp: Raten Sie dem Azubi, in jedem Fall zu klagen. Auszubildende sollten in jedem Fall binnen 3 Wochen nach Zugang der Kündigung eine Klage beim Arbeitsgericht einreichen. Stellt sich dann heraus, dass ein Schlichtungsausschuss hätte angerufen werden müssen, setzt das Arbeitsgericht das Verfahren zunächst aus.
Auch wenn die Auszubildenden in der Probezeit noch keinen Kündigungsschutz genießen, hat Ihr Dienstherr auf jeden Fall die Bestimmungen der Personalvertretungsgesetze zu beachten. Sie sind als Personalrat vor jeder Kündigung anzuhören. Das gilt bei Kündigungen gegenüber Auszubildenden auch in der Probezeit. Ihr Dienstherr hat Ihnen detailliert die ihm bekannten Sozialdaten und die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Andernfalls ist die Kündigung unwirksam.
Gehen Sie folgendermaßen bei einer beabsichtigten Kündigung eines Auszubildenden vor:
1. Schritt: Suchen Sie das Gespräch mit dem betroffenen Auszubildenden.
2. Schritt: Klären Sie, ob es sich um eine Kündigung in der Probezeit handelt. Dann ist ein Kündigungsgrund für den Dienstherrn ohnehin nicht erforderlich.
3. Schritt: Handelt es sich um eine Kündigung außerhalb der Probezeit, versuchen Sie, den Sachverhalt möglichst aufzuklären. Liegen tatsächlich Kündigungsgründe vor?
4. Schritt: Prüfen Sie die Formalien, insbesondere ob Sie als Personalrat ordnungsgemäß angehört wurden und die Kündigung begründet ist.
5. Schritt: Beraten Sie im Gremium, ob die fristlose Kündigung tatsächlich das richtige Mittel ist. Stets stellt sich die Frage, ob eine Abmahnung nicht auch ausreichend sein könnte.
6. Schritt: Beraten Sie den Auszubildenden, wie es mit ihm weitergeht. Informieren Sie ihn insbesondere über seine rechtlichen Möglichkeiten, den Schlichtungsausschuss anzurufen und zu klagen.
7. Schritt: Informieren Sie den Auszubildenden darüber, dass ihm in jedem Fall ein Zeugnis zusteht.